Interne Debatte über Scholz Da gerät etwas ins Rutschen
Bislang hat die SPD ihren Kanzlerkandidaten noch nicht nominiert. Dabei hätte es schon Gelegenheit dazu gegeben. Liegt es am Grummeln in der Partei?
Keine Frage, der Wahlkampf hat rasant an Fahrt aufgenommen. Das Ende der Ampel ist seit nicht mal einer Woche besiegelt, der politische Zoff scheint bereits zu eskalieren. Oppositionschef Friedrich Merz wirft Kanzler Olaf Scholz im Bundestag vor, eine Rede gehalten zu haben, die "nicht von dieser Welt" sei. Der CDU-Vorsitzende spottete angesichts der Regierungserklärung von einer "Geisterstunde".
Auch Markus Söder lässt keine Gelegenheit aus, gegen Scholz zu sticheln. "Er wird nach dieser Wahl nicht mehr Kanzler sein", sagte der CSU-Chef bei "Maischberger".
Derweil nimmt die Debatte über den Noch-Kanzler auch in der SPD Fahrt auf. So spricht sich der frühere Thüringer SPD-Landesvorsitzende und Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein klar für Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten aus. "Wir leben in einer Zeit, in der Personen Parteien ziehen", sagte Bausewein dem Magazin "Stern". "Wenn die SPD eine Chance haben will, die Union zu besiegen, dann heißt unsere beste Chance Boris Pistorius."
Bausewein fordert "nüchterne Abwägung"
Rückenwind bekommt die Diskussion auch von einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa am 7. November durchgeführt hat. Demnach sind nur 13 Prozent der Bundesbürger der Meinung, die Sozialdemokraten sollten mit Scholz als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen. 57 Prozent meinen dagegen, Pistorius sei die bessere Wahl.
Bislang genießt Scholz jedoch noch den Rückhalt der Partei- und vor allem der Fraktionsspitze. Auch wenn deren Chef Rolf Mützenich im ZDF-"heute journal" anmerkte, dass er durchaus ein gewisses "Grummeln" in der Partei vernimmt. "Natürlich gibt es auch diese Stimmen", so Mützenich. Gerät da etwas ins Rutschen?
Wie groß das interne Grummeln schon ist, das deutet ein weiteres Ergebnis der Forsa-Umfrage an, die kurz nach dem Scheitern der Ampel erhoben wurde. Demnach sind auch in der SPD selbst nur 30 Prozent für Scholz als Kanzlerkandidaten. Fast doppelt so viele Sozialdemokraten (58 Prozent) wünschen sich hingegen Verteidigungsminister Pistorius für den anstehenden Winterwahlkampf.
Der frühere Thüringer Landesparteichef Bausewein stellt daher eine Frage, die sich offenbar viele in der Partei stellen: "Was nützt dem Land und der Partei am meisten?" Dies bedeute keine Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz, so Bausewein, sondern eine "nüchterne Abwägung".
Er verwies darauf, dass die Zeit drängt. "Wir haben nur wenige Wochen Zeit bis zum Beginn des heißen Wahlkampfes, deshalb brauchen wir eine schnelle Entscheidung für Boris Pistorius", sagte der 51-jährige SPD-Politiker. Er hoffe sehr, dass er zur Verfügung steht: "Ich kenne viele Sozialdemokraten, die das genauso sehen wie ich." Er fügte hinzu: "In Thüringen dürfte dies Mehrheitsmeinung sein."
Söder: Scholz müsste eigentlich aufhören
Auch der SPD-Landrat des thüringischen Landkreises Nordhausen, Matthias Jendricke, sprach sich für Pistorius aus. "Wenn die SPD in der glücklichen Lage ist, einen populären Kandidaten zu haben, der deutlich beliebter als Merz ist, dann wäre es doch fahrlässig, diese Chance nicht zu nutzen", sagte er dem Magazin "Stern". "Wir müssen auf den Kandidaten setzen, mit dem wir gewinnen können. Und das ist Boris Pistorius, aber nicht Olaf Scholz, der im Übrigen ein guter Kanzler war."
Und der SPD-Vorsitzende der Stadt Osnabrück, Robert Alferink, meint im "Spiegel": "Seit Tagen werden die Stimmen lauter, die sich für Boris als Kanzlerkandidaten aussprechen." Pistorius war von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. Sogar aus Hamburg, wo Olaf Scholz jahrelang Bürgermeister war, wurde zuletzt Unterstützung für Pistorius laut.
Für CDU/CSU scheint die Kanzlerkandidaten-Debatte gerade recht zu kommen. Sie attackiert Scholz genüsslich. "Nach einer so schwachen Bilanz müsste man eigentlich aufhören", sagte der bayerische Ministerpräsident Söder bei RTL Direkt. "Dann zu sagen, ich mache weiter, ich habe einen Anspruch, das passt nicht in die Zeit (…) Er könnte den Übergang organisieren, so wie Joe Biden das gemacht hat."
Erstmals wird es in einem Wahlkampf vier Kanzlerkandidaten geben. Neben Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) noch Friedrich Merz (CDU). Nur beim amtierenden Kanzler Scholz ist noch nicht klar, wann er sich offiziell zum Kanzlerkandidaten der SPD küren lässt. Die Parteispitze beteuert zwar, dass er es zweifellos wird. Der Vorstand verzichtete aber in seiner ersten Sitzung nach dem Ampel-Aus am Montag darauf, ihn formell zu nominieren – und ließ damit die innerparteiliche Debatte weiterlaufen, ob er der richtige Kandidat ist.
- Vorabmeldung des "stern"
- Vorabmeldung von RTL/ntv
- sueddeutsche.de: SPD: Bloß keine Pistorius-Debatte
- spiegel.de: Sozialdemokraten in mehreren Ländern wünschen sich Pistorius als Kanzlerkandidaten (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters