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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Laschets Kampf Kommt die konservative Wende?
Am Montag präsentiert Armin Laschet sein Wahlprogramm. Darin macht er auch den Konservativen Zugeständnisse. Doch er muss weiter um die Gunst all jener in der Union werben, die ihn verhindern wollten.
Die Lage ist bereits angespannt, als Armin Laschet dazukommt. Es ist Dienstagabend vor zwei Wochen, eine interne Videokonferenz des CDU-Landesverbands Sachsen. Gemeinsam soll die Strategie der CDU im Bundestagswahlkampf ausgelotet werden, etwa 200 Mitglieder sind zugeschaltet.
Es ist ein schwieriger Termin für Laschet. Denn im sächsischen Landesverband war die Mehrheit für Markus Söder als Kanzlerkandidaten, nun haben sie Laschet bekommen. Die Devise bei vielen Zuhörern lautet: Mal schauen, was er kann.
Laschet mahnt, die Grünen nicht persönlich anzugreifen, sondern mit sachlicher Kritik zu stellen. Er betont, wie wichtig ihm die Familienpolitik sei. Und dann spricht er über die unterschiedlichen Teile der Union, den Jugendverband und den Seniorenflügel, die West- und die Ostverbände. Er wolle den Ausgleich, die Balance zwischen diesen Polen, wiederherstellen, sagt Laschet.
Nach anderthalb Stunden ist sein Auftritt vorbei, und es gibt reichlich Applaus. Zwar nur digitalen, die Hände-Emojis werden eingeblendet, aber immerhin. Es ist einer der ersten Erfolge für Laschet, dessen Kandidatur nicht überall begrüßt worden ist.
In den Wochen nach der Entscheidung war die Wut groß
Eigentlich ist in der Union in diesen Wochen die Ruhe eingekehrt: Der Kanzlerkandidat steht fest, Markus Söder hält sich im Moment zurück - und nun sind auch wesentliche inhaltliche Fragen geklärt. An diesem Montag soll das Wahlprogramm vorgestellt werden. Es birgt nicht den Aufruf zur Revolution. Aber gerade deshalb könnte es bei vielen Wählern verfangen.
Doch die größte Gefahr für Armin Laschet kommt eh nicht von außen, sie droht von innen: Durch die eigenen Konservativen der Union. Es ist das Lager, das erst Friedrich Merz beim Parteivorsitz und dann Markus Söder bei der Kanzlerkandidatur unterstützte.
Beide Male gewann einer, den sie nicht wollten. Entsprechend unzufrieden sind sie. In den Wochen nach der Entscheidung für Laschet war die Wut besonders groß. Uwe Feiler, CDU-Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, fordert deshalb schon mal bei t-online: "Natürlich ist es die Aufgabe von Armin Laschet, jetzt auch die Konservativen einzubinden. Denn die Union muss geschlossen auftreten, das ist doch klar." Feiler vertritt keine Einzelmeinung in der CDU.
Armin Laschet braucht die Konservativen für den Wahlkampf, der rechte Flügel der CDU ist im Süden und Osten Deutschlands besonders mächtig. Verliert er dessen Unterstützung, wäre sein derzeit recht wahrscheinlicher Wahlsieg in Gefahr.
Ein Instrument, um den parteiinternen Frieden zu erzeugen
Laschet wird oft als Mann des Ausgleichs bezeichnet, als einer, der immer in der Mitte steht, und sowohl Linken als auch Rechten parteiintern ihren Raum lässt. Weil er aber im Vergleich zu Friedrich Merz und Markus Söder tendenziell eher links steht, muss er nun besonders auf den rechten und liberalen Flügel zugehen. Seine Strategie ist es, diesen Parteifreunden etliche Zugeständnisse zu machen.
Das zeigt sich bereits an dem, was in den vergangenen Tagen aus dem Programm für die Bundestagswahl durchsickerte. Klar ist beispielsweise, dass es mit der Union keine Steuererhöhungen geben soll. Und dass bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes europäische Lösungen angestrebt werden, Deutschland also nicht voranprescht. Und ein deutliches Bekenntnis zum Bürokratieabbau ist ebenfalls enthalten.
