Lob und Kritik am Bundeswehr-Paket Reservistenverband will Truppenstärke verdoppeln
Von der Gewerkschaft Verdi gibt es Kritik am Sondervermögen für die Bundeswehr, die Reservisten wollen viel mehr Soldaten. Die Wehrbeauftragte drückt aufs Tempo.
Verdi-Chef Frank Werneke hat das von der Bundesregierung geplante 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr kritisiert. Die nötige Ausstattung der Bundeswehr sei auch aus dem normalen Verteidigungshaushalt finanzierbar, sagte Werneke der "Augsburger Allgemeinen".
"Denn alles, was wir für unser Militär aufbringen, fehlt an anderer Stelle, also für soziale und gesellschaftspolitische Aufgaben." Deutschland habe bereits jetzt einen im internationalen Vergleich hohen Wehretat.
"Erst Defizite mit vorhandenen Mitteln beheben"
Werneke sagte, er sehe dieses 100-Milliarden-Euro-Programm, das über eine Änderung des Grundgesetzes geschaffen werden solle, außerordentlich skeptisch. "Zunächst einmal müssen wir in Deutschland die jährlichen Aufwendungen von etwa 50 Milliarden Euro für die Bundeswehr so einsetzen, dass damit die Ausrüstungsdefizite behoben werden." Er räumte ein, die Ausrüstung sei vielfach mangelhaft und müsse verbessert werden. Es gebe genügend Handlungsbedarf, den Zustand der Bundeswehr als Verteidigungsarmee zu verbessern. "Dazu brauchen wir jedoch kein gesondertes 100-Milliarden-Programm, das vor allem der Aufrüstung der Bundeswehr dient."
Reservisten wollen 340.000 Soldaten
Angesichts der Debatte über eine bessere Ausstattung der Bundeswehr fordert der Reservistenverband mehr Soldaten. "Insgesamt muss man auch über die Truppenstärke nachdenken. Mit rund 200.000 Soldaten ist die Bundeswehr zu klein", sagte Verbandspräsident Patrick Sensburg der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Für die Landesverteidigung seien rund 340.000 Soldaten und 100.000 regelmäßig übende Reservisten nötig.
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Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), dringt auf eine rasche Umsetzung des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. "Die Truppe muss wieder voll einsatzbereit werden, von der persönlichen Ausstattung bis hin zu funktionierenden Funkgeräten und großem Gerät. Das Geld muss direkt in der Truppe ankommen", sagte Högl der "Rheinischen Post". Gleichzeitig müsse auch an der Effizienz der Beschaffungsprozesse gearbeitet werden, damit die Mittel zielgerichtet investiert würden.
Union stellt Bedingungen
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte als Konsequenz aus dem russischen Angriff auf die Ukraine ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr angekündigt, über das der Bundestag am Mittwoch debattiert hat. Die Unionsfraktion verlangte am Mittwoch Nachbesserungen, um der vorgesehenen Grundgesetzänderung zuzustimmen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, dass das Vorhaben durch die Aufnahme neuer Schulden finanziert werde. Die Einführung soll über eine Änderung des Grundgesetzes sichergestellt werden. Für die nötige Zweidrittelmehrheit braucht die Ampelkoalition auch die Union.
Der FDP-Abgeordnete Christoph Meyer erinnerte auf Twitter an die Ursachen der Misere: "Der Zustand der Bundeswehr ist das Ergebnis von 16 Jahren CDU/CSU. Daraus erwächst Verantwortung. Jetzt ist keine Zeit für Profilierung auf Kosten der Truppe und der deutschen Sicherheit."
Unionsfraktionschef Friedrich Merz pocht auf ein Entgegenkommen der Regierung. "Wir wollen uns einigen, aber wir sind von einer Einigung noch weit entfernt", sagte Merz im ZDF-"heute journal". "Uns das einfach vorzulegen, so wie das jetzt im Regierungsentwurf gemacht worden ist und wir gesagt bekommen, friss oder stirb, das ist keine Art der Zusammenarbeit. Und diese Zusammenarbeit wird es dann auch nicht geben", betonte der CDU-Vorsitzende und Oppositionsführer.
Schlagabtausch zwischen Abgeordneten auf Twitter
Dass es doch gemeinsam geht, zeigten Union und Ampelkoalition beim Antrag zu Waffenlieferungen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler sprach auf Twitter von einem starken Zeichen der demokratischen Mitte im Deutschen Bundestag beim gemeinsamen Antrag zu Waffenlieferungen an die Ukraine. "Wenn es darauf ankommt – wie jetzt in dieser essenziell wichtigen Frage für die Ukraine –, müssen Demokraten alle gleichermaßen Verantwortung übernehmen", schrieb sie.
FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr lobte das Entgegenkommen der Union. "Es ist gut, dass CDU/CSU ihre Forderungen über Bord geworfen haben und unseren Antrag unterstützen. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um der Ukraine zu helfen – es ist ein wichtiges Signal, dass sich die demokratische Mitte im Bundestag in dieser Frage einig ist."
Worauf Güler antwortete: "Uns gings um die Sache, nicht um Rechthaberei, Herr Kollege. Wir freuen uns ja, dass die Ampel sich hier endlich bewegt hat, was ohne unseren Antrag am Ende wohl noch länger gedauert hätte – die Lieferungen UND das öffentliche Gezerre einzelner Ampelkoalitionäre."
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- Twitter-Konto von Serap Güler