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Zum journalistischen Leitbild von t-online.AfD, Pegida, Rechtsextreme Wie ein Verein in Cottbus gegen Flüchtlinge und Islam hetzt
Der Verein "Zukunft Heimat" tritt als Zusammenschluss normaler Bürger auf, die sich um die Sicherheit in Cottbus sorgen. Eine Demonstration am Samstag zeichnet ein anderes Bild.
Ein Ortsbesuch von Lukas Latz
In Cottbus war es im Januar zu zwei Messerangriffen durch syrische Flüchtlinge gekommen. Umgekehrt berichten Flüchtlinge von alltäglicher Schikane. "Da hören Menschen auf offener Straße Neonazi-Musik und wenn wir an ihnen vorbeikommen, singen sie den Text extra laut mit", berichtet ein Asylbewerber, der anonym bleiben will.
Infolge der Vorfälle in Cottbus erklärte die brandenburgische Landesregierung, vorerst keine neuen Flüchtlinge mehr in die Stadt in der Lausitz zu schicken. Zudem sollen in der Stadt 40 neue Stellen für Sozialarbeiter geschaffen werden.
Mehrere Tausend Menschen bei Demonstration
Am Samstag hatten in Cottbus einige Tausend Menschen auf einer vom Verein "Zukunft Heimat" organisierten Demonstration gegen Einwanderung protestiert. In seiner Außendarstellung wirkt der Verein, als kümmere er sich ausschließlich um kommunalpolitische Angelegenheiten. Auf der Webseite finden sich Pressemitteilungen, in dem der Bau eines Radweges gefordert wird, und Einladungen zum Erntefest.
Auch in der Flüchtlingspolitik verfolgt "Zukunft Heimat" angeblich eine kommunalpolitische Agenda. Der Verein will offenbar den Anschein erwecken, dass es ihm um die Senkung der Kriminalitätsrate und um die Verhinderung von Gewalt geht. Tatsächlich scheint er hier aber keine kommunalpolitische Agenda zu verfolgen. Es geht eher ums große Ganze, um Deutschland insgesamt.
In einem Imagefilm zeigt der Verein, wie wenig pragmatisch er ist, wenn es um die Lösung kommunalpolitischer Probleme geht. "Die nun verkündeten Maßnahmen wie der zeitweilige Zuzugsstopp und mehr Sozialarbeiter sind wirkungslos und blinder Aktionismus", heißt es dort. Stattdessen solle die Politik "aufhören uns zu belügen, zu diffamieren und uns als Volk endlich wieder ernst nehmen."
Rechtsextreme Zeichen auf der Demonstration
Unter den Menschen, die für mehr Sicherheit in Cottbus demonstrieren, identifizieren sich einige ganz offenkundig mit der rechtsextremen Szene. Im Demonstrationszug wird die Reichsflagge geschwenkt. Einige Demonstranten tragen Thor-Steinar-Jacken. Die Kleidermarke ist unter Rechtsextremen sehr beliebt und gilt als Szenecode.
"Wir werden vor euch auch nicht halt machen", sagt eine Frau, die ein Plakat der Identitären Bewegung hochhält, zu einer Gruppe von Journalisten. Ein Plakat trägt die Aufschrift: "Die Islamisierung ist wie ein Krebsgeschwür." Der Vergleich zwischen Islam und Krebsgeschwür kann den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen.
Auch bei der Kundgebung geht es nicht um lokale Cottbuser Belange. Stattdessen verfallen die Redner in den Duktus der neuen Rechten. Einer spricht vom "großen Austausch". Das ist eine Verschwörungstheorie, der zufolge die europäischen Regierungen einen geheimen Plan verfolgen, die Bevölkerung Europas auszutauschen.
Viele angereiste Rechte
"Zwei Drittel der Menschen, die hier demonstrieren, sind nicht von hier. Das hört man an den Akzenten“, sagt eine Cottbuserin, die sich die Demonstration aus der Distanz anschaut. Tatsächlich drängte sich der Eindruck auf, ein Großteil der Demonstranten ist angereist.
Die AfD äußerte sich widersprüchlich zu den Ereignissen in Cottbus. Im Deutschlandfunk sagte Andreas Kalbitz, der Landesvorsitzende der AfD in Brandenburg: "Gewalt ist völlig unakzeptabel, egal von welcher Seite sie kommt. Und natürlich wollen wir auch verhindern, dass es jetzt zu einer Gewaltspirale kommt." Auch verbale Ausfälle gegen Journalisten auf der Demonstration von "Zukunft Heimat" am 20. Januar verurteilte Kalbitz.
AfD-Politiker beschwört "Feuersturm" herauf
Aber nicht alle AfD-Politiker rufen zur Deeskalation auf. Am Rande der Demonstration gibt Daniel Freiherr von Lützow, Vizechef der AfD Brandenburg, ein Interview, das auf der Facebook-Seite von Pegida live gestreamt wird.
Von Lützow nimmt darauf Bezug, dass seiner Partei vorgeworfen wird, in Cottbus soziale Unruhen gestiftet zu haben. "Wir waren nicht diejenigen, die das Reisig gelegt haben", sagt er. Und weiter: "Das wird nicht nur ein Flächenbrand. Das wird ein Feuersturm." Dass er diesen Feuersturm gut findet, daran lässt er keinen Zweifel. Die Demonstration sei "so geil."
An von Lützow und Pegida-Mann Siegfried Daebritz läuft währenddessen ein Mann vorbei, der Gegendemonstranten den Hitlergruß zeigt. "Genau das falsche Signal", sagt Daebritz. Wenn der Hitlergruß in die Medien kommt, dann "kommen beim nächsten Mal nur die Hälfte und nicht doppelt so viele."
Daebritz gibt seinem Gesprächspartner eine gute Gelegenheit, sich klar von Neonazis zu distanzieren. Doch Freiherr von Lützow schweigt.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikel wurde Daniel Freiherr von Lützow als Mitglied des deutschen Bundestages bezeichnet. Das ist falsch. Er ist kein Mitglied des Bundestages. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.