Solche Forderungen nennt man im Lager von Friedrich Merz gern ein "klares Wertegerüst". Sie könnten wohl ähnlich auch im Wahlprogramm der FDP stehen. Für Laschet sind sie das Instrument, um einen parteiinternen Frieden zu erzeugen.
Elisabeth Motschmann, eine erfahrene CDU-Abgeordnete, erklärt: "Wir müssen die wertkonservativen Wähler und Mitglieder einbinden. Sonst gefährden wir das Gleichgewicht und lassen immer mehr Raum für den rechten und linken Rand."
Schon gibt es die Forderung nach weiteren Personalien
Das ist eine der zentralen Befürchtungen: Wenn sich Laschet nur auf linke Positionen einstelle, würde der rechte Teil immer weiter abdriften. Deshalb soll Laschet wie ein Band die Positionen in einem CDU-konformen Rahmen miteinander verbinden.
Neben inhaltlichen Schwerpunkten versucht Laschet auch, konservative Köpfe für sich zu gewinnen. Einer von ihnen ist sein ehemaliger Rivale beim Kampf um den Parteivorsitz, Friedrich Merz. Merz gilt mittlerweile als künftiger Minister, etwa für Wirtschaft oder Finanzen.
Doch er rutschte nur in Laschets Team, weil er genug Rückenwind bei einer Sitzung des baden-württembergischen Landesverbands bekam, wo viele seiner Fans sitzen. Laschet musste sich diesem Anliegen beugen – so erzählen es die Merz-Leute. Im Laschet-Lager dagegen heißt es, man habe ohnehin vorgehabt, Merz ins eigene Team zu lotsen.
Und die Forderungen gehen noch weiter. Christoph Ploß, der Hamburger CDU-Chef, sagt, es müssten auch junge Köpfe "neue Impulse setzen". Er fordert: "Aus meiner Sicht sollte neben Friedrich Merz auch Carsten Linnemann eine zentrale Rolle im anstehenden Bundestagswahlkampf spielen." Linnemann ist der Chef der "Mittelstandsunion", des großen, wirtschaftsnahen Flügels der CDU. Laschet hat sich dazu aber noch nicht geäußert.
Dann eben zähneknirschender Rückenwind für Laschet
Merz ist bislang das einzige personelle Zugeständnis, das er gemacht hat. In der CDU wurde zunächst erwogen, ein offizielles Schattenkabinett in diesem Sommer zu präsentieren. Dann stiegen die Umfragewerte von allein an, die Grünen fielen wieder zurück und diese Idee wurde wieder verworfen. Denn sie birgt auch das Risiko, mit den präsentierten Köpfen andere zu brüskieren, die sich dann übergangen fühlen.
Für Ruhe im konservativen Lager sorgt auch die Befürchtung, dass Annalena Baerbock mit einer rot-rot-grünen Regierung ins Kanzleramt einziehen könnte. Das, so heißt es auch bei den eingefleischten Merz- und Söder-Fans, gelte es unbedingt zu verhindern. Zur Not eben mit einem lauen Rückenwind für Armin Laschet.
Dass sie das eine oder andere im Wahlprogramm untergebracht haben, beruhigt die Konservativen. Die CDU-Abgeordnete Jana Schimke, eine der Vertrauten von Friedrich Merz, sagt: "Nach meiner Kenntnis wird im Wahlprogramm viel Gutes stehen. Ich hoffe, das bleibt so." Doch sie ergänzt schnell: "Wenn das später mit der gleichen Ambition in den Koalitionsverhandlungen umgesetzt wird, dann gibt es allen Grund, zufrieden zu sein."
Sie klingt dabei etwas skeptisch. Und Armin Laschet weiß: Dieser Montag markiert noch längst nicht die letzte Etappe.
- Eigene Recherche