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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aussetzung von Hartz-IV-Sanktionen "Die Regelbrecher werden belohnt"
Um die Aussetzung der Hartz-IV-Sanktionen gibt es erneut Streit. Sozialverbände fordern weitere Schritte, die Union hält schon die jetzige Regelung für gefährlich.
Der Paritätische Gesamtverband hat die Aussetzung der Hartz-IV-Sanktionen begrüßt und weitere Schritte gefordert. Man sei "heilfroh", dass sich die Grünen im Streit um das Moratorium durchgesetzt hätten, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider t-online. Dies dürfe aber nur der Anfang sein. "Nach unserer festen Überzeugung gehören die Hartz-IV-Sanktionen restlos abgeschafft", sagte Schneider: "Sie sind ein Relikt überkommener schwarzer Pädagogik, mit denen man Menschen wirklich nicht helfen kann." Sein Verband werde nun "sehr genau beobachten, ob das Moratorium lückenlos umgesetzt wird", kündigte Schneider an. Man habe "einschlägige Erfahrungen" mit den Jobcentern gemacht.
Die Ampelkoalition hatte sich darauf verständigt, für Empfänger von Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") Sanktionen bei Pflichtverletzungen ab dem 1. Juli befristet auszusetzen. Konkret heißt das zum Beispiel, dass die Betroffenen bis Mitte kommenden Jahres nicht damit rechnen müssen, dass sie bis zu 30 Prozent weniger Geld erhalten, wenn sie etwa eine zumutbare Arbeit nicht annehmen. Versäumen sie allerdings wiederholt Termine oder Fristen, können die Leistungen bis zu zehn Prozent gemindert werden.
"Keine Belege, dass Sanktionen sich positiv auswirken"
Auch der Sozialverband VdK fordert, die Sanktionen komplett abzuschaffen. Das Moratorium sei ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele t-online. Der nächste Schritt müsse aber "die dauerhafte Abschaffung" sein. "Sanktionen in der Grundsicherung kürzen das Lebensnotwendige und machen soziale Teilhabe unmöglich", so Bentele weiter: "Sie bestrafen und drohen, wo Respekt, Hilfe und Unterstützung notwendig sind. Es gibt keine Belege dafür, dass Sanktionen sich positiv im Sinne einer nachhaltigen und langfristigen Eingliederung der Unterstützten auswirken."
Noch weiter geht die Linke. "Die Debatte über Sanktionen darf nicht davon ablenken, dass das Grundproblem der zu niedrigen Regelsätze bleibt", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch diesem Portal. Jahrelang habe die Linke für die Abschaffung der Sanktionen gekämpft: "Auf die Aussetzung sollte die Abschaffung folgen." Hartz IV bleibe "Armut per Gesetz". Bartsch: "Der Koalitionsvertrag verpflichtet die Bundesregierung zum Handeln. Allerdings ist weder Scholz noch Lindner zu trauen, wenn es um die finanziell Schwächsten geht."
"Die Fleißigen werden bestraft"
Die Union hält hingegen schon die Aussetzung der Sanktionen für einen Fehler. "Arbeit muss sich lohnen. Die Abschaffung der ALG-II-Sanktionen hebelt dieses Leistungsprinzip aus", sagte die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Gitta Connemann, t-online: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen mit ihren Steuern Sozialleistungen für Menschen finanzieren, die arbeiten können, aber nicht wollen. Die Fleißigen werden bestraft, die Regelbrecher belohnt. Wer vom Steuerzahler finanziert wird und die Mitwirkung verweigert, muss sanktioniert werden."
Unionsvizefraktionschef Hermann Gröhe (CDU) warnte: "Wer den Jobcentern jedes Mittel nimmt, um Mitwirkung durchsetzen zu können, verabschiedet sich vom Prinzip des Förderns und Forderns. Er legt damit die Axt an die Wurzel der Solidarität zwischen Berufstätigen und Arbeitslosen."
Auch der sozialpolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Pascal Kober, kritisiert die Aussetzung: "Sanktionierbare Mitwirkungspflichten sind Teil einer Gesellschaft, in der sich Menschen gegenseitig verpflichtet sind", sagte er. "Wer arbeitet, muss Steuern und Sozialabgaben entrichten, wer arbeitslos ist, muss im Rahmen seiner Möglichkeiten daran mitwirken, seine Arbeitslosigkeit zu überwinden." Beide müssten mit Konsequenzen rechnen, wenn sie ihre Pflichten vernachlässigten. "Wer denkt, dass Menschen überfordert sind, Termine einzuhalten, sich zu bewerben oder weiterzubilden, denkt in Wahrheit sehr, sehr klein von den Menschen", sagte Kober.
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