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Spionage um Nord Stream 2? Kremldiplomat suchte Nähe zur Politik


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Spionage um Nord Stream 2?
Sellering und der mutmaßliche Kremlspion


Aktualisiert am 30.04.2022Lesedauer: 4 Min.
Ex-Landeschef und Klimastiftungsvorsitzender Erwin Sellering: Er teilte sich ein Podium mit einem mutmaßlichen Geheimdienstler aus Russland.Vergrößern des Bildes
Ex-Landeschef und Klimastiftungsvorsitzender Erwin Sellering: Er teilte sich ein Podium mit einem mutmaßlichen Geheimdienstler aus Russland. (Quelle: Jens Büttner/dpa)

Einer der kürzlich ausgewiesenen russischen Diplomaten pflegte Kontakte in die Landespolitik. Auffällig oft trat er in Zusammenhang mit Nord Stream 2 in Erscheinung.

Erwin Sellering steht unter Druck: Die von ihm als Ministerpräsident eng begleitete Gaspipeline Nord Stream 2 entpuppt sich als nationales Sicherheitsrisiko, die von ihm geleitete Klimastiftung als eine Art Tarnorganisation für den Bau. Nun gerät auch noch ein Treffen des SPD-Politikers mit einem russischen Diplomaten in den Blick.

Pavel Rubtsow wurde laut Recherchen von t-online vor Kurzem wegen mutmaßlicher Tätigkeit für einen russischen Geheimdienst ausgewiesen. In seiner Zeit in Deutschland beschäftigte er sich mit Nord Stream 2 und verhängten Sanktionen – und bestritt dafür öffentlich politische Termine in drei Bundesländern, zu denen er stets jeweils kurzfristig dazustieß.

"Gezielt Kontakte nach Russland ausbauen"

So auch bei seinem Treffen mit Erwin Sellering im Jahr 2018: Damals war der ehemalige Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns erst wenige Monate zuvor aus dem Amt geschieden, übernommen hatte seine langjährige Wegbegleiterin und Parteihoffnung Manuela Schwesig. Er selbst widmete sich fortan politisch der Pflege deutsch-russischer Beziehungen. Dazu trat er als großer Befürworter von Nord Stream 2 auf – und als Gegner von Sanktionen, die nach der russischen Annexion der Krim 2014 verhängt wurden.

In diesem Geiste stand die Podiumsdiskussion im März 2018. SPD-Landrat Stefan Kerth hatte unter dem Titel "Russlandkooperation statt -sanktion" nach Stralsund geladen, um sein Programm vorzustellen. Das sah vor, "während der Sanktionen ganz gezielt Kontakte nach Russland" auszubauen, was im Einklang mit dem von Sellering fürs Land eingeschlagenen Kurs stehe, der von Schwesig fortgesetzt werde. Folgerichtig gab Kerth an, den Ex-Landeschef für seinen Ansatz als Partner gewonnen zu haben.

"Keinen Tag im Dienst der Diplomatie"

Zu den Diskutanten zählten damals allerdings nicht nur Kerth, Sellering und der Geschäftsführer des Hafens Mukran – der Port sollte für den Bau von Nord Stream 2 später eine wichtige Rolle spielen. Sie teilten sich das Podium nämlich nach "kurzfristiger Planänderung" mit dem stellvertretenden Leiter des Handels- und Wirtschaftsbüros der russischen Botschaft, Pavel Rubtsow, der auch anderswo im Umfeld der Pipeline Kontakte knüpfte.

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Heute ist Rubtsow seit wenigen Wochen nicht mehr in Deutschland als Diplomat akkreditiert. Aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Bundesregierung Anfang April 40 Angehörige der russischen Botschaft und der Konsulate wegen mutmaßlicher Tätigkeit für Geheimdienste zu unerwünschten Personen erklärt und sie des Landes verwiesen. Vor wenigen Tagen bekräftigte Außenministerin Annalena Baerbock, sie seien "keinen Tag im Dienst der Diplomatie tätig gewesen". Vielmehr habe ihre Arbeit alle bedroht, "die bei uns Schutz suchen".

