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Putins deutsche Kriegerin: Alina Lipp erhält Unterstützung von AfD-Verein


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Alina Lipp
Jetzt unterstützt ein AfD-Verein das deutsche Putin-Sprachrohr

  • Lars Wienand
Lars Wienand

Aktualisiert am 10.08.2022Lesedauer: 7 Min.
Alina Lipp: Die Deutsche verbreitet aus dem Donbass Putins Version von der "Befreiung" und "Entnazifizierung" der Ukraine. Die Zahl ihrer Abonnenten auf Telegram steigt rapide.Vergrößern des Bildes
Alina Lipp: Die Deutsche verbreitet aus dem Donbass Putins Version von der "Befreiung" und "Entnazifizierung" der Ukraine. Die Zahl ihrer Abonnenten auf Telegram steigt rapide. (Quelle: Sputnik/Alexei Druzhinin/Kremlin, Telegram/NeuesausRussland, Montage: t-online.)
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Ermittlungen wegen Billigung eines Angriffskriegs? Für einen neuen AfD-Verein ist das Anlass, Putins deutschem Sprachrohr Alina Lipp zu Hilfe zu eilen.

Es ist das dumpfe Donnern einer Explosion zu hören, ein Kameraschwenk fängt aufsteigenden Rauch ein. Zwei Männer und eine Frau in Militäruniformen laufen einen Feldweg entlang, weiße Bänder an den Arm geknotet als Erkennungszeichen der russischen Seite im Krieg in der Ukraine, Abzeichen am Ärmel.

Die Aufnahme ist aus dem Pro-Putin-Propaganda-Kanal der in Donezk lebenden Alina Lipp. Sie hat ihren 180.000 Abonnenten angekündigt, sie sollten sich freuen auf spannende Eindrücke von der Donbass-Front, im Video trägt die Frau die Uniform der Kriegspartei. Sie nennt sich "unabhängige Journalistin", verbreitet aber ungefiltert russische Propaganda. Und jetzt bekommt sie von einem neu gegründeten AfD-Verein Hilfe, der sich offiziell gegen "Russophobie" ausspricht.

In der AfD selbst wird um Russlandhörigkeit gestritten, und der Streit bekommt jetzt eine neue pikante Note: Explizit wird eine Frau unterstützt, die Russlands Angriff auf die Ukraine begrüßt hat. Gegen Lipp wird wegen Billigung eines Angriffskriegs ermittelt. Beistand für Lipp war eine der ersten Handlungen des neuen Vereins. Diesem gehört ein Vorstand an, der aus der Partei schon vor "Landesverrat" gewarnt wurde.

Willige Zeugen Russlands

Alina Lipp war mal bei den Grünen in Hannover und erklärt auch heute noch auf Nachfrage, sie habe sich schon immer von der AfD ferngehalten. Sie habe keinen einzigen Kontakt zu AfD-Politikern, und sie unterstütze die AfD nicht. "Ich finde es aber lobenswert, wenn sich jemand gegen Diskriminierung von Russen einsetzt." Sie verstehe auch "vermutlich mehr als jeder andere, wie wichtig diese Initiative der Bundestagsabgeordneten ist". Die Deutsche mit russischem Vater sieht sich offenbar als Opfer von Russenfeindlichkeit.

Die Unterstützung des Vereins von AfD-Politikern nimmt sie da dankend an.

Vor allem aktuelle und ehemalige AfD-Abgeordnete haben die "Vereinigung zur Abwehr der Diskriminierung und der Ausgrenzung Russlanddeutscher sowie russischsprachiger Mitbürger in Deutschland" (VDAR) gegründet. Sie sind in der Vergangenheit aufgefallen als willige Zeugen Russlands, wie vermeintlich fair Wahlen oder Abstimmungen verlaufen oder wie toll Verwaltungen arbeiten. Sie sind als "Wahlbeobachter" oder Gäste nicht anerkannter Regierungen im russischen Einflussbereich gerne gesehen. Zu den Gründern zählen:

