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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Problem bei Bundeswehr Zu viel Araberhengst im Schützenpanzer Puma – "Schrott für sechs Milliarden"
Mit dem Puma wollte die Bundeswehr bei der schnellen Einsatzgruppe der Nato glänzen. Doch dann wurde der Vorzeigepanzer zum Totalausfall. Was ist schiefgelaufen?
Die Probleme beim Schützenpanzer Puma halten Bundeswehr und Verteidigungsexperten in Atem: Er kam viel zu spät, er wurde deutlich teurer, er fiel oft aus – und jetzt hat er auch noch bei einer Übung schlappgemacht. t-online erklärt die acht wichtigsten Fragen rund um den umstrittenen Schützenpanzer.
Was ist der Puma?
Das Heer nennt den Panzer das neue "Flaggschiff der Panzergrenadiere". Er ist mit bis zu 1.100 PS der leistungsstärkste und mit 17 Millionen Euro pro Exemplar der teuerste Schützenpanzer der Welt. Er sollte den Marder ersetzen, der bei der Bundeswehr seit 50 Jahren im Einsatz ist. Im Bundestag wurde erstmals 2002 über die Anschaffung debattiert. Abgesegnet wurde der Vertrag mit den Herstellern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall 2004. Ausgeliefert wurden die ersten Panzer 2015, die ursprüngliche Bestellung wurde von zunächst 1.000 auf 350 reduziert.
Was ist das Problem mit dem Puma?
Vor einigen Wochen sind bei einer Übung auf dem Schießübungszentrum bei Munster nach acht Tagen alle 18 beteiligten Gefechtsfahrzeuge ausgefallen. Sie hatten unter anderem Probleme mit der Elektronik, einer auch einen Kabelbrand. Es handelte sich dabei um nachgerüstete Puma-Schützenpanzer. Der Bundestag hatte 2019 für einen Einsatz in der superschnellen Eingreiftruppe der Nato VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) bei 41 der Schützenpanzer umfangreiche Verbesserungen genehmigt. 730 Millionen Euro hatte das gekostet, inklusive der damit zusammenhängenden Technik für die begleitenden Truppen. Jetzt sieht es so aus, als seien diese Hightech-Panzer extrem pannenanfällig.
Ist das Problem neu?
Der Panzer sollte ursprünglich 2010 ausgeliefert werden, kam in größerer Zahl aber erst ab 2015 und hatte von Beginn an Probleme etwa mit eindringendem Wasser und der Monitortechnik. Die Hoffnungen waren zuletzt aber groß: Über die einsatzbereiten Exemplare hatte die Bundeswehr nach Übungen in den vergangenen Monaten durchweg positiv geurteilt: "Wir hatten eine sehr gute Entwicklung gesehen", sagte Kapitän zur See David Helmbold, Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Die modifizierten Panzer sind nur ein kleiner Teil der insgesamt 350 Puma-Panzer, und es ist nicht klar, ob der Ausfall aktuell nur diesen Typ betrifft. Verteidigungsministerin Christina Lambrecht sagte im April, von den insgesamt 350 Panzern seien 150 tatsächlich einsatzbereit. Grund dafür seien aber fehlende Ersatzteile.
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Erst im März 2021 hatte der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, die Gefechtstauglichkeit der besonders nachgerüsteten Pumas bestätigt. Nun kommt der "Rückschlag, der für uns wesentlich ist", wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums sagt.
Was sind die Ursachen für die Defekte?
Bislang sind die Ursachen noch unbekannt. Schadensaufnahme und Analyse laufen, teilte das Verteidigungsministerium am Montag mit. Die Industrie verweist auf notwendige Untersuchungen der Fahrzeuge. Verteidigungsministerin Christina Lambrecht (SPD) erklärte: "Ich erwarte von der Industrie, dass die Schäden, die jetzt am Puma aufgetreten sind, sehr, sehr schnell behoben werden. Hier ist die Industrie jetzt in der Verantwortung."
In der Vergangenheit waren Elektronik-Probleme offenbar immer wieder aufgetreten, aber nie so massiv wie aktuell. Der beobachtete Kabelbrand könnte auf ein Verarbeitungsproblem deuten.
