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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Olaf Scholz Wird er jetzt Quasi-Papst?
Die SPD braucht neue Vorsitzende. Norbert Walter-Borjans tritt nicht noch mal an. Wird Olaf Scholz jetzt auch noch Parteichef?
Es sei das "schönste Amt neben Papst", hat SPD-Urgestein Franz Müntefering einmal gesagt. Doch Norbert Walter-Borjans, 69 Jahre alt, will es nicht mehr haben, dieses Amt, den Vorsitz der SPD. Für die Alternative fällt er ohnehin aus: Papst kann er schon deshalb nicht mehr werden, weil er vor Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.
Walter-Borjans sieht seine Mission trotzdem als erfüllt an. "Für mich war mit dem Vorsitz von vornherein keine weitere Karriereplanung verbunden, sondern das Ziel, die Partei auf Kurs zu bringen", sagte Walter-Borjans der "Rheinischen Post". "Mit dieser Mission bin ich so weit gekommen, dass ich sagen kann: Jetzt sollen mal Jüngere ran."
Wirklich überraschend ist das nicht. Intern hat Walter-Borjans, Spitzname: Nowabo, schon länger zu erkennen gegeben, dass er nicht allzu große Lust zum Weitermachen verspürt. Doch wer gibt ihn jetzt, den Quasi-Papst der SPD? Kommt jetzt doch noch die große Stunde von Olaf Scholz?
Fragile Machtarithmetik
Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Scholz, der sehr darauf achtet, wann er sich festlegt und wann nicht, hat schon vor der Wahl gesagt, dass er den Parteivorsitz nicht anstrebt. Aus der Partei und seinem Umfeld heißt es nach t-online-Informationen, dass sich daran nichts geändert hat. Auch wenn Machtpolitiker der alten Schule die Verschränkung von Kanzleramt und Parteivorsitz typischerweise fast als alternativlos ansehen.
Doch als Wohl-bald-Kanzler und fulminanter Wahlsieger ist Scholz ohnehin der starke Mann der SPD. Strebte er nun auch noch den Vorsitz an, würde er seine Stellung eher gefährden als sie zu stärken. Denn die Machtarithmetik bei den Sozialdemokraten ist noch immer überaus fragil.
Immerhin war es der linke Flügel um Kevin Kühnert, der bei der vergangenen Vorsitzwahl gegen Scholz mobilgemacht hat – und damit Walter-Borjans und Co-Chefin Saskia Esken überhaupt erst möglich machte. Als Kanzlerkandidaten haben die Linken in der SPD Scholz anschließend akzeptiert, weil das Ziel schon erreicht war: eine angemessene Repräsentation ihrer Positionen in der Parteiführung. Übernähme Scholz nun neben Kanzleramt auch die Partei, wäre der Frieden wohl schnell dahin.
Das weiß auch Scholz.
Vorsitzwahl ist schon Anfang Dezember
Doch wer macht es dann? Das Feld dürfte sich in den nächsten Wochen schnell sortieren. Denn viel Zeit bleibt nicht. Am 11. Dezember steht auf dem Parteitag der SPD turnusgemäß die Neuwahl der Parteispitze an.
Saskia Esken hat vor der Wahl angekündigt, weitermachen zu wollen. "Ich habe noch eine Agenda vor mir", sagte sie damals. Allerdings schloss sie zuletzt auch ein Ministeramt nicht aus, und zwar auffallend offen. Kann sie beides machen? Theoretisch ja. Allerdings gab Walter-Borjans ihr (und anderen) zum Abschied noch etwas mit auf den Weg: Die Trennung von Regierungsämtern und Parteivorsitz habe sich bewährt.
Die Zusammenarbeit von Walter-Borjans und Esken war nicht immer so konfliktlos, wie es meist nach außen wirkte. Und in der mächtigen Bundestagsfraktion war er es, der den meisten als pragmatischer galt und deshalb den wesentlich größeren Rückhalt genoss.
Beide können sich nun allerdings zu Recht zugutehalten, die SPD wieder ganz nach oben geführt zu haben. Denn mit ihrem unprätentiösen Vorschlag, ihren einstigen Vorsitz-Gegenspieler Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten in die Bundestagswahl zu schicken, haben sie dessen Erfolg erst ermöglicht. Aussichtslos wäre eine Kandidatur Eskens also nicht.
Kommt Klingbeil?
Doch selbst wenn sie weitermachte, wäre in der Doppelspitze, an der die SPD wohl festhalten dürfte, ein Platz frei. Schon länger kursiert der Name von Lars Klingbeil, dem Generalsekretär und Wahlkampfmanager. Er wird nach der erfolgreichen Kampagne aber auch für ein Ministeramt gehandelt: das Verteidigungs- oder das Innenressort.
Klingbeil gehört eigentlich dem eher konservativen Seeheimer Kreis in der SPD an, könnte aber auch zum linken Flügel vermitteln. Mit Kevin Kühnert und dem Fraktionsvize und Chef der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, verbindet ihn gar so etwas wie eine Freundschaft.
Wenn er will, könnte er es wohl machen. Doch will er auch?
- Eigene Recherchen