  • Gunnar Lindemann, Abgeordneter des Berliner Abgeordnetenhauses, twitterte Ende 2018 stolz vom Orden für seinen "Einsatz für Frieden in Donezk". Zuvor war er zum "Tag der Republik" der Separatisten in der "Volksrepublik Donezk" (DNR) gereist und nach eigenen Worten auf Einladung der Wahlkommission der DNR dort Wahlbeobachter.
  • Ulrich Öhme, bis zum vergangenen Jahr AfD-Bundestagsabgeordneter für Chemnitz, Vorsitzender von VDAR und Vorsitzender der "Christen in der AfD". Er ließ sich zur russischen Präsidentschaftswahl 2018 von der Duma eine Reise auf die Krim bezahlen und lobte dort die Wahl.
  • Harald Weyel, Abgeordneter im Bundestag für Bergisch-Gladbach und stellvertretendes Mitglied im Europarat. Er gehörte einer AfD-Delegation an, die 2018 in enger Abstimmung mit dem Assad-Regime Syrien besuchte.
  • Eugen Schmidt, Bundestagsabgeordneter für den Rhein-Sieg-Kreis und Vorsitzender der Russlanddeutschen für die AfD. Mit acht Landtagsabgeordneten war er im Februar 2018 "privat" auf der russisch annektierten Krim, traf aber öffentlichkeitswirksam Mitglieder des Krim-Parlaments. Zwei Monate später nahmen er, Lindemann und Öhme bei einem "Wirtschaftsforum" einer russischen Stiftung auf der Krim teil. 2009 war er mit russischem Pass nach Kasachstan gereist.
  • Olga Petersen, Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie lobte im September 2021 in Moskau die angebliche Transparenz der Duma-Wahl.

Der Verein war drei Tage alt, da schrieb Lipp am 24. Juni auf Telegram, dass sie vom VDAR kontaktiert worden sei und ein Anwalt ihre Interessen in Deutschland vertreten werde – ohne Kosten für sie.

Der Verein bestätigte auf Telegram: "Unser Vereinsanwalt hat bereits ein erstes Mandat übernommen." Der Jurist vertritt Lipp, weil ein "Ermittlungsverfahren wegen prorussischer Meinungsäußerungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt läuft". "Prorussisch" ist dabei nur ein Teil der Wahrheit. Prorussische Äußerungen sind erst einmal nicht strafbar. Bei Lipp lautet der Vorwurf, dass sie damit eine Straftat billigt.

Mit "Denazifikation" voll auf Propaganda-Linie

Am Tag des Einmarschs berichtete sie auf Telegram von feiernden Menschen: "Die Denazifikation hat begonnen", erklärte Lipp. Später legte sie nach, dass die russische Armee die betroffenen Regionen von einem "Genozid" der Ukraine befreie. Das sind eins zu eins Narrative, die auch von der russischen Regierung zur Rechtfertigung des Angriffskrieges benutzt werden. Die Staatsanwaltschaft Göttingen spricht gegenüber t-online davon, Lipp habe "fortlaufend ihre Solidarisierung mit dem Angriffskrieg Russlands" ausgedrückt. Bestimmte Äußerungen seien nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, sondern "geeignet, das psychische Klima auch innerhalb der Bevölkerung Deutschlands aufzuhetzen und wegen verzerrender, teils auch wahrheitswidriger Darstellungen (...) den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufzulösen." Deshalb wird ermittelt.

Und das bringt ihr jetzt den Beistand des AfD-Vereins ein. Der Berliner Anwalt Michael Adam vertritt sie. Adam ist zweiter stellvertretender Vorsitzender des Vereins, einer von zwei Vizevorsitzenden der "Christen in der AfD". Zuletzt ist er fünfmal im Bezirk Marzahn-Hellersdorf durchgefallen als Kandidat für einen vakanten Stadtratsposten. Adam sagte in einer Vorstellung des Vereins für Russland-Deutsche, er wolle, "dass all diejenigen, die unter Diskriminierung und Ausgrenzung leiden, dann auch ihr Recht in Deutschland bekommen".

