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Landwirte beschweren sich: Nitrat im Grundwasser nur gelogen? Der Faktencheck


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Landwirte beschweren sich
Faktencheck: Nitrat im Grundwasser – alles nur gelogen?


Aktualisiert am 28.11.2019Lesedauer: 4 Min.
Traktoren beim Protest in Berlin und auf dem Feld: Deutschland drohen durch hohe Nitratwerte im Grundwasser Strafzahlungen.Vergrößern des Bildes
Traktoren beim Protest in Berlin und auf dem Feld: Deutschland drohen durch hohe Nitratwerte im Grundwasser Strafzahlungen. (Quelle: Christian Mang; McPhoto/imago-images-bilder)
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Die neue Düngeverordnung macht Landwirte in Deutschland wütend. Sie sollen schuld sein am Nitrat im Grundwasser. Viele Bauern bezweifeln das und haben Fragen. t-online.de prüft die Vorwürfe.

Vor allem ein Thema hat am Dienstag die Demonstration der Bauern in Berlin bestimmt: Die Düngeverordnung. In Zukunft sollen die Landwirte deutlich weniger Düngemittel einsetzen dürfen. Das soll die Nitratbelastung im Grundwasser verringern, so der Wunsch der Bundesregierung. Denn diese muss handeln, sonst drohen Deutschland hohen Strafen seitens der EU. Doch die Bauern auf der Demonstration in Berlin bezweifeln, dass sie überhaupt schuld an der Nitratbelastung des Grundwassers sind und verweisen auf ein Video, das unter den Landwirten auf Facebook geteilt wird.

Das Video stammt von Landwirt Christian Lohmeyer. Darin zu sehen: Lohmeyer in seinem Hühnerstall. Der Inhalt des Videos hat allerdings nichts mit ländlicher Idylle zu tun. Lohmeyer beklagt sich über die Bundesregierung und vor allem über schärfere Gesetze zum Einsatz von Düngemitteln. Seine These: Landwirte seien nicht schuld an der hohen Nitratbelastung im Grundwasser. Stimmt das, was Lohmeyer sagt? t-online.de macht den Faktencheck.

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Behauptung: Städte wie Berlin verunreinigen mit ihren Abwässern das Grundwasser

Falsch. Eine Untersuchung des Forschungszentrums Jülich in NRW hat laut Angaben der Bundesregierung gezeigt, dass "kein Grundwasserkörper in NRW aufgrund einer anderen Quelle als der Landwirtschaft in einem schlechten Zustand wegen Nitrat" sei. Auch würden keine wissenschaftlich fundierten Belege für eine Nitratbelastung durch Abwässer vorliegen.

Behauptung: Durch Kläranlagen und undichte Rohrleitungen gerät Nitrat ins Grundwasser

Falsch. Das Bundesumweltministerium antwortet darauf auf Anfrage von t-online.de, undichte Kanäle wirkten sich nur in einem sehr kleinen Bereich auf die Wasserbelastung aus – im Nitratwert des Grundwassers falle das nicht weiter ins Gewicht. Kläranlagen würden in der Regel Stickstoff aus dem Wasser filtern.

Behauptung: An die EU wurden nur die schlechtesten Messdaten weitergeleitet

Falsch. Die Europäische Union hat 1991 eine Nitratrichtlinie erlassen, die dazu gedacht ist, Verbraucher vor zu hohen Nitratbelastungen im Grundwasser zu schützen. Daraufhin wurden in Deutschland 697 spezielle Messtationen aufgestellt: Sie messen, wie hoch die Nitratbelastung in Oberflächen- und Grundwasser ist, in das Wasser fließt, das zuvor über Äcker, Grünflächen und Sonderkulturen geflossen ist.

So soll das sogenannte "Teilmessnetz Landwirtschaft" laut Bundesumweltministerium herausfinden, wie viel Nitrat von der Landwirtschaft in den Gewässern verursacht wird – und ob entsprechende Gesetze in der Landwirtschaft zu einem geringeren Nitratwert führen. Das Ergebnis der Messungen laut Nitratbericht 2016: Die Belastung überschreitet den Schwellenwert von 50 mg pro Liter in 28 Prozent der Fälle. Und diese Messwerte wurden auch an die Europäische Union weitergeleitet.