Es könnte aber auch ein mögliches strukturelles Problem geben, das der Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu auf Twitter so schilderte: "Schützenpanzer müssen Ackergäule sein, keine Araberhengste". Was der frühere Obmann der SPD im Verteidigungsausschuss und frühere verteidigungspolitische Sprecher damit sagen will: Der Puma, zumal die weiter aufgerüstete Variante, sei "überzüchtet".
Viele Sonderwünsche
Tatsächlich wurden die Anforderungen an den Panzer hochgeschraubt, nachdem der Grenzwert für die Schussgasbelastung als zu hoch gegolten hatte: Diese könnte bei schwangeren Soldatinnen das Fruchtwasser schädigen, hieß es.
Kritisiert wird auch, dass oft zu komplizierte Sonderwünsche bestellt würden. Die Industrie sei durchaus daran interessiert, Wünsche aus der Truppe an die Technik zu nähren. Dadurch hätten sich die Pumas von den geplanten drei Milliarden auf 5.989 Millionen Euro im 2019 verteuert, Preisgleitklauseln machten davon nur einen Teil aus.
Gerät der Bundeswehr fällt auch deswegen oft aus, weil es Ersatzteile nicht entsprechend auf Halde gibt, wie das früher in der Bundeswehr der Regelfall war. Vom Marder waren in Spitzenzeiten rund 2.000 Fahrzeuge mit entsprechenden Ersatzteilen vorhanden.
Diskutiert wurde auch die Frage, ob die nachgerüstete Variante des Puma bislang zu schonend getestet worden war. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wies das jedoch zurück: "Wir haben intensiv geübt im vergangenen Jahr. Woran es lag, dass gerade bei dieser Übung die Ausfälle stattgefunden haben, müssen wir jetzt herausfinden."
Wer zahlt?
Noch ist nicht absehbar, ob "der Puma" wirklich "Schrott" ist, wie Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte. Dagegen sprechen die Erfahrungen der Übungen in den vergangenen Monaten. Der Rüstungsbericht der Bundesregierung hielt noch im Juni fest: "Die Einsatzbereitschaft des Puma liegt weiterhin auf hohem Niveau." Schadenersatzfragen sind daher bislang noch kein Thema.
Die vielen Änderungswünsche, die es bei dem Puma gegeben hatte, dürften Regressansprüche zudem schwierig machen. Sollte es sie dennoch geben, sind vertraglich offenbar maximal fünf Prozent des Auftragsvolumens festgelegt. Beim Gewehr G36, dessen Präzision bei Erhitzung nachließ und das deshalb bei der Bundeswehr ausgemustert wurde, musste der Rüstungskonzern Heckler & Koch keinen Schadenersatz zahlen. Das wurde damit begründet, dass das Gewehr nicht von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit abwich.
Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst nicht wie vorgesehen: Der Auftrag für weitere 50 Exemplare, die bis zum Jahr 2031 geliefert werden sollten, wird auf Eis gelegt, obwohl der Vertrag schnellstmöglich geschlossen werden sollte. Ursprünglich war sogar einmal der Kauf von weiteren 220 Puma-Panzern vorgesehen. Mit der Industrie wurde laut Ministerium am Montag ein Krisengespräch geführt.
Wieso hat sich die Lage jetzt zugespitzt?
Der Einsatz im Nato-Verbund sollte ab 1. Januar starten: Die Bundeswehr musste daher jetzt entscheiden, ob sie Panzer mit einem derart großen Ausfallrisiko im Rahmen der VJTF-Eingreiftruppe der Nato in den Einsatz schickt. Bei diesen politisch und militärisch besonders wichtigen Kräften ist Deutschland ab dem 1. Januar 2023 Führungsnation des Eingreifverbands, der aus acht Nationen besteht. Den nachgerüsteten Puma dort einzusetzen, war das große Ziel – es ist deshalb ein herber Rückschlag und international eine Blamage. Statt Vorzeigetechnik muss Deutschland nun seine alten Marder schicken. Diese seien aber nach Auskunft des Verteidigungsministeriums so modernisiert worden, dass sie bis mindestens 2030 einsatzfähig sein sollen.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- YouTube: Befragung Verteidigungsministerium in der Pressekonferenz