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Die Ampelkoalition ist am Ende | Kolumne


Meinung
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Kolumne "Elder Statesman"
So viel Enttäuschung war selten

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

23.01.2024Lesedauer: 4 Min.
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Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz: Die Koalitionäre finden keinen Gleichschritt. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Das politische System der Ampelkoalition ist abgestürzt. Die Regierung braucht dringend einen Neustart. Eigentlich. Aber sie hat keinen Reset-Knopf.

"Du findest doch auch, dass wir die schlechteste Regierung ever haben, oder?" In meinem privaten Umfeld wird mir diese Frage so oder ähnlich immer wieder gestellt. Von ganz unterschiedlichen Menschen: von älteren Männern aus dem sozialdemokratischen Milieu; von jüngeren Frauen, die finden, dass die Zeit älterer Männer aus dem sozialdemokratischen Milieu abgelaufen ist; von Realo-Grünen und CDU-Wählern, von alleinerziehenden Müttern, selbstständigen Handwerkern, prekär beschäftigten Journalistinnen und finanziell gut abgesicherten Rentnern.

Scholz, Habeck, Lindner? Bleib mir weg mit denen! So viel Enttäuschung, so viel Unzufriedenheit auf allen Seiten war selten. Ist das tatsächlich die schlechteste Regierung, die wir je hatten? Sicher scheint schon jetzt: Das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP, das sich 2021 erst lustlos zusammengefunden und sich dann lustvoll als Fortschrittskoalition präsentiert hat, wird als gescheiterte Regierung in die Geschichte der Republik eingehen. Eine Neuauflage nach der nächsten Wahl ist ausgeschlossen. Olaf Scholz wird der erste Bundeskanzler seit Kurt-Georg Kiesinger sein, der nach nur einer Amtszeit abgewählt wird.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Frankfurt lebt Vorkötter wieder in Stuttgart. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, wo man das offene Wort schätzt und die Politik nicht einfach den Politikern überlässt.

Für die Jüngeren: Kiesinger war ein CDU-Kanzler, er regierte Ende der 60er-Jahre, vor mehr als einem halben Jahrhundert.

Was ist da schiefgelaufen? Es gibt für den Niedergang der Ampel viele Gründe. Vor allem ist den drei Partnern in zwei Jahren Regierungszeit zweimal die Basis der Zusammenarbeit abhandengekommen. Einmal, als Wladimir Putin die Ukraine überfiel; das war im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Und dann, als das Bundesverfassungsgericht der Regierung die Droge entzog, nach der alle Regierungen süchtig sind: das Geld. Beim ersten Mal hat der Bundeskanzler noch instinktiv richtig reagiert: Seine Zeitenwende-Rede im Bundestag war der stärkste Moment von Olaf Scholz als Regierungschef. Die Aufrüstung der Bundeswehr, eine unmittelbare Folge dieser Zeitenwende, wird ein Vermächtnis des SPD-Kanzlers bleiben.

Die Ampel hat die Zeitenwende vermasselt

Auch das Krisenmanagement, das den Ausfall der russischen Gaslieferungen beherrschbar machte, hat funktioniert. Das war keine Selbstverständlichkeit. Dann aber hat die Koalition die Zeitenwende vermasselt. Der entscheidende Fehler: Die Regierung wollte hinterher weiter regieren wie vorher geplant. Robert Habeck zum Beispiel hat nicht gesehen, dass seine gesamte Klimapolitik, aus der Sicht der Grünen das Herzstück des rot-gelb-grünen Projekts, nicht mehr zu realisieren war – jedenfalls nicht so wie vorgesehen.

Ob Atomausstieg oder Kohleausstieg, ob CO2-Preis, Windräder, Wärmepumpen oder Elektroautos: Es wäre erforderlich gewesen, die alten Pläne mit der neuen Realität abzugleichen. Unbedingt. Die Koalitionäre haben es nicht getan. Nicht beim Klima, nicht bei der Bahn-Infrastruktur, nicht beim Bürgergeld, nicht bei der Digitalisierung. Neue Prioritäten, auf weniger Wichtiges verzichten? Fehlanzeige.

Eine Innovation, die sich als Illusion entpuppte

Stattdessen verständigte man sich darauf, die alten und die neuen Probleme in einem Rutsch zu lösen. Mit Geld. Also mit Schulden. Die nannte man vorsichtshalber Vermögen. Sondervermögen, das klingt noch besser. Ein innovatives Konzept: Die Liberalen konnten mit dem Fuß auf der Schuldenbremse bleiben, Sozialdemokraten und Grüne durften das Geld mit vollen Händen ausgeben. Die Karlsruher Verfassungsrichter haben die Innovation als Illusion entlarvt.

Von diesem Tiefpunkt an ging es nur noch weiter bergab. Olaf Scholz wandte sich in der Pose des Staatsmanns an seine Bürgerinnen und Bürger: "In Ihrem Alltag ändert sich nichts." Das sollte ein Versprechen sein, aber wer Augen hatte zu sehen und Ohren zu hören, dem war klar, dass es sich nur um einen Versprecher handeln konnte. Oder eine platte Irreführung. Wie das bei den Bauern angekommen ist, weiß man inzwischen. Ob Bauern, Rentner, Mittelstand: Diese Regierung traut sich nicht (mehr), den Menschen die Lage des Landes ungeschminkt zu schildern. Sie schafft es nicht mehr, staatspolitische Erfordernisse, parteipolitische Ambitionen und die Grenzen ihrer Möglichkeiten miteinander in Einklang zu bringen. Das ist ein grundsätzliches Problem, das kann keine politische Rhetorik überdecken.

Apropos Rhetorik: Die ist natürlich auch ein Problem der Ampel. Der Chef redet ja nicht, Olaf Scholz ist der schweigsamste Kanzler der Geschichte. Andere aus der Koalition reden viel zu viel, lieber übereinander als miteinander. Daraus folgen immer neue Schlagzeilen über den Ampelstreit, und Streit schadet der Ampel. Wenn das Publikum dann gespannt in Richtung Kanzler schaut, schaut der Kanzler weg. Scheint ihn nicht zu interessieren. Die Kommunikation zwischen Regierung und Volk ist inzwischen nachhaltig gestört. Da kann kein Vertrauen mehr entstehen, da wächst nur noch Misstrauen. Aus Misstrauen wird Ablehnung. Aus Ablehnung wird Verachtung. Nicht nur am rechten Rand. Soweit sind wir.

Habeck, Lindner und Scholz erreichen die Menschen nicht mehr

Christian Lindner hat das zu spüren bekommen, als er bei den Bauern reden wollte. Robert Habeck hat das zu spüren bekommen, als ihn aufgebrachte Demonstranten daran hinderten, von der Hallig Hooge aufs Festland zu gelangen. Beide sind ausgebuffte politische Profis, hochintelligente Menschen und exzellente Redner. Aber weder Lindner noch Habeck und erst recht nicht der verschlossene Scholz erreichen die Menschen noch mit ihren Botschaften. Das liegt nicht an den Menschen.

Ob die Ampel die schlechteste Regierung von allen ist? Das entscheiden Sie, jeder und jede für sich, letztlich an der Wahlurne. Mein Urteil: Die Koalition ist so gründlich abgestürzt, dass es keinen Neustart mehr geben wird. Dazu eine Prognose: Sie wird aber durchhalten und improvisieren, dem Herbst 2025 entgegen schlingern, vorher nicht aufgeben. Bringen wir es hinter uns, mit Anstand.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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