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Ukraine-Krieg im Wahlkampf: Wo sich Scholz und Merz ähneln


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Ukraine-Krieg im Wahlkampf
Jetzt tun sie es doch


11.12.2024 - 12:19 UhrLesedauer: 6 Min.
Jetzt entscheidet das Duell zwischen Scholz und Merz.Vergrößern des Bildes
"Russisch Roulette" versus "Angst vor Putin": Scholz (l.) und Merz (r.) werfen sich gegenseitig einen falschen Ukraine-Kurs vor. (Quelle: Hannes P. Albert/dpa)
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Mit ihren Kiew-Reisen haben Scholz und Merz den Ukraine-Krieg ins Zentrum des Wahlkampfs gerückt. Der CDU-Chef wirft dem Kanzler vor, Atomangst zu schüren und die Ukraine nur zögerlich zu unterstützen. Aber macht es Merz besser?

Erst Kiew, dann Warschau: CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hat auf seiner Osteuropa-Reise außenpolitische Akzente gesetzt. Seinen Kiew-Besuch nutzte Merz, um die groben Linien seiner Ukraine-Politik zu skizzieren und sich von Olaf Scholz abzugrenzen. Der Kanzler und Kanzlerkandidat der SPD war selbst vergangene Woche überraschend in die Ukraine gereist – wohl nicht ganz zufällig kurz vor dem CDU-Herausforderer.

Dass angesichts des unverhofften Besucherstroms aus Deutschland selbst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von einer "Deutschland-Woche" spricht, zeigt vor allem eines: Der Ukraine-Krieg ist zu einem zentralen Wahlkampfthema geworden. Obwohl beide Kanzlerkandidaten seit Wochen betonen, den Ukraine-Krieg aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten zu wollen, tun sie ziemlich genau das Gegenteil.

Viel anderes bleibt ihnen auch nicht übrig. Die weltpolitischen Ereignisse überschlagen sich, und andere Länder nehmen keine Rücksicht auf den deutschen Wahlkalender. Spätestens mit Donald Trumps Wiedereinzug ins Weiße Haus am 20. Januar könnten Fakten geschaffen werden, mit denen die künftige Bundesregierung umgehen muss. Trump hatte zu einem Waffenstillstand aufgerufen und angekündigt, den "Wahnsinn" zu beenden.

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Ob das gelingt oder nicht, muss sich zeigen. Klar ist aber: Deutschland muss sich auf eine völlig neue Ausgangslage einstellen. Nur wie? Hier verfolgen Scholz und Merz teils unterschiedliche, teils ähnliche Konzepte.

Die strategische Lücke des Kanzlers

Die Ukraine-Politik des Kanzlers fußt auf einigen Grundpfeilern, die seit Invasionsbeginn mehr oder weniger gleich blieben. Er legte sie etwa im Mai 2024 in einem Artikel im "Economist" dar. Die wichtigsten: Scholz will eine Eskalation zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland unbedingt vermeiden. Dafür zieht er auch rote Linien, etwa bei weitreichenden Waffen. Auch betont Scholz stets, die Ukraine-Unterstützung dürfe nicht zu weit gehen, um die Zustimmung der Bevölkerung nicht zu verlieren. Sonst, so Scholz' Furcht, wählten die Menschen Populisten.

Was Scholz darum häufig vorgeworfen wird: Er sage nur, was er nicht wolle, aber nicht, was er vorhabe, also was das Ziel seiner Ukraine-Politik ist.

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Das ließ sich in seinen letzten Reden auf deutschen Wahlkampfbühnen, in denen er ausgiebig über die Ukraine sprach, gut beobachten: Scholz lobte sich für die Menge der gelieferten Waffen – Deutschland ist zweitgrößter Unterstützer weltweit in absoluten Zahlen – erklärte aber nicht, was ihr Zweck ist. Sollen die deutschen Waffen dabei helfen, die Ukraine gerade so am Leben zu halten, wie Kritiker sagen? Oder Kiew in eine stärkere Verhandlungsposition mit Russland bringen? Unklar. Klar ist nur, dass sie wohl kaum eine neue ukrainische Offensive flankieren sollen, wie noch im Jahr 2023, als noch Hoffnung auf eine Befreiung der besetzten Gebiete bestand.

Scholz sagt, Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Aber wie ein russischer Sieg zu definieren ist, und wie Scholz gedenkt, diesen zu verhindern, verrät er nicht.

Friedrich Merz ist in diesem Punkt zumindest klarer. "Wir müssen alles tun, um die Ukraine in die Lage zu versetzen, ihr Recht auf Selbstverteidigung wahrzunehmen, ohne Einschränkung", so der CDU-Chef in Kiew. Russland müsse die Aussichtslosigkeit erkennen, diesen Krieg fortzusetzen, doch sei die Ukraine derzeit dazu gezwungen, "mit einem Arm auf dem Rücken festgebunden" zu kämpfen.

Das Merz-Ultimatum

"Ohne Einschränkung" – mit diesen zwei Worten gibt Merz den Anti-Scholz und signalisiert der Ukraine, die deutschen Militärhilfen auszuweiten. Gemeint ist dabei vor allem der deutsche Marschflugkörper Taurus, den die Ukrainer seit Langem fordern und dessen Lieferung Scholz strikt ablehnt. Der Kanzler will die hochpräzise Lenkwaffe mit über 500 Kilometern Reichweite nicht in die Hände der ukrainischen Armee geben. Zugleich schließt er aus, dass deutsche Soldaten die Zielsteuerung übernehmen könnten.

