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Ampelpläne im Check: Wollen die Deutschen das überhaupt?


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Pläne der Ampelparteien
Wollen die Deutschen das überhaupt?

Von Michael Freckmann

Aktualisiert am 28.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Die Ampelkoalitionäre in Berlin: Nicht jedes ihrer Vorhaben genießt eine klare Mehrheit in der Bevölkerung.Vergrößern des Bildes
Die Ampelkoalitionäre in Berlin: Nicht jedes ihrer Vorhaben wird von einer klaren Mehrheit der Bevölkerung befürwortet. (Quelle: Stefan Zeitz/imago-images-bilder)

Im Koalitionsvertrag hat jede Partei einige ihrer Kernthemen durchbekommen. Doch haben die Koalitionäre mit ihren zentralen Vorhaben auch die Bevölkerungsmehrheit hinter sich?

Die Handschrift der Koalitionspartner wird nicht nur in dem sichtbar, was sie selbst durchgesetzt haben, sondern auch darin, was sie verhindert haben – obwohl es dafür gesellschaftliche Mehrheiten gibt. Daten einer Umfrage des Allensbach-Instituts zeigen, wie die Bevölkerung über zentrale Themen denkt, die während der Regierungsfindung diskutiert wurden. Dabei fallen mehrere Dinge auf.

Zunächst einmal gibt es eine Reihe an Plänen im Koalitionsvertrag, die auch in der breiten Bevölkerung eine Mehrheit haben:

Man erkennt deutlich den sozialpolitischen Einfluss der SPD. Das Renteneintrittsalter soll nicht erhöht und die Rente nicht gekürzt werden. Beide Forderungen erhalten in der Bevölkerung überdeutliche Mehrheiten. Freilich handelt es sich hier um Mehrheiten, die sich nicht für, sondern gegen etwas aussprechen – eine Lösung für die künftige Rentenproblematik ist dadurch noch nicht in Sicht.

In der Haushaltspolitik hat sich die FDP besonders durchgesetzt. Dies gilt etwa für die Beibehaltung der Schuldenbremse. Damit liegt sie auf Linie der Mehrheitsmeinung. Damit trotzdem Investitionen stattfinden, sollen Staatsunternehmen diese tätigen oder andere bestehende staatliche Fonds angezapft werden.

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Auch in der Klimapolitik zur Frage einer zusätzlichen Erhöhung des CO2-Preises für Heizen und Autofahren kommt die Ampelkoalition der Mehrheitsmeinung entgegen. Auf diesem Gebiet hat sich dann vor allem die SPD gegen Forderungen der Grünen aus dem Wahlkampf durchgesetzt, wonach ein weiterer Anstieg verhindert werden soll.

Bei einem anderen klimapolitischen Projekt, einer Verpflichtung, auf Neubauten Solaranlagen anzubringen, hat die Koalition einen Kompromiss geschlossen. Diese Forderung der Grünen ist nicht zu einer Pflicht geworden – dies zu tun bleibt für Privathäuser freiwillig. Sollten wirklich nur annähernd so viele Menschen tatsächlich Solaranlagen auf ihren Neubauten anbringen, wie sich in der Umfrage dafür ausgesprochen haben (70 Prozent), käme das Ergebnis langfristig demjenigen einer Pflicht sogar relativ nahe.

Daneben musste die Koalition mit Fragen umgehen, die in der Bevölkerung keine klare Mehrheit finden, die also umstritten sind:

Hierzu zählt etwa eine Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrages. Diese Forderung stößt in der Bevölkerung auf ein geteiltes Echo. Und so einigten sich die Koalitionäre vor dem Hintergrund steigender Lebenshaltungskosten und einem durch die Corona-Krise angespannten Gesundheitssystem auf einen "moderaten Anstieg" dieses Beitrages.

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Ein anderes Reizthema ist das Verbot der Neuzulassung von Verbrennungsmotoren ab 2030. Besonders die Grünen machten sich im Wahlkampf dafür stark. Und umso deutlicher war die FDP dagegen. Diese Forderung findet in der Gesamtbevölkerung etwa gleich viele Anhänger wie Skeptiker. Im Ergebnis gibt es nun kein festgeschriebenes Verbot. Bis 2030 sollen idealerweise 15 Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen werden. So will man die Technik des Verbrenners auslaufen lassen. Statt eines Verbots ist es vielmehr eine Politik des Überflüssigmachens, die im Gewand der Fortschrittsentwicklung daherkommt.

Davon abgesehen gibt es auch Forderungen, für die in der Bevölkerung jeweils eine Mehrheit besteht, die sich aber im Koalitionsvertrag nicht wiederfinden:

Dazu zählen etwa eine Vermögenssteuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. In diesen Fragen haben die Liberalen ihr Veto eingelegt, wenn auch nicht im Sinne der Bevölkerungsmehrheit.

Gleiches gilt auch für die Einführung eines Tempolimits. Auch dies verhinderte die FDP, während es in der Bevölkerung eine Mehrheit dafür gibt.

Wie mit den Rechten von Mietern und Mieterinnen umgegangen werden soll, war zwischen den Koalitionspartnern besonders umstritten. Während die FDP stärker auf Marktmechanismen setzen will, wollten SPD und Grüne mehr staatlichen Einfluss. In der Bevölkerung gibt es eine klare Mehrheit dafür, Mietanstiege zu begrenzen. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die Mietpreisbremse zwar verlängert und leicht verschärft werden soll. Die härteren Maßnahmen, die SPD und Grüne im Wahlkampf gefordert haben, sind im Koalitionsvertrag jedoch nicht enthalten.

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Ein ähnliches Muster zeigt sich bei der höheren Besteuerung des Flugverkehrs, wo keine klare Aussage in diese Richtung getroffen wurde, obwohl es dafür in der Bevölkerung auch eine Mehrheit gibt.

Die Ergebnisse des Koalitionsvertrages zeigen, wie leicht Parteienlogik und Mehrheitslogik sich widersprechen können. Einfach ist es für die Parteien, wenn die Interessen der eigenen Wähler mit denen der Bevölkerungsmehrheit in einer bestimmten Frage deckungsgleich sind. Wie etwa in der Rentenfrage, in der 77 Prozent der Bevölkerung der SPD-Forderung eines stabil bleibenden Renteneintrittsalters zustimmen.

Wenn die Wünsche der eigenen Klientel und der Mehrheitsmeinung nicht übereinstimmen, wird es schwieriger. Dann zeigt sich besonders deutlich, dass Parteien zunächst einmal die Interessen ihrer Klientel beachten müssen, um wiedergewählt zu werden. Erst danach kommen die Interessen anderer Teile der Bevölkerung – also zum großen Teil derjenigen, die die Partei wahrscheinlich sowieso nicht wählen werden.

Doch wenn einzelne Parteien Themen auf diese Weise durchsetzen, müssen sie ihren Koalitionspartnern solche Erfolge ebenso ermöglichen. Auch müssen die Koalitionäre beachten, dass sie, wenn die Ampel langfristigen Erfolg haben soll, über ihre jeweiligen Wählerinteressen hinaus wirken müssen.

Eine spannende Aussage dazu machte Robert Habeck bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags: Der zukünftige Vizekanzler sagte, dass diese Regierung den Menschen auch etwas zumuten werde. Besteht in einem Koalitionsvertrag noch die Möglichkeit, Fragen auszuklammern, wenn die Interessen der jeweils eigenen Wähler und die Interessen der Mehrheit nicht gleich sind, ist dies im Regierungsalltag kaum mehr möglich. Abzuwarten bleibt, wie die Koalitionäre damit umgehen, wenn sie für bisher nicht absehbare Probleme unbeliebte Maßnahmen treffen müssen.

Verwendete Quellen
  • Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung
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