Neben diesem Messnetz gibt es noch zwei weitere – sie erfüllen aber jeweils andere Zwecke. Eines der europäischen Umweltagentur hat 1.200 Messstellen in Deutschland und ermittelt den Nitratgehalt für alle Gebiete in Deutschland – und nicht nur für landwirtschaftliche Gebiete. Hier lagen 18 Prozent der Nitratmessdaten über dem Schwellenwert. Ein drittes, sehr engmaschiges Messnetz, überprüft den Schadstoffgehalt im Grundwasser.

Behauptung: Deutschland hat eine geringere Messdichte, als andere EU-Länder – deshalb sind die Ergebnisse verzerrt

Falsch. Jedes Land kann die Messstellen frei wählen, solange es damit die erforderlichen Daten an die Europäische Union liefern kann. Aus einem EU-Dokument geht zwar hervor, dass fast alle EU-Staaten mehr Messpunkte bezogen auf ihre Gesamtfläche haben als Deutschland, allerdings bildet die Verteilung der Messpunkte in Deutschland die landwirtschaftlich genutzte Fläche repräsentativ ab.

Das bedeutet, dass die Messstationen zu 45 Prozent unter Ackerland liegen und zu 9 Prozent unter Siedlungsflächen. Deshalb seien die Daten aus Deutschland nicht verzerrt, sondern es werden verlässliche Daten geliefert, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag.

Übrigens ist auch das EU-Ausland von den Grenzwerten betroffen: Seit 1998 wurden bereits elf Mitgliedstaaten vom Europäischen Gerichtshof wegen zu hoher Nitratwerte verurteilt. Darunter Frankreich und die Niederlande.

Behauptung: Düngereinsparung führt zu geringerem Pflanzenwachstum

Teilweise Richtig. Pflanzen wie Raps können ohne Dünger nicht wachsen. Dementsprechend würde eine Reduktion des Düngers auch zu einer geringeren Ernte führen. "Wir schätzen, dass die Erträge der Ackerkulturen im Durchschnitt um fünf Prozent sinken, wenn sie mit 20 Prozent weniger Stickstoff gedüngt werden, als in der Düngeverordnung aus dem Jahr 2017 erlaubt ist", sagt Bernhard Osterburg vom Thünen-Institut. Aus dem Nährstoffbericht für das Land Niedersachsen geht allerdings hervor, dass die Bauern mehr nitrathaltigen Dünger benutzen als nötig. "Der 6. Nährstoffbericht zeigt, dass in Niedersachsen nach wie vor ein erhebliches Nährstoffüberschussproblem besteht." Deshalb empfiehlt der Bericht die Düngemenge zu reduzieren. Ob zu viel Dünger verwendet wird, muss demnach von Hof zu Hof unterschiedlich bewertet werden.


Die Wahl der richtigen Menge Dünger ist schwierig, da diese auch vom Boden und vom Wetter abhängt. Auch ist der Nitrat-Gehalt in der Gülle von Fass zu Fass unterschiedlich. Tankfahrzeuge mit Sensoren, die den Nitratgehalt messen, können hier helfen. Allerdings dauere es teilweise Jahrzehnte bis ein Effekt im Grundwasser messbar wird, sagte Falk Hilliges vom Umweltbundesamt t-online.de. Deshalb wird es dauern, bis sich die Maßnahmen in den tatsächlichen Messwerten abbilden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Bundestag Drucksache 19/8835: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP
  • Report from the Commission to the Council and the European Parliament on the implementation of Council Directive 91/676/EEC concerning the protection of waters against pollution caused from agricultural sources based on Member State reports for the period 2012-2015.
  • Nährstoffbericht für Niedersachsen 2017/2018
  • t-online.de: "Wie belastet ist deutsches Grund- und Trinkwasser?"
  • Forschungszentrum Jülich: Nitrat im Grundwasser und in Oberflächengewässern
  • taz.de: "Verseuchen Bauern das Wasser?"
  • NRW Fachbericht 43: Grundwassergefährdung durch undichte Kanäle
  • NRW Fachbericht 55: Nitrat im Grundwasser – Situation 2010 bis 2013 und Entwicklung 1992 bis 2011 in Nordrhein-Westfalen
  • Correctiv.org: Ein fahrbares Labor gegen Nitrat-Überschuss
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