Scholz' Befürchtung: Putin könnte infolge der Taurus-Lieferung den Krieg auf unberechenbare Weise eskalieren. Außerdem sieht Scholz innenpolitische Risiken: Eine Beteiligung deutscher Soldaten an der Bedienung der Waffe könnte als Militäreinsatz gewertet werden, was laut Grundgesetz die Zustimmung des Bundestags erfordert. Abgeordnete der AfD oder des BSW könnten vor das Verfassungsgericht ziehen und so die Bevölkerung in der Ukraine-Frage weiter polarisieren.

Merz verspricht hier einen Kurswechsel: Bei seinem Kiew-Besuch am Montag machte er erneut klar, dass er dem ukrainischen Taurus-Wunsch als Kanzler nachkommen würde. "Wir wollen Ihre Armee in die Lage versetzen, Militärbasen in Russland zu erreichen", sagte Merz zu Selenskyj. Keine zivilen Ziele, betonte der deutsche Oppositionsführer, aber die militärischen, von denen aus die Ukraine bekämpft werde.

Merz' Kniff: Er verbindet die Taurus-Frage mit einer konkreten Forderung in Richtung Moskau. Russland müsse die Bombardierung der zivilen Infrastruktur in der Ukraine beenden, sonst könnte Deutschland den Taurus liefern – eine Art Ultimatum, das Merz nicht so verstanden wissen will, aber im Grunde genau das ist. Ob sich damit der Druck auf Putin erhöhen und ein Ende des Raketenterrors erzwingen lässt, ist zwar längst nicht ausgemacht. Aber Merz skizziert immerhin einen möglichen Hebel, um Gespräche mit Russland in Gang zu bringen und die Gewalt einzudämmen.

Der CDU-Chef will zudem eine europäische Kontaktgruppe ins Leben rufen, um die Militärhilfen der EU-Staaten zu koordinieren, falls die USA unter Trump ihre Hilfe drastisch kürzen. Auch hier trifft Merz einen wunden Punkt von Scholz, der sich mit seiner Ukraine-Politik in Europa zuletzt immer stärker isolierte.

Mit Trump kompatibel

Die SPD hatte viel Mühe darauf verwendet, Merz für sein Taurus-Ultimatum als Sicherheitsrisiko für Deutschland darzustellen. Scholz sprach sogar von einem "Russisch Roulette", das Merz spiele und das gar zum Atomkrieg führen könnte.

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Doch den CDU-Chef als gewissenlosen Kriegstreiber hinzustellen, könnte die nächsten Wochen noch weniger überzeugend wirken. Denn nicht nur betont Merz, "alles" dafür zu tun, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Auch liegt er mit seiner Idee, die ursprünglich vom deutschen Diplomaten Wolfgang Ischinger stammt, gar nicht so weit entfernt vom Plan des designierten US-Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg.

Trumps künftiger Ukraine-Berater will Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch zwingen, indem er beide vor harte Bedingungen stellt: Sollte Kiew sich Gesprächen verweigern, könnte Washington die Waffenhilfe einstellen; und sollte Moskau sich weigern, würden die Waffenlieferungen an die Ukraine deutlich ausweitet werden. Ob Scholz auch Trumps Leuten vorwerfen würde, "Russisch Roulette" zu spielen? Unwahrscheinlich.

"Das darf Deutschland nicht tun"

Doch sosehr sich Scholz und Merz darum bemühen, im Wahlkampf als unterscheidbar wahrgenommen zu werden, sind sie sich in einigen Punkten näher, als sie den Eindruck erwecken. Bei der Frage etwa, ob auch deutsche Friedenstruppen nach einer Waffenruhe den von Kiew kontrollierten Teil der Ukraine absichern könnten, geben sich beide bedeckt. Merz nannte einen entsprechenden Vorstoß von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zwar "unverantwortlich", schloss aber nicht aus, dass es irgendwann dazu kommen könnte. Auch Scholz ließ sich vor Kurzem im Bundestag eine Hintertür offen.

Auch bei der Gefahr einer Eskalation des Kriegs scheint Merz einige Sätze aus dem Kanzlerhandbuch entlehnt zu haben. Zwar wirft Merz Scholz vor, bei den Menschen in Deutschland Atomangst zu schüren. Aber auch der CDU-Chef beschwört eindringlich, Deutschland dürfe nicht zur Kriegspartei werden. Er dürfte dabei auch den besorgten Teil der deutschen Bevölkerung im Blick haben. Und wie Scholz zieht Merz die Linie beim Marschflugkörper Taurus und der Frage, ob deutsche Soldaten die Ukrainer bei der Zielsteuerung unterstützen dürfen.

Fast wortgleich zu Äußerungen von Olaf Scholz in der Vergangenheit sagte Merz am Montag im ZDF: "Das darf Deutschland nicht tun, das dürfen auch deutsche Soldaten nicht tun. Das würde uns an den Rand einer Kriegsbeteiligung bringen." Stattdessen sollen Merz zufolge ukrainische Soldaten selbst die Steuerungsdaten eingeben, wozu eine mehrmonatige Ausbildung notwendig sei.

Hier endet die Nähe zu Scholz: Folgt man Merz' Äußerungen, würde das ukrainische Militär über die Zielauswahl beim Taurus allein entscheiden. Damit besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass damit auch Ziele weit hinter der Front getroffen werden können. Genau das hatte Scholz immer ausgeschlossen, in der Befürchtung, die Ukraine könnte in einer militärisch ausweglosen Situation den Taurus nach Moskau feuern – entgegen voriger Absprachen. Ob Merz das mitgedacht hat?

Verwendete Quellen
  • economist.com: Olaf Scholz on why Vladimir Putin’s brutal imperialism will fail
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