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Finanzpläne der Ampel: Jetzt wird es richtig teuer


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Politik der Ampel
Angst vor dem Exempel


01.06.2022Lesedauer: 6 Min.
Finanzminister Lindner und Kanzler Scholz: Jetzt wird das Geld ausgegeben.Vergrößern des Bildes
Finanzminister Lindner und Kanzler Scholz: Jetzt wird das Geld ausgegeben. (Quelle: IMAGO / Political-Moments)
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Die Ampelregierung beschließt diese Woche 140 Milliarden Euro neue Schulden. Erste Koalitionäre zweifeln offen, ob die Schuldenbremse nächstes Jahr eingehalten werden kann. Wie lange geht das noch gut?

Christian Lindner klingt in diesen Tagen manchmal, als wolle er sich selbst verteidigen. Ab diesem Mittwoch gilt der deutschlandweite Tankrabatt, mit ihm sollen die Spritpreise eingedämmt werden. Ein Herzensprojekt der FDP, das die Liberalen gegen den Widerstand der Grünen im sogenannten Entlastungspaket im Frühjahr durchgesetzt hatten. Doch nun die Meldung: Das Tanken könnte nur langsam billiger werden, die Wirkung also zunächst verpuffen.

Finanzminister Lindner meldete sich also auf Twitter präventiv zu Wort und erklärte: "Mein Vorschlag war ein Rabatt, keine Steuersenkung. Beim Rabatt hätte man Vorgaben wie zum Beispiel in Italien machen können. Beschlossen hat die Koalition dann Steuersenkung in Verbindung mit Kartellamt." Im Klartext heißt das: Wir als FDP wollten das ja anders. Nun heißt der Tankrabatt zwar Tankrabatt – aber er ist nur eine Steuersenkung, die nicht gezielt entlastet. Liebe Bürger, bedankt euch beim Koalitionspartner.

Es ist nur eines von vielen Beispielen: Die Ampelkoalition findet einen Kompromiss, der am Ende oft bedeutet, dass einfach jeder sein Wunschprojekt bekommt. Das wird dann natürlich entsprechend teuer – und wirkt dann oft nicht mal so zügig und zielsicher wie erhofft.

An diesem Freitag wird der Bundestag aller Voraussicht nach den Bundeshaushalt für das Jahr 2022 beschließen. 495,8 Milliarden Euro sollen ausgegeben werden, 11,9 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Insgesamt wird eine Neuverschuldung von 138,9 Milliarden Euro angehäuft, was rechtlich überhaupt nur möglich ist, weil in diesem Jahr noch die Schuldenbremse ausgesetzt ist.

Die Koalition gibt viel Geld aus, macht reichlich Schulden – und weitere Ausgaben sind schon geplant. Mancher wirft bereits ganz offen die Frage auf, ob man wirklich nächstes Jahr wieder die Schuldenbremse einhalten könne. Andere frotzeln schon, es wirke, als würde man sagen, die Rechnung zahlen die Kinder. Wie lange trägt diese Politik des Geldausgebens noch? Und was sind die Alternativen?

Der Kampf gegen die Inflation

Besonders im sogenannten Ergänzungshaushalt, quasi einem Update für den eigentlichen Haushalt, wird diesmal mit enormen Summen hantiert, um die Folgen des Ukraine-Krieges abzufedern. Es gibt einen Sofortzuschlag für Familien mit Kindern sowie einen Heizkostenzuschuss. Der Grundfreibetrag für Steuerzahler sinkt. Der FDP-Tankrabatt soll, wenn auch eventuell später als geplant, über drei Monate den Spritpreis drücken. Ebenfalls enthalten ist eine Energiepreispauschale von 300 Euro für Erwerbstätige.

All das soll dazu dienen, die Menschen angesichts steigender Preise irgendwie zu entlasten. Denn die Inflation, also die Teuerungsrate, liegt aktuell bei rund 8 Prozent. Und 65 Prozent der Deutschen glauben laut einer Umfrage von Forsa für RTL/n-tv, die Bundesregierung müsse mehr tun, um die Inflation zu stoppen.

Nun beschließt der Bundestag den Haushalt in dieser Woche, die Ausgaben für dieses Jahr stehen. Doch sollte die Inflation weiter steigen, heißt es aus der Koalition, könnten trotzdem weitere finanzpolitische Maßnahmen ergriffen werden. Das könnte durchaus nötig werden, denn bislang ist noch kein Ende der Preissteigerungen absehbar.

Cybersicherheit auf Kosten der sozialen Sicherheit?

Auch bei der künftigen Finanzplanung ist es eher unwahrscheinlich, dass es leichter wird für die Ampelkoalitionäre. Eher im Gegenteil. Denn zusätzlich zum aktuellen Haushalt und dem Ergänzungshaushalt beschließt der Bundestag diese Woche auch noch das "Sondervermögen Bundeswehr". Es ist eine Art Rettungspaket für die Truppe, das 100 Milliarden Euro schwer ist und nicht im eigentlichen Haushalt auftaucht. Eigentlich müsste es "Sonderschulden Bundeswehr" heißen.

Damit die Grundgesetzänderung klappt, brauchte es neben der Ampel auch die Union. Der gefundene Kompromiss hat jedoch seinen Preis: Für Cybersicherheit und die Unterstützung von Nato-Partnern soll jetzt im eigentlichen Haushalt für 2023 mehr Geld ausgegeben werden. Ein zweistelliger Milliardenbetrag plus ein einstelliger Milliardenbetrag, so jedenfalls haben es die Grünen überschlagen.

