"Anti-Merkel-Modell" in Österreich Kurz könnte für eine konservative Zeitenwende sorgen

Sebastian Kurz und die ÖVP konnten mit einem strammen Rechtskurs bei den österreichischen Wählern punkten. Das dürfte Auswirkungen auf die Erwartungen gegenüber Angela Merkel haben.
Der Sieg des 31-jährigen Sebastian Kurz bei der Parlamentswahl in Österreich wird nach Ansicht eines Experten die Debatte über die Aufstellung der bürgerlich-konservativen Parteien in Europa befeuern. "Da gibt es jetzt einen interessanten Gegenentwurf zu Merkel und der CDU", sagte der Salzburger Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch. Kurz habe in großer strategischer Perfektion das Zuwanderungsthema aufgegriffen, indem er die konservative ÖVP weiter rechts positioniert habe. "Außerdem hat er die Wendestimmung im Land am besten eingefangen."
Die Übertragbarkeit des Vorgehens sei allerdings schwierig. In für Konservative bisher ungewohnter Weise habe Kurz auch unter jungen Wählern viel Zustimmung erfahren. "Die Person Kurz war das perfekte Paket", sagte Heinisch.
Der Ausgang der Österreich-Wahl könnte auch Auswirkungen auf die Verhandlungen zur Bildung einer Jamaika-Koalition in Deutschland haben. Die Union könne den Schluss ziehen, "dass - wenn man sich aufstellt wie Herr Kurz in Österreich - man größere Mehrheiten organisieren könnte", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki in der ARD-Sendung "Anne Will".
Kurz hatte im österreichischen Wahlkampf für einen strengen Migrationskurs geworben, zudem will er die illegale Zuwanderung auf Null begrenzen. Gerade die CSU werde sagen: "Hätten wir uns so aufgestellt in der Flüchtlingspolitik, hätten wir in Bayern 58 Prozent bekommen und keine 38", sagte Kubicki.
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Kurz' ÖVP zieht selbst FPÖ-Wähler an
Laut Wählerstromanalyse hat die konservative ÖVP bei ihrem Wahlsieg in Österreich in hohem Maß ihre Stammwähler mobilisiert und zugleich von Stimmengewinnen aus dem Lager der rechten FPÖ profitiert. Das geht aus einer Wählerstromanalyse des Meinungsforschungsinstituts Sora hervor. 84 Prozent aller ÖVP-Wähler von 2013 haben sich demzufolge auch diesmal für die Konservativen entschieden.
Von den voraussichtlich 1,6 Millionen ÖVP-Wählern stammten laut Sora darüber hinaus 168.000 von der rechten FPÖ, 121.000 aus dem Lager der Nichtwähler und 84.000 haben ehemals die Grünen gewählt. Die FPÖ erhält erheblichen Zuwachs von ehemaligen SPÖ-Wählern, von denen 155.000 diesmal die Rechtspopulisten gewählt haben. Die SPÖ wiederum profitiert von den 161.000 Stimmen ehemaliger Grün-Wähler und kann mit 156.000 auch besonders viele ehemalige Nichtwähler für sich mobilisieren.
Bei der Parlamentswahl in Österreich hat laut Hochrechnungen der ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz 31,6 Prozent erreicht, die SPÖ folgt mit 26,9 Prozent vor der FPÖ mit 26 Prozent. Die Grünen liegen mit 3,9 Prozent knapp unter der Vier-Prozent-Hürde. Wegen der noch laufenden Auszählung der rund 750.000 Briefwahlstimmen wird ein offizielles Endergebnis erst am Donnerstag erwartet.