Sellering: "Weder vorher noch nachher nochmals begegnet"

Treffen diese Angaben zu, teilte sich der Ex-Landeschef also ein Podium mit einem Spion des Kreml. Sellering sagte dazu auf Anfrage von t-online, er habe keinerlei Erinnerung an das Treffen mit Rubtsow. Lediglich, dass er mit Kerth auf einer Art Podium gesessen habe und "mit wem auch immer diskutiert" habe, unter anderem mit einem Russen, dessen Name und Funktion ihm nicht mehr erinnerlich seien. "Ich habe diesen Mann an dem Abend nicht weiter gesprochen und bin ihm weder vorher noch nachher nochmals begegnet."

Doch auch über das Treffen in Stralsund hinaus knüpfte der verdächtige russische Diplomat Rubtsow laut Informationen von t-online Kontakte in politische und wirtschaftliche Kreise im Umfeld der Pipeline. Im berühmten Ausflugslokal "Wannseeterassen" in Berlin traf er 2017 den Wintershall-Vorstand Ties Tiessen und den Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Michael Harms, bei "Deutsch-Russischen Wirtschaftsgesprächen" des dortigen Unternehmerverbandes. Wie bei seinem Treffen mit Sellering war er auch hier offenbar kurzfristig für einen anderen russischen Diplomaten eingesprungen.

Bei Landesinitiative zu Gast

Das Programm hält fest, dass der "regelrechte Boom" des Osthandels damals durch Risiken getrübt worden sei. Mit Risiken war gemeint: "die Politisierung von Nord Stream 2" und "die Beibehaltung anderer verfehlter Sanktionen". Wintershall finanzierte die Pipeline mit, der Ostausschuss ergriff stets Partei für die Fertigstellung. Weitere Unterstützer hatte das Projekt in Sachsen-Anhalt, wo der Landtag noch wenige Wochen vor Kriegsbeginn mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP Druck auf die Bundesregierung aufzubauen versuchte, Nord Stream 2 unbedingt fortzuführen.

Dort war Rubtsow 2019 Teil eines Diskussionspanels beim sogenannten "Katharina-Forum" in Zerbst – wieder ohne zuvor im Programm angekündigt worden zu sein. Der deutsch-russische Wirtschaftsdialog ist eine Initiative des Landeswirtschaftsministeriums unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Rainer Haseloff.

Gesprächspartner dort war unter anderen Matthias Schepp, Chef der deutsch-russischen Außenhandelskammer, der sich in diesem Zeitraum als großer Befürworter der Pipeline hervortat und Rubtsow im Rahmen seiner Tätigkeit auch später wieder traf. Schepp forderte sogar Gegensanktionen gegen die USA. Er sagte, die angedrohten Maßnahmen der USA – und nicht die Pipeline – bedrohten die energiepolitische Unabhängigkeit Europas.

Und schließlich besuchte Rubtsow Anfang 2020 auch wieder Mecklenburg-Vorpommern – dieses Mal war eine Fotoausstellung eines russischen Künstlers sein Ziel. Extra aus St. Petersburg brachte die Vernissage eine Balletttänzerin in die Hafenstadt, um eine Choreographie aus "Schwanensee" zu tanzen. Möglich wurde das durch die großzügige Unterstützung der Nord Stream 2 AG, die als Sponsor auftrat. Dafür war dem Unternehmen der Dank des Landeswirtschaftsministeriums gewiss.

Dessen Staatssekretär, Stefan Rudolph (CDU), gilt als guter Netzwerker, als einer der bekanntesten CDU-Politiker im Land und als Fürsprecher der Pipeline. Über Jahre war er auch mit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mir Russland befasst, unter anderem bei den Russlandtagen und Schwesigs Reisen dorthin. Sein Ministerium war eng in den Pipeline-Bau eingebunden.

Bei der Vernissage hielt Rudolph neben Rubtsow eine Rede. Neben der Wirtschaft seien "Kooperationen auf dem Gebiet der Kultur feste Säulen in den Beziehungen" zu Russland. Ob Rubtsow das ebenso sah oder aus anderen Gründen in Greifswald weilte, ist der Lokalpresse nicht mehr zu entnehmen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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