Auf Nachfrage von t-online erklärte er, Lipp sei nicht die einzige Mandantin. Es sei noch nicht absehbar, ob der Verein mehr Menschen vertreten werde, gegen die ermittelt wird, oder Menschen, die sich wegen ihrer Herkunft oder Sprache diskriminiert fühlen oder deshalb auch Opfer von Straftaten geworden sein könnten. Aus Sicht des Vereins sind "Mobbing, Drohungen, Belästigungen und sogar physische Gewalt gegenüber russischstämmigen oder russischsprachigen Menschen mittlerweile an der Tagesordnung". Die russische Botschaft hatte für solche Fälle auch eine SOS-Adresse eingerichtet, hat die Schilderung überwiegend unbelegter und banaler Fälle aber seit dem 11. April eingestellt.

Adam sagt, der Verein helfe Betroffenen, wenn "im Einzelfall satzungsmäßige Ziele des Vereins betroffen" seien. Anwaltskosten würden mit den vertretenen Personen abgerechnet. Das heißt aber nicht, dass die dafür zwingend zahlen müssen: Der Verein übernimmt Kosten auch komplett oder teilweise, der Vorstand entscheide darüber. Wie bei Lipp, deren Kosten der AfD-Verein trägt. Der Verein macht keine Angaben darüber, woher die Finanzmittel dafür stammen.

Knackpunkt: War Beschlagnahme rechtens?

Anwalt Adam hat für Lipp eine Beschwerde eingelegt gegen die Sicherstellung von rund 1.600 Euro auf ihrem deutschem Konto. Das Geld wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingefroren, weil sie es zur Finanzierung ihres strafbaren Einsatzes als Spende erhalten habe. "Die Begründung des Antrags rechtfertigt nach meinem Ermessen die Maßnahme nicht", sagte Anwalt Adam. Sollte das Gericht der Beschwerde folgen und der Ansicht sein, dass der Tatbestand der Billigung einer Straftat nicht hinreichend erfüllt ist, könnte der Fall schon zu Ende sein. Die Staatsanwaltschaft erklärt: "Der weitere Gang des Verfahrens (...) hängt zum Beispiel auch davon ab." Adam stellt es so dar, dass auch nicht für jedermann einfach zu entscheiden sei, ob es sich um einen Angriffskrieg und völkerrechtlich wirklich um ein Verbrechen handele. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nation habe schließlich die von Russland als "Spezialoperation" bezeichnete Intervention nicht verurteilt. Das ist aber nicht verwunderlich: Russland hat ein Veto-Recht.

Wenn man bei der AfD-Bundesgeschäftsstelle nachfragt, will ein Sprecher nicht kommentieren, sagt aber immerhin: "Vonseiten des Bundesverbandes der AfD gibt es keine Unterstützung für den Verein." Die AfD-Fraktion im Bundestag antwortet gar nicht, hat aber Tage vor der Gründung Signale gesetzt: Eugen Schmidt, der zweite Vorsitzende, wurde zum Beauftragten für die Russlanddeutschen ernannt. Einige Fraktionskollegen wüteten darüber.

Vereinsvize stritt Kriegswille rundweg ab

Denn Schmidt, der 1999 als Spätaussiedler aus Kasachstan nach Deutschland kam und dem man bei Reden im Bundestag heute noch deutlich die Wurzeln anhört, hat in den vergangenen Monaten die AfD als Putin-Partei dastehen lassen. Wenige Tage vor dem Beginn von Russlands Angriff sprach er am Rednerpult gleich auch auf Russisch: "Chotjat li russkij voina. Wollen die Russen Krieg?", fragte er und antwortete: "Sicher nicht", "Njet". Das Video seiner Rede ist im YouTube-Kanal der Fraktion noch zu finden. "Als ob Putin spricht", steht als erster Kommentar darunter.

