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Die deutsche Jagd auf die Oligarchen: Wie ein Fisch durchs Netz


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Jagd auf russische Oligarchen
Wie ein Fisch durchs Netz


Aktualisiert am 31.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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45 Millionen Euro schwer: Hier wird die nächste Oligarchen-Jacht beschlagnahmt. (Quelle: t-online)
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Mehrere EU-Staaten beschlagnahmen Oligarchen-Eigentum. Nur die deutsche Bundesregierung versagt dabei – und schiebt stattdessen die Verantwortung zwischen den Ministerien hin und her.

Christian Lindner klang gewohnt selbstsicher, als er sich Anfang März vor die Presse stellte. Der Ukraine-Krieg tobte seit wenigen Tagen und der Finanzminister wollte ein deutliches Zeichen setzen.

Lindner erklärte: "Wer von Putin profitiert hat, und den Reichtum des russischen Volkes auch durch Korruption gestohlen hat, der kann nicht in unseren westlichen Demokratien seinen Wohlstand genießen." Man wolle das Geld der Oligarchen einfrieren, teilte die Bundesregierung mit. Die Idee dahinter: Wenn etwas vom Reichtum der russischen Mächtigen bröckelt, dann könnte sukzessive auch ihre Treue zum Autokraten Putin schwinden.

In diesen Tagen stellt sich heraus, wie weit Lindner mit seinem Vorhaben gekommen ist. Auf die Anfrage eines Linken-Politikers teilte das Finanzministerium mit: Inländische Banken haben bis zum 21. März insgesamt gut 95 Millionen Euro Vermögen von russischen Oligarchen eingefroren. In Italien ist dagegen von mehreren hundert Millionen Euro die Rede. In Frankreich von mindestens 850 Millionen. Und in Belgien sollen es sogar mehrere Milliarden sein, über die niemand mehr verfügen kann.

Die Jagd war Chefsache, zumindest eine Zeit lang

Wie kann das sein? Warum werden die russischen Oligarchen ausgerechnet in der Bundesrepublik kaum behelligt? Die Antwort liegt in der deutschen Bürokratie, mangelnden Gesetzen und in einem Hin- und Herschieben von Verantwortung in der Bundesregierung.

Dabei wirkte Bundeskanzler Olaf Scholz ursprünglich so entschlossen wie sein Finanzminister Christian Lindner. Anfang März sagte eine Sprecherin der Regierung dem ARD-Hauptstadtstudio: "Die Bundesregierung etabliert derzeit eine Taskforce zur Durchsetzung der Sanktionen. Das Bundeskanzleramt übernimmt dabei auf direkte Bitte des Bundeskanzlers eine übergeordnete, koordinierende Rolle."

Übersetzt bedeutete das: Die Jagd ist jetzt Chefsache, von Scholz so angeordnet. Wobei der Chef in dem Fall nicht der Bundeskanzler selbst war, sondern sein enger Vertrauter Jörg Kukies, Staatssekretär im Kanzleramt. Scholz kennt Kukies schon lange, er gilt als Aufräumer. Wenn etwas reibungslos über die Bühne gebracht werden soll, ist das ein Fall für ihn.

Kukies sorgte auch dafür, dass zunächst alles reibungslos anlief: Er rief die Taskforce am 16. März ins Leben, diese erstellte eine Liste mit zu sanktionierenden Personen. Öffentlich einsehbar sind diese Namen zwar nicht alle, doch die Aufstellung wurde offenbar von der Bundesbank an die Geschäftsbanken und Versicherungen versandt. Kreditkarten und Konten der entsprechenden Oligarchen sind damit künftig: gesperrt. Daher kommt die Zahl der gut 95 Millionen Euro, die bislang eingefroren wurden.

Kaum Gebrauch von einem wirksamen Hebel gemacht

Schon anders sieht es mit den Wohnungen, Jachten, Gemälden, dem Schmuck und weiteren Wertgegenständen der Oligarchen aus. Zwar können beispielsweise Jachten nicht mehr verchartert und Wohnungen nicht mehr direkt vermietet werden. Behalten dürfen die Oligarchen sie aber offenbar.

Der neu gegründeten Taskforce dürfte schnell klar geworden sein, dass es nicht so schnell geht mit dem Einfrieren: Italien und Frankreich legten medienwirksam Jachten an die Kette, nur in Deutschland ging das nicht. Auch deshalb ist im Nachbarland die Ziffer des eingefrorenen Geldes so hoch im Vergleich zur Bundesrepublik.

Das liegt auch daran, dass das im Grundgesetz geschützte Recht auf Eigentum als besonders hohes Gut gilt. Die deutschen Ermittlungsbehörden machen von einer vorläufigen Beschlagnahmung kaum Gebrauch. Diese müsste zwar nach einem bestimmten Zeitraum wieder aufgehoben werden, doch würde dieser juristische Hebel zumindest sicherstellen, dass kein Oligarch mehr mit seiner Jacht in der Ostsee herumfahren kann.

Plötzlich wurde eine neue Leitung berufen

In Deutschland gibt es zudem kaum Gesetze wie in Italien oder Frankreich, die eine private Nutzung der entsprechenden Wertgüter der Oligarchen unmöglich machen. Es wurde kompliziert für die Taskforce, es wurde kompliziert für Jörg Kukies. Und wenn es kompliziert wird, dann kommt in der Politik oft eine Wende. Hier war es nicht anders.

Denn plötzlich wollte man im obersten Machtzirkel des Olaf Scholz nichts mehr mit der entsprechenden Taskforce zu tun haben. Von einer "übergeordneten, koordinierenden Rolle" des Kanzleramts war nun keine Rede mehr. Stattdessen wurde letzte Woche, über acht Tage nach der Gründung, eine andere, offizielle Leitung der Taskforce verkündet: Johannes Geismann, ein aus dem Ruhestand geholter Staatssekretär, und Nina Thom, eine Oberstaatsanwältin.

Die beiden sollen nun koordinieren zwischen sechs Ministerien, unter anderem den dafür wichtigen Ressorts für Wirtschaft und Finanzen. Zudem sollen unter anderem die Bundesbank, der Bundesnachrichtendienst und das Bundeskriminalamt einbezogen werden. In einem offiziellen Papier der Bundesregierung heißt es dazu, es sei klar, dass sich die Ressorts "im Detail eng miteinander abstimmen".

Insider rätseln derweil, wann es der Staat zumindest vereinfachen wird, Oligarcheneigentum zu melden. Zudem ist unklar, ob künftig häufiger vom Instrument der vorläufigen Beschlagnahmung Gebrauch gemacht wird. Um den Oligarchen ihre Jachten zu sperren. Die Taskforce jedenfalls beginnt nun erst mal, unter neuer Führung zu arbeiten – etwa einen Monat nach Ausbruch des Krieges. Wann es die ersten wirklichen Ergebnisse gibt, ist offen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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