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Corona-Krise: Deutschland gelingt etwas Einzigartiges


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Was heute wichtig ist
Deutschland gelingt in der Krise etwas Einzigartiges

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

25.05.2020Lesedauer: 6 Min.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow: Will wieder ohne Maske sein.Vergrößern des Bildes
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow: Will wieder ohne Maske sein. (Quelle: Jacob Schröter/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages, heute stellvertretend für Florian Harms:

WAS WAR?

Wir Deutsche können stolz auf uns sein.

Ja, wirklich. Etwa drei Monate sind seit Beginn der Pandemie hierzulande vergangen. Derzeit gelten noch etwas mehr als 11.000 Menschen als infiziert, gegenüber etwa 60.000 Anfang April. Wir haben etwas mehr als 8.280 Tote zu beklagen. Gemessen an unserer Einwohnerzahl sind wir bislang glimpflich davongekommen.

Dabei fiel der deutsche Lockdown verglichen mit anderen Ländern relativ moderat aus. Menschen konnten sich weiterhin im Freien bewegen, Firmen und Fabriken blieben geöffnet, Schulen und Kitas hielten eine Notversorgung aufrecht. Schnell flachte die Infektionskurve deutlich ab.

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Die ohnehin gute medizinische Versorgung hat locker standgehalten. Derzeit sind 874 von 31.653 Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt.

Und: Dank solider Haushaltspolitik der vergangenen Jahre kann die Regierung bei den Corona-Hilfen aus dem Vollen schöpfen. Allein der Corona-Schutzschild für die Wirtschaft umfasst 353 Milliarden Euro, plus 819 Milliarden Euro an Garantien.

Wir können deshalb einen Moment lang innehalten. Das Erreichte feiern. Und uns gegenseitig auf die Schultern klopfen: Das haben wir gut gemacht.

Die Stimmung im Land ist jedoch eine völlig andere. Seit sich der Erfolg eingestellt hat, beginnt sich die anfängliche Einigkeit rasant in Luft aufzulösen. Die deutsche Diskussionskultur hat schon etwas Einzigartiges.

Diskussionskultur-Anheizer des Wochenendes: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Der populäre Linke aus Erfurt will in zwei Wochen alle Beschränkungen aufheben. Alle. Und stattdessen auf "selbstverantwortetes Maßhalten" setzen. Der Erfolg bei der Bekämpfung des Virus zwinge zu "realistischen Konsequenzen und zum Handeln“, sagt er.

Deshalb einmal kurz zu den Tatsachen. Ja, in Erfurt, Jena und Eisenach gab es in den vergangenen sieben Tagen keine Neuinfektionen. Doch in ganz Thüringen gibt es (Stand gestern) insgesamt 657 aktive Coronavirus-Infizierte, 156 Menschen sind in den vergangenen sieben Tagen dazu gekommen. Ohne Dunkelziffer, versteht sich. Mit 39 Neuinfektionen rangiert der südthüringische Landkreis Sonneberg auf Platz 3 der derzeitigen Hotspots der Republik (siehe Live-Grafik).

Szenenwechsel. Im niedersächsischen Moormerland haben sich mindestens 18 Besucher bei einer Privatfeier infiziert. In Frankfurt wurden nach einem Baptisten-Gottesdienst mehr als 107 Menschen positiv getestet. In Düsseldorf infizierten sich mindestens 23 Menschen in einem Pflegeheim. In der Nähe von Potsdam infizierten sich vier Mitarbeiter eines Postverteilzentrums.

Vier grelle Corona-Schlaglichter des Wochenendes. Die den Mahnern vor einer "zweiten Welle" ganz offensichtlich Recht geben. Ramelow hat mit seiner Haltung einen schweren Stand.

Die Reaktionen auf den Thüringer Anheizer ließen deshalb nicht lange auf sich warten: "Ein Gang aufs Minenfeld" (Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche), ein "falsches und fatales Signal" (SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach), die "Menschen brauchen weiterhin Klarheit, Sicherheit und Orientierung" (SPD-Vorsitzende Saskia Esken). Die Staatskanzlei in Bayern zeigte sich gar "entsetzt" über den Vorstoß.

Doch Deutschland wäre nicht Deutschland, gäbe es nicht auch die anderen Stimmen. FDP-Chef Christian Lindner wollte am Sonntag die Diskussion "erstmal unseren Fachpolitikern überlassen", die Brandenburger CDU-Abgeordnete Saskia Ludwig fand, "der thüringische Regierungschef ist genau auf dem richtigen Weg" und die AfD in Thüringen frohlockte gar, Ramelow habe den Vorstoß von ihnen kopiert.

Jetzt wissen Sie auch nicht mehr, was sie glauben sollen?

Dann einen Schritt zurück. So widersprüchlich manchmal die wissenschaftlich fundierten Kenntnisse über den richtigen Umgang mit der Pandemie sind, zwei Dinge haben sich bewährt. Abstand halten und Atemschutz tragen (wo immer Ersteres nicht möglich ist).

Das von Ramelow favorisierte "selbstverantwortete Maßhalten" wird bei einem Teil der Menschen nicht funktionieren. Der einfache Grund: Unvernunft. Da hätte Ramelow nur einmal Bus und Bahn fahren müssen. Dort sind trotz Verbotes, trotz aller Nähe, immer noch Menschen ohne Maske unterwegs. Und das ist nur ein Beispiel unter vielen.

Die deutsche Einzigartigkeit der Debatte: Wir orientieren uns nicht an unserem erfolgreichen Weg der vergangenen Wochen. Wir stellen ihn jeden Tag wieder infrage.

