"Nach reiflicher Überlegung" Linken-Chefin Hennig-Wellsow erklärt sofortigen Rücktritt
Susanne Hennig-Wellsow hat am Mittwoch ihren sofortigen Rücktritt als Co-Vorsitzende der Partei Die Linke bekannt gegeben. Neben privaten Gründen ging sie auch auf Sexismus-Vorwürfe in der Partei ein.
Die Linkspartei verliert eine ihrer beiden Vorsitzenden: Susanne Hennig-Wellsow erklärte am Mittwochmittag, sie werde mit "sofortiger Wirkung" von ihrem Amt als Parteichefin zurücktreten. In einer Erklärung auf ihrer Webseite sprach sie von "vermeidbaren Fehlern, die auch ich gemacht habe".
Neben einem Verweis auf ihre private Lebenssituation – etwa die Fürsorge für ihren achtjährigen Sohn – nannte Hennig-Wellsow vor allem parteiinterne Gründe für ihren Rückzug: Die letzten Monate seien "eine der schwierigsten Phasen in der Geschichte unserer Partei" gewesen. Hennig-Wellsow forderte "neue Gesichter, um glaubwürdig zu sein".
Speziell der "Umgang mit Sexismus in den eigenen Reihen" habe eklatante Defizite der Partei offengelegt, so Hennig-Wellsow in ihrer Erklärung. "Ich entschuldige mich bei den Betroffenen und unterstütze alle Anstrengungen, die jetzt nötig sind, aus der Linken eine Partei zu machen, in der Sexismus keinen Platz hat."
Vorwürfe sexualisierter Gewalt im hessischen Landesverband
Am vergangenen Freitag waren durch einen Bericht des "Spiegel" mutmaßliche Fälle sexualisierter Gewalt in der hessischen Linkspartei öffentlich geworden. Es gebe verschiedene Dokumente mit Hinweisen auf "mutmaßliche Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und eine toxische Machokultur", schrieb das Nachrichtenmagazin nach Gesprächen mit zehn Frauen und Männern.
Der geschäftsführende Landesvorstand hatte dazu erklärt, die aufgeworfenen Anschuldigungen sehr ernst zu nehmen. Auch die Co-Bundesvorsitzende Janine Wissler, ehemalige Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, hatte mitgeteilt, die Vorwürfe von sexueller Belästigung, sexueller Gewalt und Missbrauch sehr ernst zu nehmen und sofort gehandelt zu haben, als ihr derartige Vorwürfe bekannt geworden seien. Der Parteivorstand habe im Oktober 2021 eine Vertrauensgruppe eingesetzt, als Hilfsinstanz für Betroffene.
Eine geplante Sondersitzung des Parteivorstands an diesem Mittwoch soll auch nach dem Rücktritt der Co-Parteichefin stattfinden, so ein Parteisprecher zur Nachrichtenagentur dpa. Bei dieser soll auch über die Zusammensetzung dieser Vertrauensgruppe beraten werden.
Linksjugend sieht "bundesweites Problem"
Die Jugendorganisation Linksjugend Solid sieht in den bekanntgewordenen Vorwürfen sexueller Übergriffe innerhalb der Linkspartei ein bundesweites Problem. Seit Freitag habe die mit der Linken verbundene Organisation mit "mehr als 30 weiteren Betroffenen" gesprochen, sagte Solid-Bundessprecherin Sarah Dubiel am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Es kämen "immer wieder neue Meldungen dazu".
Dubiel forderte von der Partei die Hinzuziehung unabhängiger Experten für eine "ganzheitliche Aufklärung" und einen Fonds für Betroffene: "Wir fordern, dass die Partei einen Fonds einrichtet für alle Betroffenen, die innerhalb der Partei sexuelle Übergriffe erlebt haben. Daraus sollte ein Solidaritätsbeitrag finanziert werden, der die Betroffenen etwa bei Gerichts- und Anwaltskosten unterstützt. Sie dürfen nicht alleingelassen werden", sagte sie der dpa. Zuvor hatte auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) über die Forderungen berichtet.
- Twitter-Profil von Susanne Hennig-Wellsow
- Nachrichtenagentur dpa