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CDU/CSU – Falls die Regierung zerbricht: Fünf Szenarien für den Tag danach


Falls die Regierung zerbricht
Fünf Szenarien für den Tag danach

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 01.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Seehofer auf der einen, Merkel auf der anderen Seite: Die CSU könnte die Regierung sprengen – und Merkel zu Fall bringen. Wie geht es dann weiter?Vergrößern des Bildes
Seehofer auf der einen, Merkel auf der anderen Seite: Die CSU könnte die Regierung sprengen – und Merkel zu Fall bringen. Wie geht es dann weiter? (Quelle: Markus Schreiber/ap)
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Der Streit ums Asyl spitzt sich zu: Lenkt jemand ein oder kommt es zum Eklat im Regierungslager? So geht es weiter im Kampf um die Macht.

Die Auseinandersetzung um Abschiebungen und Asyl birgt das Potenzial, die gerade gut 100 Tage alte Regierungskoalition zu sprengen: Bundesinnenminister Horst Seehofer ist auf Konfrontationskurs zur Kanzlerin gegangen – und provoziert eine handfeste Regierungskrise.

Nun beraten alle Beteiligten die Zwischenergebnisse der Merkelʾschen Bemühungen, eine europäische Lösung in der Frage herbeizuführen, wie Flüchtlinge in der EU verteilt und wann sie abgewiesen werden dürfen.

Seehofer könnte den nationalen Alleingang anordnen und die Bundespolizei anweisen, Flüchtlinge an den Grenzen abzuweisen – Merkel droht mit ihrer Richtlinienkompetenz und weist ihn damit in die Schranken. Lässt sie ihre Autorität spielen, wird die CSU wahrscheinlich ihre Minister aus der Regierung abziehen, die Koalition und die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU verlassen. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall: Auch in der Ära Kohl verließ die CSU einmal kurzzeitig das Unionsbündnis. Damals war die Union allerdings in der Opposition. Diesmal verlöre die Bundesregierung damit ihre Mehrheit im Bundestag.

Fünf Szenarien scheinen in der Folge möglich: eine Minderheitsregierung, eine neue Koalition, ein Misstrauensvotum, die Vertrauensfrage – oder ein Rücktritt der Kanzlerin, um das alles zu verhindern. So könnte es jeweils weitergehen.

1) Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten

Die Minderheitsregierung war bereits nach dem Scheitern der Gespräche über eine Jamaika-Koalition Thema. In diesem Fall müsste sich das Bündnis von SPD und CDU für Gesetzesvorhaben jeweils neue Mehrheiten im Bundestag suchen. Stimmen in der CDU hatten das schon damals für möglich gehalten. Kanzlerin Merkel steht dieser Option aber sehr reserviert gegenüber.

"Eine Minderheitsregierung wäre eine anstrengende Lösung für die Regierenden, aber durchaus eine vom Grundgesetz, zwar nicht ausdrücklich geregelte, jedoch zugelassene Möglichkeit", sagt der Berliner Staatsrechtler Christian Pestalozza.

2) Bildung einer neuen Koalition

CDU und SPD könnten sich ebenso auf die Suche nach einem neuen Koalitionspartner begeben – etwa bei den Grünen oder der FDP. Unklar ist, inwiefern diese Möglichkeit Erfolg verspricht. Die Grünen hatten zunächst mit Union und FDP über ein Jamaika-Bündnis verhandelt – und auch nach dem Scheitern der Gespräche eine Minderheitsregierung mit der Union nicht völlig ausgeschlossen. Während die Fraktionsvorsitzende Annalena Baerbock der Kanzlerin keine Unterstützung in Aussicht stellt, votieren andere Grüne für Gespräche im Fall der Fälle. FDP-Chef Christian Lindner will nicht in eine Koalition – sondern verlangt Neuwahlen.

3) Konstruktives Misstrauensvotum

Im Fall eines Ausscherens der CSU gäbe es im Bundestag rein rechnerisch eine Mehrheit gegen die Kanzlerin. Eine Abwahl Merkels wäre aber nur möglich, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Parlaments in einem konstruktiven Misstrauensvotum gleichzeitig einen Nachfolger wählt. Helmut Kohl löste auf diese Weise einst Helmut Schmidt ab, nachdem er die FDP aus der sozialliberalen Koalition geeist hatte. Auf einen gemeinsamen Kandidaten werden sich AfD, FDP, Linke, Grüne und CSU aber nicht verständigen können. Auch die SPD dürfte keine Mehrheit für einen eigenen Kanzlerkandidaten zustande bringen.

Im Fall einer Revolte gegen Merkel in den eigenen Reihen könnte auch die Union theoretisch ein konstruktives Misstrauensvotum auf den Weg bringen und einen neuen Regierungschef vorschlagen. Die Frage wäre dann, ob die SPD als Koalitionspartner dies mittrüge. Und wer dann Kanzler werden könnte.

4) Neuwahlen nach der Vertrauensfrage

Bleibt es formal bei der fehlenden Mehrheit für Merkel, befindet sich das Parlament in einer Pattsituation. Die Regierung ist dann zunächst weitgehend handlungsunfähig. Merkel müsste im Bundestag die sogenannte Vertrauensfrage stellen – denn ein Selbstauflösungsrecht des Parlaments sieht die Verfassung nicht vor.

Eröffnet wäre der Weg zu Neuwahlen, wenn die Kanzlerin die Vertrauensfrage verliert. Sie kann dann dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier die Auflösung des Parlaments vorschlagen – muss es aber nicht. "Wenn die Kanzlerin sagt, sie steckt die Schlappe ein, muss sie diesen Vorschlag zur Neuwahl nicht machen", sagte Pestalozza. Sie könne es dann immer noch mit einer Minderheitsregierung versuchen. Zu Neuwahlen müsste es innerhalb von 60 Tagen nach Auflösung des Parlaments durch den Bundespräsidenten kommen.

5) Rücktritt der Kanzlerin

Um zu verhindern, dass es zum Bruch zwischen den Unionsparteien kommt, ist noch ein anderes Szenario vorstellbar: Die Kanzlerin könnte erklären, dass sie den Platz räumen will. Wenn sie zu dem Schluss kommt, dass die CSU den Bruch hinzunehmen bereit ist, könnte sie um der Einheit der Union willen zurücktreten. Die Unionsabgeordneten beider Parteien müssten in diesem Fall also nicht Farbe bekennen und könnten nach Neuwahlen ohne Gesichtsverlust weiter zusammenarbeiten.

In diesem Fall müsste Bundespräsident Steinmeier einen geschäftsführenden Kanzler ernennen – entweder Merkel selbst oder einen der Bundesminister, nach allgemeiner Auffassung vermutlich Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz. Bis sich das Parlament auf einen Nachfolger einigt, würden also Merkel oder Scholz die Regierungsgeschäfte weiterführen. Kann sich das Parlament dann nicht in einer gewissen Frist auf einen Kandidaten einigen, löst Steinmeier es auf und verordnet der Republik Neuwahlen.

Verwendete Quellen

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