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Einfach raus? Die Bundeswehr steht in Mali vor einem kniffligen Problem


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Einsatz in Mali
Plötzlich wird auch die Bundeswehr zum Sündenbock


Aktualisiert am 11.02.2022Lesedauer: 4 Min.
Bundeswehrsoldat im Camp Castor von Mali: Steht der deutsche Einsatz auf der Kippe? (Archivfoto)Vergrößern des Bildes
Bundeswehrsoldat im Camp Castor von Mali: Steht der deutsche Einsatz auf der Kippe? (Archivfoto) (Quelle: Joerg Boethling/imago-images-bilder)

Nach fast neun Jahren steht der Einsatz der Bundeswehr in Mali mehr denn je auf der Kippe. Die Situation wird trotz hohem Militäraufwand immer schwieriger. Wie konnte es dazu kommen – und wie geht es weiter?

Den Anfang machte Annalena Baerbock: "Unser Einsatz ist kein Selbstzweck", hatte die grüne Außenministerin der "Süddeutschen Zeitung" kürzlich gesagt. Man müsse sich aufgrund der jüngsten Ereignisse ernsthaft fragen, ob die Bundeswehr in Mali noch eine Zukunft habe. Mit wenigen Worten hatte die Außenministerin den aktuell gefährlichsten Bundeswehreinsatz angezweifelt.

Ähnlich deutlich hatte das schon einmal eine Regierungspolitikerin formuliert. Im vergangenen September stellte die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) den Einsatz infrage, falls die malische Regierung tatsächlich russische Söldnertruppen engagiert habe. Danach wurde die CDU-Politikerin heftig kritisiert.

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Zweiter Militärputsch in zwei Jahren

Diesmal bleibt der Sturm der Entrüstung nach Baerbocks Ansage aus. Im Gegenteil: Durch die gesamte Parteilandschaft hindurch scheint der fast neun Jahre dauernde Einsatz mehr denn je auf dem Prüfstand zu stehen. Woran liegt der plötzliche Sinneswandel?

Eine erste Antwort liefert ein Blick auf die Lage in Mali: Zweimal putschten sich die Soldaten seit 2020 an die Macht, wodurch das Land momentan von Militärjunta-Chef Assimi Goïta regiert wird. Zwar wird offiziell von einer Übergangsregierung gesprochen, zuletzt wurden allerdings für Februar angekündigte Wahlen auf einen unbestimmten Zeitpunkt in den kommenden fünf Jahren verschoben.

Zudem schickten die Putschisten den französischen Botschafter und dänische Soldaten nach Hause. Auch die Bundeswehr bekam die Macht von Goïta schon zu spüren: Zwischenzeitlich wurden den Soldaten Überflugrechte verweigert, wodurch deutsche Aufklärungsdrohnen nicht mehr starten konnten.

Gleichzeitig ist die Terrorgefahr in dem Land nach wie vor hoch: Bewaffnete Milizen, organisierte Kriminalität, aber auch Ableger von al-Qaida und dem Islamischen Staat sind in verschiedenen Regionen des Landes präsent. Statistisch ist der UN-Einsatz eine der gefährlichsten Blauhelm-Missionen überhaupt. Bisher starben 260 Soldaten. Bei einem Selbstmordanschlag im vergangenen Sommer wurden zuletzt auch 12 Deutsche teils schwer verletzt. Die einzigen Gründe sind das aber nicht.

Seit 2013 stellt Deutschland laut UN-Angaben rund 530 Soldaten in Mali für die Blauhelm-Mission Minusma, theoretisch kann das Kontingent auf bis zu 1.100 aufgestockt werden. Eine Kernaufgabe der deutschen Truppen ist dabei Aufklärungsarbeit, etwa mit unbewaffneten Drohnen oder Spähpanzern. Rund 100 deutsche Soldaten sind an der EU-Mission EUTM beteiligt: Dort werden Sicherheitskräfte für Mali ausgebildet. Insgesamt haben laut Bundeswehr bis heute 15.000 Sicherheitskräfte das Programm durchlaufen.

