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Christian Dürr kandidiert für FDP-Vorsitz: Möglicher Lindner-Nachfolger?


Möglicher Lindner-Nachfolger
Was Dürr von Lindner unterscheidet


Aktualisiert am 17.03.2025 - 13:26 UhrLesedauer: 4 Min.
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Noch-Fraktionschef der Liberalen im Bundestag: Christian Dürr will Chef der FDP werden. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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Derzeit ist Christian Dürr Chef der Bundestagsfraktion, jetzt will er Vorsitzender der FDP werden. Kann ihm gelingen, was sein Vorgänger Christian Lindner einst schaffte?

Auf den einen Christian soll bei der FDP der nächste folgen: Nach dem Rückzug von Langzeit-Parteichef Christian Lindner hat Christian Dürr, der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, am Sonntag in Kiel seine Kandidatur für den Chefposten in der Partei erklärt – und dafür die volle Unterstützung der Spitzenleute aus den Landesverbänden erhalten.

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Damit gilt es in der Partei als ausgemacht, dass er Mitte Mai auf dem Bundesparteitag der Liberalen zum neuen Vorsitzenden gewählt wird. Andere Kandidaturen sind zwar nicht ausgeschlossen, aber sehr unwahrscheinlich.

Auf Dürr wartet eine Herkulesaufgabe. Seine Partei ist gerade aus dem Bundestag geflogen. Die nächsten vier Jahre muss sie außerparlamentarische Oppositionsarbeit leisten und Dürr abseits des Scheinwerferlichts um Aufmerksamkeit kämpfen, damit die FDP nicht in Vergessenheit gerät. Wer ist der Mann? Und kann er das überhaupt?

"Zugewandt" und "pragmatisch"

Christian Dürr, 47 Jahre alt, stammt aus Ganderkesee, einem kleinen Ort in Niedersachsen vor den Toren Delmenhorsts, wo er bis heute mit seiner Frau und zwei Kindern lebt. Nach dem Abitur leistete er im nahen Bremen zunächst Zivildienst beim Blutspendedienst des Roten Kreuzes, ehe er in Hannover Wirtschaftswissenschaften studierte. 2007 beendete er sein Studium mit einer Abschlussarbeit über den CO2-Emissionshandel als Diplom-Ökonom.

Sein politischer Werdegang begann 1995 mit dem Eintritt bei den Jungen Liberalen. Seit 1996 ist er Mitglied der FDP, für die er 2003 erfolgreich für den niedersächsischen Landtag kandidierte. Dort übernahm er 2009 das Amt des Fraktionschefs, 2017 zog er in den Bundestag ein, wo er zunächst stellvertretender Fraktionsvorsitzender und 2021 schließlich auch Fraktionschef wurde.

Dürr ist in der Partei beliebt, viele beschreiben ihn mit ähnlichen Worten: Er sei "herzlich und ehrlich", "zugewandt" und inhaltlich "pragmatisch". Zudem halten ihm viele zugute, dass er "ein guter Moderator" sei – eine Fähigkeit, die er als Fraktionschef im Bundestag bewiesen hat und die hilfreich ist in Zeiten wie diesen, in der sich die Partei auch wieder mehr mit sich selbst wird beschäftigen müssen.

Anschlussfähig in allen Lagern

Ein weiterer Pluspunkt: Der Niedersachse kommt lagerübergreifend bei fast allen gut an. Die Progressiven in der FDP beschreiben ihn als "modernen Liberalen", der etwa beim umstrittenen Selbstbestimmungsgesetz stark um die Zustimmung in der Fraktion geworben hat – aller Kritik an diesem von vielen als "linksgrün" verschrienen Projekt zum Trotz.

Die Ordoliberalen, eher Konservativen, in der Partei wiederum betrachten Dürr als einen der ihren, weil er als Volkswirt stets klar marktwirtschaftliche Positionen vertritt. Zudem ist Dürr Teil der sogenannten "Kartoffelküche", einer Runde, in der sich Politiker von CDU und FDP regelmäßig treffen.

