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BSW im Bundestag: Illegale Wagenknecht-Wahlwerbung mit Steuergeldern?


Anzeigen auf Facebook und Instagram
Wahlkampf mit Steuergeldern?

  • Carsten Janz
Von John Hufnagel, Carsten Janz

Aktualisiert am 21.02.2025 - 19:31 UhrLesedauer: 5 Min.
Sahra Wagenknechts BSW im Bundestag schaltet massiv Werbung auf den sozialen Netzwerken der Meta-Gruppe (Montage: ha)Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknechts BSW-Gruppe im Bundestag schaltet massiv Werbung in den sozialen Netzwerken der Meta-Gruppe (Montage: ha) (Quelle: Arnulf Hettrich / Imago)
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Die BSW-Gruppe im Bundestag hat offenbar illegal Wahlwerbung für die Partei geschaltet. Woher die Gelder dafür stammen, ist unklar.

Die Bundestagsgruppe vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat seit Jahresbeginn Werbung im Wert von mindestens 53.000 Euro geschaltet - und das offenbar unerlaubt. Das geht aus Recherchen von t-online hervor. Demnach hat die Gruppe rund um die Gründerin Sahra Wagenknecht Werbung auf Facebook und Instagram gebucht – was laut dem Abgeordnetengesetz sechs Wochen vor der Wahl nur in Ausnahmefällen erlaubt ist.

Denn: Fraktionen und parlamentarische Gruppen im Bundestag erhalten Geld aus Steuermitteln. Dieses Geld dürfen Abgeordnete und Fraktionen nur in sehr engem Rahmen für Reklame und PR einsetzen, etwa für Informationskampagnen zur eigenen Arbeit im Parlament – nicht jedoch für Wahlwerbung für die Partei.

Die Gruppe könnte demnach gegen das Abgeordnetengesetz verstoßen haben und eine hohe Strafe auferlegt bekommen. Diese Strafe könnte für die Gruppe und für die Partei problematisch sein, da sie die Bundestagswahl ohnehin schon vor finanzielle Probleme stellt.

Wurden die Gelder der Gruppe aus dem Bundestag also unerlaubt für Parteienwerbung eingesetzt? Bricht das BSW damit mit dem Abgeordnetengesetz?

Wenn Parteien im Wahlkampf stecken, kostet das viel Geld. Die Parteien setzen unterschiedlich hohe Beträge für Plakate, Wahlkampfstände, Flyer und auch Werbung im Internet ein. Das BSW ist erst ein Jahr alt, und die finanziellen Mittel sind dadurch im Vergleich zu anderen Parteien überschaubar. Durch die erfolgreichen Landtags- und Europawahlen 2024 und Parteigroßspenden kamen zwar gut acht Millionen Euro zusammen – die sind aber nach Informationen von t-online für die vorherigen Wahlkämpfe eingesetzt worden.

Wahlkampf für 6,5 Millionen Euro

Für die aktuelle Bundestagswahl sind laut Bundesschatzmeister 6,5 Millionen Euro eingeplant. Zu wenig, um so präsent zu sein, wie die Partei es möchte. Hat die Partei darum verbotenerweise auf Mittel der Bundestagsgruppe zugegriffen, um Werbung zu schalten? Diesen Anschein jedenfalls erwecken Recherchen von t-online. Demnach hat die Gruppe vom Bündnis Sahra Wagenknecht Werbung auf Facebook und Instagram geschaltet – und das möglicherweise unter Einsatz von Steuergeldern.

Fraktionen und Gruppe im Bundestag bekommen Geld aus dem Bundeshaushalt. Davon können sie Mitarbeiter, Büromaterialien und auch Werbung finanzieren. Da aber der Gesetzgeber verhindern wollte, dass mit diesen Steuergeldern im Wahlkampf Werbung für Parteien gemacht wird, wurde das Abgeordnetengesetz im vergangenen Jahr noch einmal verschärft. In Paragraf 55 steht, dass die Gelder zwar auch für "die digitale Kommunikation" der Fraktion oder Gruppe genutzt werden dürfen – nicht jedoch, um für die Partei als solche zu werben.

Erschwerend hinzu kommt, was außerdem im Gesetz steht: "Sechs Wochen vor Wahlen zum Deutschen Bundestag oder zum Europäischen Parlament bedarf die Öffentlichkeitsarbeit eines besonderen parlamentarischen Anlasses." Heißt also: In der heißen Wahlkampfphase gilt für die Fraktionen und Gruppen eine grundsätzliche Sendepause.

Nur, wenn es etwa ganz besondere Veranstaltungen der Fraktion oder Gruppe gibt, dürfen die Parlamentarier dafür Werbung machen. In der Begründung der Gesetzes heißt es: "Daher ist diese für einen Zeitraum von sechs Wochen vor der Wahl zum Deutschen Bundestag auf einen besonderen parlamentarischen Anlass – beispielsweise ein Redebeitrag in einer Parlamentssitzung oder die Ausübung des parlamentarischen Fragerechts – beschränkt. Damit legt der Gesetzentwurf für diesen Zeitraum ein klares zeitliches und inhaltliches Kriterium fest."