Zoom-Anruf bei Christian Klatt in der Hauptstadt Bamako: Er leitet dort seit mehr als zwei Jahren das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung – und sieht insgesamt immer schlechtere Arbeitsbedingungen für internationale Streitkräfte.

Der Grund: Nach dem zweiten Militärputsch habe die Übergangsregierung ihren Rückhalt in der Bevölkerung durch populistische Äußerungen gestärkt. "Für die Regierung ist Frankreich der Sündenbock", sagt Klatt. Die ehemalige Kolonialmacht ist auch heute noch mit einer großen Zahl von Soldaten im Land aktiv. Den Unmut würden allerdings auch die deutschen Soldaten mittlerweile spüren.

Zudem liefen nicht alle Einsätze wie geplant. Die hohe Militärpräsenz habe die Terrorgefahr in dem Land nicht verringert, berichtet Klatt – im Gegenteil. "Die Terrorgefahr im Land hat sich seit 2012 konstant erhöht", und das, obwohl Frankreich – anders als Deutschland – mit den Operationen Barkhane und Takuba in der Zeit an zwei Antiterrormissionen beteiligt war. Laut Klatt haben die Missionen bisher auch viele zivile Opfer verzeichnet. Das sei ein weiterer Grund, warum das Vertrauen speziell gegenüber Frankreich so niedrig sei.

Die Missionen Frankreichs und der Europäer werden teilweise auch zu Recht kritisiert, betont Klatt. Die Ausbildungsmission EUTM müsse man etwa reformieren: Ein Großteil der malischen Sicherheitskräfte werde etwa im feuchteren Süden des Landes geschult, um dann im Norden in der Sahara eingesetzt zu werden. Zudem fehle eine regelmäßige Überprüfung der Ausbildungsinhalte. "Es wurde bisher viel auf Quantität statt auf Qualität gesetzt", sagt Klatt.

Ampel skeptisch bei Verlängerung

Wie sollte Deutschland also auf die Vielzahl an Problemen reagieren? Nach Baerbocks Ansage machte sich die neue Staatsministerin Katja Keul am vergangenen Wochenende ein Bild vor Ort: Die malische Regierung müsse nun schnellstens einen Fahrplan vorlegen, um wieder zurück zur Demokratie zu gelangen, sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Ansonsten müsse man den Einsatz infrage stellen.

Das scheint aktuell die vorherrschende Meinung in Berlin zu sein: Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) äußerte sich zuletzt ähnlich. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), schlug in der "Rheinischen Post" vor, das Mandat künftig nur noch für wenige Monate zu verlängern, um dann eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Kiesewetter: Exit-Strategie erforderlich

Aus der Opposition gibt es keine Gegenwehr: Während AfD und Linke schon zuvor den vollständigen Abzug gefordert hatten, teilt auch die Union nun die Skepsis der Ampelparteien. Man müsse "klar prüfen, ob unsere Interessen und Ziele in Mali realistisch erreicht werden können", sagte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter t-online, der selbst als Soldat unter anderem in Afghanistan im Einsatz war.

Ein Abzug ist aus der Sicht Kiesewetters allerdings nur in Absprache mit den Bündnispartnern sinnvoll. Er könne daher einer verkürzten Mandatsverlängerung "viel abgewinnen", trotzdem müsse man schon jetzt damit beginnen, "Exit-Strategien zu entwickeln".

Würde der Bundestag heute abstimmen, wäre eine Verlängerung des Mandats wohl alles andere als sicher. Also: einfach raus?

In Bamako hat Christian Klatt darauf keine eindeutige Antwort. Weitermachen wie bisher sei zwar keine Option, aber zunächst müsse man beide Bundeswehr-Missionen separat voneinander betrachten: Im Ernstfall könne man wohl eher auf die EUTM-Beteiligung verzichten als auf Minusma.

Und wer dem Land wirklich helfen wolle, müsse eigentlich die humanitäre Not bekämpfen und gleichzeitig Entwicklungshilfe leisten – und beides erfordere zum Schutz weiter eine hohe Militärpräsenz in Mali.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Schriftliche Antwort von Roderich Kiesewetter am 9.2.2022
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