Wie das funktionieren kann, wenn die Koalition 2023 zugleich die Schuldenbremse wieder einhalten will, darüber rätseln einige Haushaltspolitiker schon jetzt. Denn das würde bedeuten, dass deutlich mehr als zehn Milliarden Euro irgendwo anders im Haushalt eingespart werden müssten.

Besonders bei den Grünen befürchten viele: bei den Sozialausgaben. Die Grünen-Haushaltspolitikerin Jamila Schäfer warnt deshalb schon jetzt, man dürfe das Geld für Cybersicherheit "nicht gegen die wichtigen Investitionen in die soziale Absicherung wie ein Klimageld ausspielen".

Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher der SPD, sagt t-online: "Wir haben vereinbart, dass wir den sozialen Zusammenhalt stärken. Deshalb werden wir das nicht gefährden, die Kindergrundsicherung wird nicht wegen der Cybernachrüstung wackeln." In Richtung FDP erklärt er: "Ich gehe davon aus, dass das alle Koalitionspartner genauso sehen und mache mir deshalb keine Sorgen." Doch die Ampelkoalition wird priorisieren müssen.

Die SPD hat plötzlich viele neue Ideen

Noch komplizierter wird die Lage dadurch, dass auch bei der SPD die Ausgabenwünsche eher steigen als sinken. Denn sie hat als Grund für ihre letzten Wahlniederlagen die Sozialpolitik ausgemacht. Offiziell wollen die Genossen zwar vor allem besser erklären, was sie den Menschen ohnehin schon Gutes tun. Doch den ersten dämmert, dass das nicht reichen könnte.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der für die SPD im Oktober eine Landtagswahl gewinnen soll, forderte zuletzt in der "Bild am Sonntag": Die 300 Euro Energiegeld aus dem Entlastungspaket müssten auch den Rentnern zukommen, und zwar "spätestens nach der Sommerpause".

Da klingt Stephan Weil ganz wie der Linken-Politiker Alexander Ulrich. "Während Rentner und Studierende beim Energiegeld in die Röhre gucken, erhält jeder Bundesminister 300 Euro", sagt er t-online. "Die Ampelkoalition muss dringend ihren Gerechtigkeitskompass kalibrieren." Es ist durchaus bemerkenswert: Die Opposition fordert dasselbe wie ein Ministerpräsident der Regierungspartei.

Und auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat am Wochenende wohl nicht zufällig ein paar neue Ideen präsentiert. Er schlug in den Funke-Medien ein soziales Klimageld vor, das Menschen mit einem Brutto-Monatseinkommen unter 4.000 Euro einmal pro Jahr bekommen sollen.

Für die Opposition ist der Vorstoß ein gefundenes Fressen. "Ich weiß nicht, was dem Mann einfällt", sagt Christian Haase, Chefhaushälter der Union. "Heil hat bereits den größten Anteil im Haushalt, das ist einfach absurd." Aber auch der Finanzminister, Heils Kabinettskollege, widersprach prompt. Das sei alles sehr bürokratisch, sagte Christian Lindner, und ein "neuer Umverteilungstopf".

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Dass das soziale Klimageld genau das sein soll, ein Umverteilungstopf, mit dem das Vermögen von oben nach unten verschoben wird, zeigt, wie uneinig sich die Koalitionäre ganz grundsätzlich sind. Und dass dies wohl nicht der letzte Streit über Sozialpolitik in der Ampel bleiben wird.

Die Ersten stellen die Schuldenbremse infrage

All das führt nun dazu, dass in der Koalition mittlerweile offen über die Schuldenbremse diskutiert wird. Sie soll verhindern, dass die Staatsschulden übermäßig steigen. Während der Corona-Krise wurde der Mechanismus ausgesetzt. Doch ab 2023 soll die Schuldenbremse wieder greifen, darauf pocht besonders die FDP. Und dann wäre Schluss mit dem Geldausgeben. Lindner könnte statt 140 Milliarden Euro im nächsten Jahr nur etwa 7,5 Milliarden neue Schulden machen.

Ist das genug finanzieller Spielraum für all die Wünsche der Ampel? Bei Grünen und SPD glaubt mancher: nein. Genau wie die Grüne Jugend stellt die Grünen-Haushaltspolitikerin Jamila Schäfer die Schuldenbremse inzwischen ganz offen infrage: "Es ist unseriös und unklug, auf der Schuldenbremse zu beharren."

Und auch Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher der SPD, sagt t-online: "Ob wir die Schuldenbremse nächstes Jahr einhalten können, hängt davon ab, wie sich die Wirtschaft, der Arbeitsmarkt und damit die Steuereinnahmen entwickelt. Das müssen wir im Oktober und November neu bewerten."

Für die FDP aber ist die Schuldenbremse so etwas wie der Heilige Gral. Eigentlich heißt es intern: Darüber wird überhaupt nicht diskutiert. "Die Schuldenbremse wollen wir ab nächstem Jahr wieder einhalten", sagt der finanzpolitische Sprecher der Liberalen, Markus Herbrand, t-online. "Das haben wir als FDP immer gesagt und daran wird sich die Ampelkoalition halten."

Doch auch in der FDP wissen sie natürlich, was das bedeuten wird. "Wir werden da an der einen oder anderen Stelle noch massiv diskutieren müssen", sagt Herbrand. Im Klartext heißt das: Es dürfte noch gewaltig knirschen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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