"Verfehlt die formulierten Ziele" Bericht zum Sondervermögen der Bundeswehr wirft Fragen auf
Wegen des russischen Angriffskrieges hat die Bundeswehr 100 Milliarden Euro extra erhalten. Doch nun zeigt sich: Ein großer Teil des Geldes fließt nicht in die Aufstockung der Ausrüstung.
Nur etwa die Hälfte des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro kann dem Ifo-Institut zufolge für den Kauf zusätzlicher Ausrüstung für die Bundeswehr verwendet werden. 33 Prozent der Summe glichen lediglich Einsparungen beim Verteidigungsetat im Kernhaushalt aus, teilten die Münchner Forscher am Montag kurz vor Beginn des Nato-Gipfels in Vilnius mit.
Acht Prozent müssten für Zinsen aufgewendet werden. "Der Einsatz des Sondervermögens verfehlt damit die formulierten Ziele", sagte Ifo-Militärexperte Marcel Schlepper. Das Erreichen des Nato-Ziels, wonach jedes Land jährlich zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in den Verteidigungsetat stecken soll, sei auf Dauer gefährdet.
"Um dauerhaft zwei Prozent der Wirtschaftsleistung auszugeben, müsste der Verteidigungsetat schon jetzt sichtbar steigen", sagte Ifo-Forscher Florian Dorn. "Das wäre eine echte Zeitenwende, die auch mit Geld abgesichert würde." Aktuell finde das Gegenteil statt. Seit 2022 schrumpfe der Verteidigungsetat nach Abzug der Inflation.
"Das erschwert die Planbarkeit bei den Streitkräften"
Im laufenden Jahr verfehle Deutschland damit das Zwei-Prozent-Ziel um einen zweistelligen Milliardenbetrag und gehöre zu den Mitgliedsstaaten mit dem größten Defizit. Geplante Investitionen werden demnach in das Sondervermögen verschoben. Waren im Verteidigungsetat selbst im vergangenen Jahr noch zehn Milliarden Euro für neue Ausrüstung vorgesehen, so seien 2024 weniger als drei Milliarden Euro geplant, so das Ifo-Institut.
Für die übrigen Ministerien aber weite sich der Spielraum als Folge der Einsparungen beim Verteidigungsetat aus. "Das Sondervermögen Bundeswehr ermöglicht durch Verschiebungen im Haushalt indirekt eine Umgehung der Schuldenbremse – auch für jene Ausgaben, die nicht Zweck des Sondervermögens sind", sagte Dorn. Die nächste Bundesregierung müsse mit Auslaufen des Sondervermögens eine noch größere Ausgabenlücke schließen.
Die jährliche Lücke zu den zwei Prozent liegt demnach für die Jahre 2026 bis 2029 durchschnittlich bei 25 Milliarden Euro. Hinzu kämen etwa drei Milliarden Euro für die Zinslast der um 100 Milliarden Euro gestiegenen Schulden. "Die aktuellen Haushaltspläne säen Zweifel, ob Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel wirklich dauerhaft erfüllen will", sagte Ifo-Experte Schlepper. "Das erschwert die Planbarkeit bei den Streitkräften und in der Rüstungsindustrie." Bundeskanzler Olaf Scholz hatte das Sondervermögen im vergangenen Jahr als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine durchgesetzt.
- Nachrichtenagentur Reuters