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Deutschlandticket: Warum das die beste Idee der Ampelkoalition war


Millionen profitieren davon
Schafft Merz die beste Ampel-Idee wieder ab?

MeinungVon Julian Seiferth

23.02.2025 - 09:48 UhrLesedauer: 3 Min.
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Omid Nouripour (Grüne), Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP) und Saskia Esken (SPD) im Jahr 2022. (Quelle: IMAGO/Frederic Kern)
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Millionen Menschen nutzten erst das Neun-Euro-Ticket und nun seinen Nachfolger, das Deutschlandticket. Eine bestechend einfache Idee – aber eine so gute.

"Es ist eine Scheiß-Idee, sage ich Ihnen. Eine Scheiß-Idee, Herr Seiferth!" Das waren die ersten Worte, die mir ein Leser im Sommer 2022 entgegenschleuderte. Kurz zuvor hatte ich am Bahnhof der oberpfälzischen Kleinstadt Weiden Bahnfahrer interviewt. Fast alle hatten sich das damals brandneue Neun-Euro-Ticket zugelegt, die wenigsten von ihnen waren zuvor Bahn-Fans gewesen. Klingt wie eine Erfolgsgeschichte. Doch der Leser, der mich am darauffolgenden Tag anrief, war wenig begeistert.

Auch er war am Vortag mit seiner Frau am Weidener Bahnhof gewesen, auf der Rückreise vom Münchner Flughafen, wo die beiden nach einer Japan-Reise gelandet waren. So etwas wie auf dieser Fahrt wolle er "nie wieder erleben". Der Zug sei voll gewesen, besonders mit jungen Leuten. Laut seien die gewesen – und als die zweite Klasse voll war, hatte der Zugbegleiter einige von ihnen sogar in die erste Klasse, wo der Leser mit seiner Frau war, gesetzt. "Ich hoffe, der Spuk hat bald ein Ende!", rief er in den Hörer. Sonst würde die Bahn ihn als Kunde verlieren.

Der Spuk wurde zwar teurer – doch ein Ende fand er nicht, wohl sehr zum Missfallen des Lesers. Und doch waren das Neun-Euro-Ticket und sein Nachfolger, das Deutschlandticket, eine der besten verkehrspolitischen Ideen, die in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten umgesetzt wurden.

Der Erfolg traf die Bahn unvorbereitet

Denn dass die Regionalzüge nun voll sind, ist ja kein Ausweis einer schlechten Idee, sondern vielmehr der Tatsache, dass die Deutsche Bahn auf ihren eigenen Erfolg nicht vorbereitet war. Und wie sollte sie es auch sein, nachdem der Nahverkehr besonders auf dem Land jahrzehntelang keine Priorität gehabt hatte?

52 Millionen Neun-Euro-Tickets wurden in den drei Monaten, in denen es das Ticket gab, verkauft. Mindestens jeder zehnte Abonnent soll aufgrund der Nutzung auf mindestens eine Autofahrt am Tag verzichtet haben – ein massiver ökologischer Effekt. Dass die Ampel das Ticket zwar verteuert, aber ab Mai 2023 wenigstens wieder eingeführt hat, ist einer der größten politischen Erfolge dieser Regierung – wenn nicht gar der größte. Dass Politiker von CDU und CSU das Ticket nun bereits vor der Wahl infrage stellen, ist Anlass zur Sorge für viele: Anfang 2024 nutzten 38 Prozent der Hamburger das Ticket, 31 Prozent der Berliner.

Die Bahn ist nicht das, was sie sein müsste

Doch nicht nur in der Großstadt profitieren die Menschen: Bis Dezember 2024 kostete das Deutschlandticket 49 Euro, seit Januar 2025 58 Euro. Von Weiden in der Oberpfalz nach Nürnberg und zurück fährt man mit dem Regionalexpress jeweils eine Stunde und neun Minuten – und zahlt zusammengenommen 60,20 Euro. Anders gesagt: Selbst für 58 Euro rechnet sich das Deutschlandticket auch auf dem Land für jemanden, der lediglich einmal im Monat – beispielsweise für einen Stadionbesuch – in die nächstgelegene Großstadt und wieder nach Hause fährt. Es ist so eine einfache Idee, aber eine, die Millionen von Menschen das Leben einfacher und – nicht unwichtig – bezahlbarer macht.

Oft mag man dem Leser zustimmen, der vor fast drei Jahren wütend erklärte, warum das Neun-Euro-Ticket eine "Scheiß-Idee" war – beispielsweise, wenn man zu Weihnachten in Nürnberg aus dem ICE steigt und aus der Großstadt in die oberfränkische Provinz zur Familie fährt. In einen Zug, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gnadenlos überfüllt sein wird, voll mit Menschen, die sich diese Mobilität vorher nicht leisten konnten.

Machen wir uns nichts vor: Es gibt Momente, da ist diese Zeit im RE32 in Richtung Bayreuth grauenvoll. Die Bahn ist, besonders auf dem Land, nicht das, was sie sein sollte, sein müsste. Nur: Vor dem Deutschlandticket, das viele im Alltag inzwischen ohnehin nutzen, kostete diese einfache Fahrt nach Bayreuth 15 Euro. Der Gedanke, dass man heute wenigstens nicht mehr den Gegenwert von fünf Paar Nürnberger Bratwürsten hinlegen muss, ist also ziemlich tröstlich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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