Wir sind ein Volk von Nachdenkern und Skeptikern. Die Corona-Debatten wirken manches Mal, als seien sie der Epoche der Romantik entsprungen. Statt rationaler, wissenschaftlich fundierter Debatten geben wir uns der Sehnsucht nach persönlichem Empfinden und individueller Freiheit hin. Ramelow klingt wie Heinrich Heine: "Ein neues Lied, ein besseres Lied! Es klingt wie Flöten und Geigen! Das Miserere ist vorbei, Die Sterbeglocken schweigen." (aus: Deutschland, ein Wintermärchen)

Das Erstaunliche: Dieser anstrengende Diskurs der Bundespolitiker, Ministerpräsidenten, Wissenschaftler und unzähliger Talkshow-Runden hat uns bislang recht gut durch die Krise geführt. Es ist nur manchmal schwer auszumachen, ob TROTZ oder WEGEN dieser Diskussion eine erfolgreiche Krisenpolitik entsteht.


WAS STEHT AN?

Ursula von der Leyen muss diese Woche liefern. Ich gebrauche diese Redewendung nicht oft, aber am Mittwoch trifft sie zu. Dann muss die Kommissionspräsidentin in Brüssel ihr Aufbauprogramm vorstellen, das sie im Auftrag der EU-Staats- und Regierungschefs entworfen hat. Was sie schaffen muss: Die Brücke schlagen zwischen Angela Merkel und Emmanuel Macron auf der einen Seite, die 500 Milliarden an Zuschüssen für EU-Staaten vorgeschlagen haben. Und den "sparsamen Vier" auf der anderen Seite (Österreich, Niederlande, Schweden, Dänemark), die gemeinsame Schulden ablehnen. Und lediglich Corona-Kredite an einzelne Länder zulassen wollen.

Die EU-Kommission wird voraussichtlich die Kompromisslinie mit einer Mischung aus Zuschüssen und Krediten versuchen. Eine Billion Euro soll eingeplant werden. Problem ist: Bis der Kompromiss steht, kann noch viel Zeit vergehen. Zu viel womöglich.


In Peking tagt währenddessen weiter der chinesische Volkskongress mit rund 3.000 Delegierten. Das dort verabschiedete "Sicherheitsgesetz" soll in Hongkong "ohne die geringste Verzögerung" angewendet werden, sagte am Sonntag der chinesische Außenminister Wang Li.

Die Eile kommt nicht von ungefähr. Am Wochenende gab es dort bereits wütende Proteste. In Peking scheint man gewillt, die Protestbewegung in Hongkong endgültig mundtot zu machen. "Jetzt ist der Anfang vom Ende", sagte der prominenteste Vertreter der Demokratiebewegung, Joshua Wong. Ich hoffe, er behält nicht recht. Die Tränengas-Schwaden vom Sonntag lassen Böses ahnen.

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Kritiker fürchten, wegen Corona sei die weltweite Aufmerksamkeit nicht auf China gerichtet. Deshalb könne Peking eine blutige Niederschlagung der Proteste für ein kalkulierbares Risiko halten.


Am Donnerstag wird es vor dem Bundesgerichtshof (BGH) kompliziert. Es geht um die schlichte Frage, ob Nutzer dem Setzen von Cookies zustimmen müssen. Diesen Grundgedanken sieht die E-Privacy-Richtlinie der Europäischen Union eigentlich seit 2009 vor. Problem nur: Der Bundestag hat nie ein eindeutiges Gesetz dazu verabschiedet. Der BGH muss also ein recht weitreichendes Urteil fällen.


WAS LESEN, HÖREN ODER ANSCHAUEN?

Der Corona-Shutdown hat nur wenig zum Klimaschutz beigetragen, sagt der Ökonom Ottmar Edenhofer in der neuen Podcast-Folge "Tonspur Wissen" auf t-online.de. Und er macht sich Sorgen: "Politik sollte uns nicht in Pfade lenken, die wir später bereuen." Welche Fehler jetzt vermieden werden sollten, warum Klimaschutz auch in der Krise funktioniert und wieso er eine neue Abwrackprämie für Autos nicht grundsätzlich ablehnt, erzählt Professor Edenhofer im Gespräch mit Ursula Weidenfeld.


Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus sind alltäglich geworden. Doch was erwartet uns in Zukunft? Der Epidemiologe Hajo Zeeb hat im Interview die brennendsten Fragen der t-online.de-Nutzer beantwortet. Wer wird als Erstes einen Impfstoff bekommen? Wie kann für den Fall vorgesorgt werden, falls das Coronavirus mutiert? Reicht ein starkes Immunsystem als Schutz gegen Covid-19 aus? Die Antworten zeigen meine Kollegen Arno Wölk und Sandra Sperling im Video.


Ich gebe zu, Computerspiele haben mich seit jeher fasziniert. Besonders die Leistung, kreative Ideen in programmierte Zeilen zu übersetzen. Und so Millionen Menschen zu faszinieren.

Nun ist es erstmals gelungen, ein Spiel durch eine Künstliche Intelligenz programmieren zu lassen. Genauer: kopieren zu lassen. Aber lesen sie selbst, wie Pacman neu entstanden ist (auf englisch).


WAS AMÜSIERT MICH?

Abstand in Corona-Zeiten ist wichtig. Ich bin mir allerdings nicht sicher, was passiert, wenn sich hier ein C&A-Mitarbeiter verzählen sollte.

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Wochenstart. Morgen schreibt Florian Harms wieder an dieser Stelle.

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