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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Wahlarena" im Ersten Merz: "Wir haben ein massives Problem"
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Merz, Scholz, Weidel und Habeck stellen sich Zuschauerfragen. Direkt zu Beginn räumt Merz ein Problem im Wahlkampf ein.
CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat eingeräumt, dass im aktuellen Wahlkampf nur über wenige Themen gestritten wird. "In diesem Wahlkampf wird erstaunlicherweise relativ wenig über Klimapolitik diskutiert", sagte er auf die Frage eines Zuschauers in der Sendung ARD-"Wahlarena".
Unterschiede gebe es vor allem zu den Grünen, sagte Merz. So setze die Union auf Technologieoffenheit und Innovationen. "Wir wollen es nicht mit mehr Regulierung." Der Kurs der Ampel und der Grünen habe nach seiner Einschätzung auf die Dauer nicht die Zustimmung der Bevölkerung. "Wenn, dann müssen wir es mit der Bevölkerung machen."
Der geringe Anteil Deutschlands an der Weltbevölkerung und den Emissionen bedeute nicht, dass es egal sei, was die Bundesrepublik mache, erklärte Merz. "Ich sage, wenn wir doppelt so viel CO2-Emissionen pro Kopf haben als der Weltdurchschnitt, dann haben wir ein Problem, und das müssen wir lösen." Insgesamt wolle er nichts schönreden. "Wir haben ein massives Problem", so Merz.
Die ARD will mit der 120-minütigen Sendung "Wahlarena" nach eigenen Angaben "die Sorgen, Probleme und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt" stellen. Neben Merz beantworten noch Alice Weidel (AfD), Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) nacheinander live Fragen des Publikums.
Deutschlandticket ist "eine gute Idee"
Ein Thema aus dem Publikum ist dabei auch das Deutschlandticket. Eine Fortsetzung über das Jahr 2025 hinaus hängt für Merz an der Finanzierbarkeit. Wenn das Ticket bezahlbar bleibe, dann sei es "eine gute Idee", sagte Merz. Er fügte allerdings hinzu, dass das Ticket vorwiegend für Menschen in Ballungsräumen attraktiv sei, weniger aber im ländlichen Raum.
Er selbst nutze öffentliche Verkehrsmittel in Berlin "relativ häufig". In seiner Heimat im Sauerland fahre er "fast gar nicht" mit den Öffentlichen, sagte Merz mit Verweis darauf, dass es sich um einen "ländlichen Bereich" handele.
Union will vors Bundesverfassungsgericht ziehen
Merz kündigte zudem an, dass er die von CDU und CSU anvisierte radikale Reform des Bürgergelds auch bei Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht umsetzen möchte. Für Totalverweigerer bei der Arbeitsaufnahme wäre er auch für eine komplette Streichung, sagt der CDU-Vorsitzende in der ARD-Wahlarena. "Das wird dann nach Karlsruhe gehen, da muss man mal schauen, was Karlsruhe dazu sagt", fügte Merz hinzu.
"Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten könnten, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen", sagte Merz. Dies betreffe rund 1,7 Millionen Menschen. Bei den sogenannten "Totalverweigerern", die die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur ablehnen, soll der Bezug auf null gekürzt werden.
"Wo er recht hat, hat er recht"
Nach dem Auftritt von Merz folgte Bundeskanzler Olaf Scholz. Kurz standen die beiden Politiker gemeinsam in der "Wahlarena". Auf die Frage von Moderator Louis Klamroth, ob die beiden vielleicht nach der Bundestagswahl einer gemeinsamen Regierung angehören könnten, antwortete Merz direkt mit "Nein". Das könne er ausschließen. Scholz lachte und pflichtete bei: "Wo er recht hat, hat er recht. Ich will Kanzler bleiben, er will es werden."
Auf die Frage einer älteren Frau aus dem Publikum nach der Sicherung der Rente antwortete Scholz, dass die gesetzliche Rente garantiert werden könne. Er begründete das damit, dass mehr Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten würden als früher. Den zahlreichen Experten, die in Talkshows anzweifeln würden, dass das Rentenniveau gehalten werden könne, erteilte er eine Absage, sie würden irren, so Scholz. Ein jüngerer Zuschauer hakte noch einmal nach und warf Scholz vor, sich auf "politische Floskeln" zurückzuziehen.
Scholz: "Gerader Rücken" hilft bei Umgang mit Trump
Scholz empfahl bei seinem Auftritt eine klare Haltung gegenüber dem US-Präsidenten Donald Trump. Man müsse die Beziehungen zu den USA bestmöglich gestalten. "Das ist seit Jahrzehnten auch ein Stück Lebensversicherung für Deutschland", sagt der SPD-Politiker.
Trotzdem müsse man zurückweisen, wenn sich etwa ein US-Vizepräsident in den deutschen Wahlkampf einmische und sage, extrem rechte Parteien seien nicht so schlimm. Das gelte auch für den Streit um Strafzölle. "Gerader Rücken hilft auch in dieser Sache", betonte Scholz. Deshalb habe er sich zudem sofort als Regierungschef des größten EU-Staats öffentlich kritisch geäußert, als der US-Präsident Anspruch auf Grönland erhoben habe. "Ich glaube, wenn wir mit dieser Haltung da rangehen, können wir gemeinsam Politik entwickeln", sagt er.