Wie groß die Chancen sind, dass Dürr – wie einst Lindner – das Projekt liberale Wiederauferstehung gelingt, lässt sich trotzdem nur schwer abschätzen. Das liegt einerseits an den geopolitisch umkämpften Zeiten, in denen sich die Aufmerksamkeit der Medien noch einmal stärker auf die Regierung richtet. Andererseits ist schwer zu sagen, ob sich in der Partei ein ähnliches Aufbruchmomentum entfachen lässt wie 2013, als die FDP erstmals den Einzug in den Bundestag verpasste und sich vier Jahre lang in der außerparlamentarischen Opposition erneuern musste.

Dürr gilt als Gesicht der Ampel

Viel wird, so sehen es einflussreiche Liberale, darauf ankommen, wie das Führungsteam um ihn herum aussieht. Denn, so die einhellige Meinung: Dürr alleine dürfte es schwer haben, die Partei zurückzuführen in den Bundestag. Neben all den beschriebenen positiven Eigenschaften, die er mitbringt, gibt es nämlich auch Maluspunkte, die er abschütteln muss.

Der wichtigste: die abgewählte Ampelkoalition, die in der Partei viele als Hypothek für die Bundestagswahl ausmachen und damit für das Scheitern der FDP an der Fünfprozenthürde. Nicht wenige sehen Dürr noch stärker als Lindner als Gesicht der Ampel-FDP, war es im Parlament doch stets er, der die Kompromisse von SPD und Grünen hat verhandeln müssen.

Zudem lässt sich Dürrs "Anschlussfähigkeit" in allen Parteilagern, sein "Pragmatismus" auch als Schwäche auslegen: Inhaltlich, so sagt es mancher hinter vorgehaltener Hand, fehle es Dürr – bislang – an einem eigenständigen Profil. Zu flexibel, zu beliebig sei er, als dass er vom Start weg den Kurs der FDP werde prägen können.

"Er lässt einen viel näher an sich heran"

Umso mehr wird die Partei, wird wohl aber auch Dürr selbst darauf setzen, neben ihm starke Stellvertreter an Bord zu holen, die für verschiedene Strömungen in der FDP stehen und damit unterschiedliche Wählermilieus ansprechen können. Häufig genannt werden in diesem Zusammenhang vor allem Wolfgang Kubicki als Vertreter des eher konservativen, wirtschaftsliberalen Flügels und die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die zu den Progressiven in der Partei zählt, die neben der Wirtschaftspolitik auch andere Akzente setzen, etwa bei Bürgerrechten und gesellschaftlichen Themen.

Dennoch: Das große Potenzial des "neuen Christians" liegt darin, auch da sind sie sich bei den Liberalen sehr einig, dass er besser rüberkommt als der alte. So hat Dürr zwar im System Lindner Karriere gemacht, war lange einer seiner engsten Vertrauten. Allerdings ist er dabei nie zu einer Politfigur wie Lindner geworden, die viele in der Rückschau inzwischen als "künstlich", teils "kühl" und "wenig nahbar" beschreiben.

"Bei Christian Dürr merkt man, dass er sein Gegenüber im Gespräch ernst nimmt, dass er wirklich zuhört. Er lässt einen viel näher an sich heran", so ein Mitglied des Bundesvorstands im Gespräch mit t-online. Ein anderer Liberaler, der ebenfalls im Parteivorstand sitzt, sagt: "Auch wenn er in der Sache hart diskutiert, strahlt Christian Dürr Wärme aus. Das kann uns jetzt helfen."

Zuträglich für einen gelingenden Start, so sehen es jedenfalls einige in der FDP, dürfte sein, dass die ersten echten Gradmesser für seinen Erfolg erst in einem Jahr anstehen, bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz. Viel Zeit also noch, damit Dürr sich und die Partei profilieren kann, sodass die FDP im politischen Niemandsland nicht vergessen wird.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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