Votum geplant FDP-Spitze will auf Distanz zum Bundeskanzler gehen
Auf ihrem Parteitag will sich die FDP für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aussprechen. Auch bei einem weiteren Politikfeld will sich die Partei vom Kurs ihrer Koalitionspartner abgrenzen.
Die FDP will auf ihrem bevorstehenden Bundesparteitag ein Bekenntnis zur Unterstützung der Ukraine mit schweren Waffen ablegen. Auf Antrag des Parteivorstands soll der Parteitag am Wochenende die Forderung nach einer "deutlichen Intensivierung und Beschleunigung der Lieferung hochwirksamer Waffen an die ukrainische Armee" beschließen, wie aus einem am Donnerstag vorgestellten Entwurf hervorgeht. Damit wollen die Liberalen ein Zeichen gegen die als zu zögerlich empfundene Haltung des Koalitionspartners SPD setzen.
Das zweitägige Delegiertentreffen ist der erste Parteitag der FDP seit ihrem Eintritt in die Ampelkoalition. Die Parteispitze will den Delegierten dabei einen Leitantrag vorlegen, der die Eigenständigkeit der FDP hervorheben soll – und der sich etwa in der Energiepolitik klar von SPD und Grünen abgrenzt.
So will die FDP Möglichkeiten zur heimischen Gasförderung in der Nordsee prüfen lassen. Zudem wollen die Liberalen die Option offenhalten, den geplanten Ausstieg aus Kohle- und Atomenergie zu verschieben. Diese Punkte sollen Teil einer "Energieversorgungsstrategie" sein, die Deutschland rasch von Energieimporten aus Russland unabhängig machen soll. Vor allem beim Koalitionspartner Grüne dürften diese Forderungen auf Ablehnung stoßen.
Parteichef Lindner digital zugeschaltet
FDP-Chef Christian Lindner gab bekannt, dass er sich kurz vor dem Parteitag mit dem Coronavirus infiziert habe. Bei einem Besuch in Washington sei ein Corona-Test positiv ausgefallen. Er habe aber "dank dreier Impfungen nur leichte und wieder abklingende Erkältungssymptome", schrieb Lindner auf Twitter.
Seine für Samstag geplante Parteitagsrede werde Lindner nun voraussichtlich digital halten, sagte der kommissarische FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in Berlin. Lindner hielt sich anlässlich der Frühjahrestagungen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington auf.
Der Parteitag findet vor dem Hintergrund wachsender koalitionsinterner Kritik am Führungs- und Kommunikationsstil von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) statt. Vertreter von Grünen und FDP werfen Scholz vor, in der Ukraine-Politik zu zaudern – vor allem in der Frage der Lieferung schwerer Waffen.
Bijan Djir-Sarai soll Generalsekretär werden
Im Antragsentwurf des FDP-Vorstands heißt es dazu, zur Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriff "gehören auch die Lieferung schwerer Waffen und die schnelle Bereitstellung von Rüstungsgütern durch die deutsche Industrie, für die Deutschland wie angekündigt die Finanzierung übernimmt". Der Antrag spricht sich zudem für eine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen die russische Führung aus und regt an, dass die EU humanitäre Visa an desertierte russische Soldatinnen und Soldaten vergeben soll.
Der Antrag beantwortet allerdings nicht die Frage, wie die geforderten Waffenlieferungen praktisch realisiert werden könnten. Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) verweisen regelmäßig darauf, dass die Bundeswehr nichts mehr abgeben könne, ohne ihre Einsatzbereitschaft zu gefährden.
Der Parteitag soll auch eine Reihe von Personalentscheidungen treffen. Djir-Sarai soll offiziell zum Generalsekretär gewählt werden – den Posten übt er bereits kommissarisch aus. Der bisherige Generalsekretär Volker Wissing war als Verkehrsminister ins Bundeskabinett gewechselt. Auch der Posten des Schatzmeisters ist neu zu besetzen; der bisherige Schatzmeister Harald Christ tritt nicht mehr an.
- Nachrichtenagentur: AFP