"Ist in die Hose gegangen" Kretschmann gibt Merz einen Tipp für Grundschüler
Baden-Württembergs Ministerpräsident fordert von seiner Partei mehr Realismus in Sachen Migration. Für den künftigen Kanzler hat er zwei Ratschläge.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wünscht der künftigen Bundesregierung trotz der Oppositionsrolle seiner Partei Erfolg. "Diese neue Regierung darf nicht scheitern. Nicht in dieser Weltlage", sagte der Grünen-Politiker dem Magazin "Stern". Mit Blick auf die Präsidenten der USA und Russlands, Donald Trump und Wladimir Putin, fügte Kretschmann hinzu: "Trump betrachtet uns als Gegner, von Putin ganz zu schweigen. Demokraten müssen jetzt zusammenhalten." Die Grünen müssten in der Opposition konstruktiv sein.
Dem voraussichtlich künftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) gibt der erste Ministerpräsident der Grünen zwei Dinge mit auf den Weg. "Merz kann eine lateinische Weisheit von mir lernen: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem", für Nicht-Lateiner: "Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende."
Rat an Grüne: Offene Flanke in Migrationspolitik schließen
Zudem hat Kretschmann für Merz auch noch einen Tipp aus der Verkehrserziehung für Grundschüler parat: "Erst links, dann rechts, dann geradeaus – dann kommst du sicher gut nach Haus." Das gelte nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch in der Politik. "Merz hat es umgekehrt gemacht. Nicht links, nicht rechts, nur geradeaus geschaut. Das ist in die Hose gegangen. Und ich meine nicht nur die Abstimmung mit der AfD", sagte Kretschmann mit Blick auf die gemeinsame Bundestags-Abstimmung von Union und AfD für eine schärfere Migrationspolitik vor der Bundestagswahl.
Die Grünen hatten bei der Bundestagswahl nur 11,6 Prozent erzielt und sind in der kommenden Legislaturperiode in der Opposition. Kretschmann sieht die "Unklarheit in der Migrationspolitik" als Hauptgrund für die Wahlschlappe. "Die Flüchtlingspolitik ist einer der Trigger aller rechtsradikalen und rechtspopulistischen Bewegungen. Diese Flanke konnten wir nicht schließen", sagte Kretschmann. Er empfahl seiner Partei "Klarheit" zu schaffen und für eine Begrenzung der irregulären Migration und zugleich eine Verbesserung der regulären Migration einzutreten.
Kretschmann äußerte sich angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland auch zu einer Ausdehnung der Arbeitszeit. "Dass wir, ausgerechnet in einer Krise, weniger arbeiten wollen, ist völlig aus der Zeit gefallen", sagte der Grünen-Politiker. "Die Jahresarbeitszeit aller Industrienationen ist in Deutschland am geringsten. Wir müssen mehr arbeiten." Kretschmann verwies dabei auf sein eigenes Beispiel: "Ich bin 76 und haben Zwölf-Stunden-Tage. Solange wir gesund sind, keine Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, müssen wir mehr arbeiten. Es wird anders gar nicht gehen."
Vom Vorschlag aus der Wirtschaft, einen Feiertag zu streichen, hält Kretschmann hingegen nichts. "Ich wüsste nicht, warum ich als Christ auf die Feiertage losgehen sollte. Die sind grundgesetzlich geschützt", sagte er. Kretschmann, der seit 2011 Baden-Württemberg regiert, ist Katholik.
- Vorabmeldung des "stern"
- Nachrichtenagentur dpa