Die BSW-Gruppe schaltet massiv Werbung

Die SPD-Fraktion hat mutmaßlich deshalb seit Jahresbeginn keine Werbung bei Meta, dem Mutterkonzent von Facebook und Instagram, geschaltet. Die CDU/CSU-Fraktion auch nicht, ebenso wenig die Grünen im Bundestag. Das BSW hingegen hat seit Jahresbeginn 83 Anzeigen geschaltet. Und das auch zu Themen, die eigentlich nicht zu den erlaubten Ausnahmen gehören.

Die Auswertung von t-online zeigt, dass die Gruppe für die Anzeigen 53.900 bis 71.270 Euro ausgegeben hat. Der Konzern Meta veröffentlicht keine genauen Zahlen, sondern nur Bandbreiten. Demnach hat die kleine Gruppe im Bundestag damit erreicht, dass ihre Videos und Stellungnahmen bis zu 17 Millionen Mal auf Facebook und Instagram angezeigt wurden. Und das meist mit einfacher Werbung für das BSW, nicht für die Arbeit der Fraktion, so wie es außerhalb von Wahlkampfzeiten erlaubt ist.

Mal geht es allgemein um den Tierschutz, häufig um Waffenlieferungen an die Ukraine oder den Krieg, Migration oder die Attentate in Mannheim und München. Alles Themen, die im Wahlkampf eine große Rolle spielen. Zu denen es aber wenige Sitzungstage im Bundestag und damit auch wenig Bezug zur BSW-Gruppe im Bundestag gab.

Parteienforscher und Juristen, mit denen t-online gesprochen hat, sehen das kritisch. "Nach allem Anschein hat die BSW-Gruppe im Bundestag mit der Schaltung dieser Werbung gegen die einschlägige Bestimmung des Abgeordnetengesetzes verstoßen", sagt Martin Morlok, Rechtswissenschaftler und Experte für das Parteienrecht. Im Gesetz sei es klar: "Den Fraktionen und Gruppen ist verboten, sechs Wochen vor der Wahl Fraktionsmittel vor der Wahl zu Wahlkampfzwecken einzusetzen."

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Die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger präzisiert: "Vor der Wahl dürfen Fraktionen und Gruppen nur noch Öffentlichkeitsarbeit betreiben, wenn es einen konkreten Bezug zum Parlamentsgeschehen gibt. Die Grenzen sind hier also sehr, sehr eng. Auf den ersten Blick scheint das hier mehr als zweifelhaft." Wenn sich bestätige, dass die Werbung aus Geldern der Gruppe im Bundestag finanziert wurde, müsse es zurückerstattet werden. "Darüber hinaus könnten die Anzeigen auch eine illegale Parteispende der Fraktion an die Partei sein", so Schönberger. "Dann würden auf die Partei Strafzahlungen in Höhe der dreifachen Summe zukommen. Ob das der Fall ist, hängt maßgeblich davon ab, wie die Partei über die Kampagne informiert war."

Da die Partei und die Gruppe sehr klein ist, sei es unwahrscheinlich, dass die Anzeigen ohne Kenntnis der Partei geschaltet wurden.

Eine Sprecherin Gruppe BSW im Bundestag teilt mit: "Die Vorwürfe, die hier erhoben werden, sind falsch. Selbstverständlich wird durch die Gruppe BSW im Bundestag keine Wahlwerbung mit öffentlichen Geldern gemacht. Die Gruppe BSW im Bundestag veröffentlicht auf ihren Social Media-Accounts ausschließlich Inhalte mit parlamentarischem Bezug. Dass sich Inhalte mit parlamentarischem Bezug auch in der öffentlichen Diskussion wiederfinden ist normal und versteht sich von selbst. Die Gruppe BSW im Bundestag wurde zudem erst im Februar 2024 anerkannt und baut seitdem ihre Präsenz in den sozialen Medien auf, um über ihre parlamentarische Arbeit zu berichten. Hierfür werden auch Gelder für Werbung aufgewendet."

Die Bundestagsverwaltung bestätigt auf Nachfrage, dass Meldungen über möglicherweise rechtswidrig geschaltete Werbung durch die Gruppe des BSW im Bundestag eingegangen sind. Die Prüfung liege aber jetzt beim Ältestenrat des Bundestages, denn "§ 58 Abs. 5 AbgG weist dem Ältestenrat die zentrale Rolle für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verwendung von Geld- und Sachleistungen zu, die die Fraktionen (bzw. Gruppen) zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten", schreibt ein Sprecher. Und dies müsse auch schnell passieren: "Die konkreten Verfahrensfragen wird der Ältestenrat der 21. Wahlperiode noch zu klären haben." Wenn ein Verstoß festgestellt werde, müssen die Mittel zurückgezahlt werden. Und die Bundestagsverwaltung thematisiert auch noch einen weiteren Verfahrensschritt. Der Sprecher schreibt: "Darüber hinaus wäre der Vorgang auch noch parteienrechtlich zu betrachten". Vielleicht liegt also auch noch eine illegale Parteienfinanzierung vor.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Werbungsanalyse des Meta-Konzerns
  • Anfrage Martin Morlok
  • Anfrage BSW-Gruppe im Bundestag
  • Anfrage Bundestagsverwaltung
  • Anfrage Sophie Schönberger

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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