Weidel bekennt sich zur Einwanderung ausländischer Fachkräfte
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel stellte bei ihrem Auftritt klar: "Wir fordern nicht den Austritt aus den EU." Vielmehr müsse es eine Rückverlagerung der Kompetenzen aus Brüssel in die nationalen Parlamente geben, so Weidel. Entscheidungen wie etwa das Verbrenner-Aus dürften nicht von Institutionen getroffen werden, die demokratisch nicht gewählt und damit nicht legitimiert seien.
Auf die Frage eines Zuschauers im TV-Studio, der sich als katholischer Krankenhauspfarrer aus Kiel vorstellte. Der Fragesteller äußerte die Sorge, dass die AfD mit ihrer harschen Rhetorik und ihrer Forderung nach "Remigration" dringend benötigte Pflegefachkräfte aus dem Ausland verunsichere. "Ihre Partei verschreckt junge Pflegende", sagte der Mann an Weidel gewandt.
"Wir brauchen eine qualifizierte Zuwanderung, das ist enorm wichtig", sagte Weidel. Aber betonte auch: "Illegale sind in unserem Land nicht mehr willkommen. Wir werden sie ausweisen." Die AfD-Politikerin räumte ein, dass ihre Partei fordere, dass geduldete Zuwanderung ohne Asylrecht keine Arbeit und keinen Ausbildungsplatz annehmen könnten. Dies gelte auch für Geduldete, die eine Pflegeausbildung machen, sagte sie auf Nachfrage.
Gleich mehrere Zuschauer fragten Weidel nach der Vereinbarkeit ihres eigenen Lebensentwurfs mit dem Programm der AfD. Weidel lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einer Frau. Die beiden haben gemeinsam mehrere Kinder. Weidel verteidigte das Leitbild ihrer Partei von einer Familie bestehend aus Vater, Mutter und Kindern. Auch sie selbst setze sich dafür ein. Sorgen, dass ihre Partnerschaft von ihrer Partei infrage gestellt würde, mache sie sich nicht, auch wenn "gleichgeschlechtliche Partnerschaften" im Wahlprogramm nicht vorkämen.
Stattdessen sprach sie sich dafür aus, dass eingetragene Lebenspartnerschaften mit dem Rechtsstatus der Ehe gleichgesetzt werden sollten. "Warum sollten ich und meine Frau nicht steuerlich gleichgestellt sein wie in einer normalen Ehe?"
Habeck: "Das ist ungerecht"
Als letzter Kandidat stellte sich Grünen-Politiker Robert Habeck den Fragen. Dabei betonte er die Notwendigkeit einer Rentenreform und zeigte sich auf Nachfrage offen dafür, dass künftig auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen. Auf die Frage, warum dies nicht so sei, räumte Habeck ein: "Das ist ungerecht." Es sei durchaus möglich, das zu ändern. Wegen bestehender Rechtsansprüche wäre dies aber nicht billig zu haben. Es sei unseriös, höhere Renten zu versprechen, da es schon schwer genug sei, das aktuelle Niveau zu halten, so Habeck.
Gleich mehrere Fragen an Habeck drehten sich um den Bereich Wohnen, Bauen und Sanieren. Habeck gestand ein, dass die Ampelkoalition es versäumt habe, mit einem Konjunkturpaket auf die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre zu antworten. So etwa hätten Vorgängerregierungen immer gemacht, etwa mit der "Abwrackprämie".
Der Grünen-Spitzenkandidat sagte weiter, dass die Wahl am kommenden Sonntag eine "echte Klimawahl" sei, das Thema im Wahlkampf aber zu kurz gekommen sei. Er kritisierte in dem Zusammenhang auch Merz für dessen zuvor in der Sendung erhobenen Forderung nach "Technologieoffenheit" in den Bereichen Verkehr und Heizen. "Hinter dem Wort 'technologieoffen' verbirgt sich der Angriff auf die Klimaziele", sagte Habeck. "Es ist eine Schimäre, ein trojanisches Pferd, das nicht meint, was es sagt." Habeck betonte etwa, dass trotz des Verbrenner-Aus bei Neuwagen ab 2035 alle anderen Antriebsarten frei gewählt werden dürften.
In den kommenden Tagen stehen noch weitere Fernsehauftritte der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl an. Am Mittwoch treffen Merz und Scholz bei Welt-TV aufeinander. Am Freitag richten ARD und ZDF die größte Runde aus. Neben den vier Kandidaten von Montag sind dann auch noch Sahra Wagenknecht (BSW), Jan von Aken (Linke) und Christian Lindner (FDP) dabei. Am Samstag, dem Vorabend der Wahl, sind dann erneut Merz, Scholz, Weidel und Habeck zu sehen, dann bei Pro7.
- Eigene Beobachtungen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa