Verschollenes Porträt NS-Raubkunst? Klimt-Bild für 30 Millionen Euro versteigert
In Wien ist ein lange als verschollen geglaubtes Gemälde von Gustav Klimt versteigert worden. Auch die Nachfahren der jüdischen Familie, der das Bild einst gehörte, profitierten.
Wie das Auktionshaus im Wiener Palais Kinsky mitteilt, handelt es sich um das "Bildnis Fräulein Lieser" aus dem Jahr 1917. Das farbenfrohe Frauenporträt, welches eine der letzten Arbeiten des berühmten Jugendstil-Malers ist, wird auf einen Wert von 30 Millionen Euro geschätzt – und für diese Summe hat das Bild nun den Besitzer gewechselt.
Das teuerste Klimt-Bild ist es damit aber nicht: Das war mit einer Summe von 86 Millionen Euro Klimts "Dame mit Fächer", die 2023 bei Sotheby's in London versteigert wurde. Es ist damit aber auch das teuerste Bild Europas.
Ein Auftragswerk für eine jüdische Industriellen-Familie
Das Bild zeigt eine junge Frau in klarer frontaler Haltung vor einem roten Hintergrund, gekleidet mit einem reich mit Blumen dekorierten Umhang. Mit seinen Maßen von 140 mal 80 Zentimetern galt das Werk über Jahrzehnte hinweg als verloren. Nur Vorzeichnungen zum unvollendeten Werk waren bekannt gewesen.
Tatsächlich hatte sich das Werk im Privatbesitz einer österreichischen Familie verborgen. Die jetzigen Eigentümer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, gab das Auktionshaus bekannt. Die Wiederentdeckung des bedeutenden Porträts wird vom Auktionshaus zu Recht als Sensation bezeichnet.
Die Auftraggeber des Kunstwerks waren die vermögenden Industriellen der Familie Lieser aus Wien, die aufgrund ihrer jüdischen Abstammung während der NS-Zeit verfolgt wurden. Trotz intensiver Recherchen konnte nicht geklärt werden, ob das Gemälde in der NS-Zeit beschlagnahmt oder gar geraubt wurde.
In Bezug auf diese Unsicherheit heißt es in einem Online-Video zur Versteigerung: "Umgekehrt wurden aber auch keine Beweise gefunden, dass das Gemälde in der Zeit zwischen 1938 und 1945 nicht geraubt wurde". Daher sei eine Übereinkunft zwischen den aktuellen Eigentümern und den Nachkommen der Familie Lieser getroffen worden, durch die Ansprüche der Familie aus dem Erlös der Auktion abgegolten werden.
Das Bild wurde nicht fertiggestellt
Laut Schätzungen soll Klimt für das Porträt einen Lohn von rund 15.000 Kronen erhalten haben, was zu seiner Zeit ein üblicher Betrag war und etwa einem Drittel des Wertes einer Villa im Salzkammergut entsprach. Klimt dürfte im Mai 1917 mit dem Bild begonnen haben, wie der gut dokumentierte Schaffensprozess nahelegt.
Die Dargestellte – es ist unklar, welches Mitglied der Familie das Motiv zeigt – habe ihn neunmal in seinem Atelier besucht. Als der Maler im Februar 1918 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, war das Werk in geringen Teilen nicht vollendet. "Die Tatsache, dass dieses Bild nicht von Klimt signiert wurde, zeigt, dass er selbst das Porträt noch nicht als fertiggestellt ansah", heißt es in der Werkbeschreibung.
Klimt gehört zu Wien. Die Österreicher sind sehr stolz auf ihr Jugendstil-Genie. Insofern ist es ein Erfolg, dass das Gemälde nicht in London oder New York versteigert wurde, sondern im Wiener Auktionshaus im Palais Kinsky. Das Auktionshaus hat langjährige Erfahrung mit Werken Klimts und außerdem Kompetenz im Umgang mit sogenannten Raubkunst-Fällen.
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche