Reaktionen auf Rücktritt von FDP-Generalsekretär "Unvorstellbar, dass Lindner nichts gewusst hat"
Nach dem provozierten Ampel-Aus stürzt die FDP immer mehr ins Chaos. Erste Reaktionen auf den Rücktritt von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordern, dass auch Christian Lindner Verantwortung übernimmt.
Im Zuge der Veröffentlichung von Strategiepapieren zum Ampel-Aus ist FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai von seinem Amt zurückgetreten. Nach ersten Medienberichten hatte er noch am 18. November die Verwendung der besonders kritisierten "D-Day"-Formulierung bestritten.
Kritik von den ehemaligen Koalitionspartnern – und Fragen zu Lindner
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat den Rücktritt von Djir-Sarai als "durchschaubares Bauernopfer" bezeichnet. Der Schritt sei erfolgt, "um die Verantwortung von FDP-Chef Christian Lindner abzulenken", sagte Miersch der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Zunächst wurde die Schuld auf einfache Mitarbeiter geschoben, dann auf den Bundesgeschäftsführer – und nun der Generalsekretär."
Scheibchenweise neue Details bekannt zu geben, reiche aber nicht aus, betonte der SPD-Generalsekretär. "Die entscheidende Frage bleibt: Welche Rolle hat Christian Lindner selbst in diesen Plänen gespielt? Eine glaubwürdige Erklärung der FDP-Führung ist überfällig. Die Wahrheit wird so oder so ans Licht kommen."
Angesichts der Tatsache, dass Lindner bei den Strategietreffen in Potsdam dabei gewesen sei, sei es "unvorstellbar, dass der FDP-Chef nichts von den Plänen gewusst hat", sagte Miersch. Auffällig sei außerdem das eklatante Schweigen der CDU zu den Vorgängen. "Heißt Schweigen Zustimmung?", fragte Miersch.
Linnemann bedauert Rücktritt
Auch die Grünen machen einen ähnlichen Punkt: Die Bundestagsabgeordnete Misbah Khan attackierte in einem Post auf der Social-Media-Plattform Bluesky Lindner und fragt nach seiner Glaubwürdigkeit: "Eigenverantwortung ist das Mantra von Christian Lindner: beim Bürgergeld, beim Klimaschutz, bei eigentlich allem. Nur wenn es um seine eigene Verantwortung geht, delegiert er sie plötzlich an seinen Generalsekretär. Glaubwürdigkeit? Fehlanzeige."
Der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnenmann, bedauerte dagegen den Rückzug seines Amtskollegen der FDP. "Der Rücktritt von Bijan Djir-Sarai ist ein herber Verlust für die FDP", sagte Linnemann dem Nachrichtenmagazin "Stern". "Ich habe ihn stets als zuverlässigen Gesprächspartner und Kollegen kennengelernt und schätze ihn menschlich sehr", sagte Linnemann weiter.
Brandenburgs FDP-Chef kritisiert Wortwahl
Brandenburgs FDP-Chef Zyon Braun hält den Rücktritt des Generalsekretärs nach Bekanntwerden des Strategiepapiers zum Ausstieg aus der Ampelkoalition für folgerichtig. "Der Rücktritt von Bijan Djir-Sarai ist konsequent und zeigt die Übernahme der politischen Verantwortung", sagte Braun der Deutschen Presse-Agentur. "Ich war überrascht von der Existenz des Papiers, das mir nicht bekannt war. Ich bin auch überrascht über die Transparenzoffensive, die die Partei gestartet hat."
Braun kritisierte die Wortwahl in dem Papier. "Den Begriff der offenen Feldschlacht finde ich unglücklich. Ich finde ihn auch mit Blick auf die Inhalte nicht passend", sagte Braun. "Der Begriff D-Day ist mir nicht erklärlich."
"Einige der verwendeten Begrifflichkeiten inakzeptabel"
Ähnlich äußert sich der stellvertretende Landesvorsitzende der Südwest-FDP, Hans-Ulrich Rülke. "Es ist respektabel, aber auch unausweichlich, dass der Generalsekretär die politische Verantwortung für dieses Papier übernommen hat", sagte er der dpa. Die Tatsache, dass es zu dieser Wortwahl gekommen und die Öffentlichkeit falsch informiert worden sei, habe nicht ohne Konsequenz bleiben können.
Das Auftauchen des Papiers habe ihn überrascht. "Mir wurde mehrfach auf Nachfrage versichert, dass es ein solches Papier und ein solches Wording nicht gebe." Außerdem betonte Rülke: "Ich halte einige der verwendeten Begrifflichkeiten für inakzeptabel." Die Affäre belaste den Wahlkampf der FDP. "Sie muss aufgearbeitet werden und es müssen auch Konsequenzen gezogen werden."
Bijan Djir-Sarai hat nach Ansicht der Spitze der Bayern-FDP die Glaubwürdigkeit der Partei beschädigt. "Als FDP Bayern begrüßen wir den Rücktritt von Bijan Djir-Sarai vom Amt des Generalsekretärs. Die wichtigste Währung in der Politik ist Glaubwürdigkeit. Diese wurde durch die Vorgänge und die Kommunikation rund um das Ampel-Aus beschädigt", teilten die bayerischen FDP-Vorsitzenden Katja Hessel und Martin Hagen sowie der Generalsekretär der FDP Bayern, Christoph Skutella, in München mit.
Kemmerich fordert Ostdeutschen als Generalsekretär
Der thüringische FDP-Chef und umstrittene Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich forderte im Gespräch mit der dpa, den nun freigewordenen Posten des Generalsekretärs mit einem ostdeutschen Parteimitglied zu besetzen. Weitere Debatten über das Personal brächten bis zur Bundestagswahl hingegen nichts, sagte er. Danach würden sich aber Fragen zum Personal und zur generellen Ausrichtung der Partei stellen.
Nach den neuen Veröffentlichungen hatte ihn Parteichef Christian Lindner in einem Interview mit der "Rheinischen Post" in Schutz genommen – auch innerhalb der Partei gab es aber Kritik. Die Vorsitzende der parteieigenen Jugendorganisation Junge Liberale, Franziska Brandmann, hatte in einem Post auf Instagram geschrieben: "Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, habe ich den Generalsekretär als Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten."
- Mit Materialien der Nachrichtenagentur dpa
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