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Zwei Tage nach Kriegsbeginn erklärte er der russischen "Komsomolskaja Prawda", es gebe "keine Demokratie in Deutschland. Das heißt, es wird eine einheitliche Meinung aufgedrängt." Sein Fraktionskollege Rüdiger Lucassen, Oberst a.D. der Bundeswehr und bis Februar Sprecher von Schmidts NRW-Landesverband, sagte danach, solche Äußerungen verdrehten Fakten, schadeten der Partei. Werde so was gegenüber einem russischen Sender geäußert, sei "die Schwelle zum Landesverrat hauchdünn".

Schmidt war neben Lindemann, Petersen, Adam und Weyel Admin einer Telegram-Gruppe des Vereins, die Öhme am 1. Juli gegründet hatte. Dass es nicht einfach nur um vermeintlichen Beistand für gemobbte Menschen geht, ist daran zu erahnen, dass in Windeseile illustre prorussische Stimmen vertreten waren:

  • Der Österreicher Patrick Poppel, der als Geschäftsführer eines prorussischen Instituts den russischen Faschisten und Putin-Einflüsterer Alexander Dugin nach Wien geholt hatte,
  • Martin Müller-Mertens, neuer Deutschland-Verantwortlicher des rechtsextremen österreichischen Senders AUF1 und zuvor Chef vom Dienst beim prorussischen "Compact"-Magazin, das der Verfassungsschutz als "gesichert extremistisch" beobachtet,
  • Juri Kofner, Mitarbeiter der bayerischen AfD-Landtagsfraktion, der bis 2019 in Russland lebte,
  • Edvard Chesnokov, Vize-Chef der internationalen Redaktion der größten russischen Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda".

Auch Alina Lipp gehörte der Gruppe an. Gunnar Lindemann hatte sie hinzugefügt. Lindemann beantwortete Fragen dazu nicht. Man kann auf Telegram auch ohne Wissen und ohne Zutun hinzugefügt werden. Lipp sagte t-online, bei ihr sei das so gewesen.

"Gehen Sie unter die Beautyblogger"?

Lipp erklärt auch, man solle sie lieber nach dem verstärkten Beschuss von Donezk fragen. Die AfD sei gegen Waffenlieferungen in die Ukraine. Ihre frühere Partei, die Grünen, dränge dagegen regelrecht auf Lieferung von schweren Waffen, "mit denen die Ukraine uns Zivilisten in Donezk umbringt". In ihrem Kanal gibt es nur Opfer ukrainischer Angriffe und nicht der Soldaten, deren Uniform sie im Video an der Front trug. Die Frage danach kontert sie mit "Gehen Sie unter die Beautyblogger?".

Die Uniform sei ihr gegeben worden, erklärt sie. "Auch andere Kriegskorrespondenten tragen sie im Feld, sonst besteht die Gefahr, dass man aus Versehen für einen Feind gehalten wird." Sie wähle das Überleben.

Westliche Kriegsreporter wundern sich über die Darstellung: "Ich habe so was nie gesehen auf ukrainischer Seite", erklärt der Berliner Enno Lenze. "Ich kenne auch niemanden, der sowas machen würde." Er trage klassisch normale Klamotten, Weste, Helm und Presseschild, damit einen die Zivilisten und Militärs erkennen.

Paul Ronzheimer, seit Jahren für die "Bild" an den Kriegsschauplätzen der Welt, hat ebenfalls weder in der Ukraine noch zuvor etwa in Syrien, dem Irak oder Libyen Militärkleidung getragen, sagte er t-online. "Dies würde ich auch immer ablehnen, da ich als Journalist nie als Militär wahrgenommen werden sollte." Lipps Argumentation, dass man "für den Feind" gehalten werden könnte, hält er "für einigermaßen absurd. Die Frontlinien sind sehr klar."

In der AfD sind sie das oft nicht unbedingt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Telegram-Kanäle Alina Lipp und Verein VDAR
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