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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wagenknecht lobt Österreichs Rentenpolitik "Eine Schande für unser Land"
Neben Migration und Frieden ist das Rentensystem in Deutschland ein großes Thema für das BSW. Deren Vorsitzende Sahra Wagenknecht lobt jetzt den Nachbarn Österreich – einfach vergleichen lassen sich die Systeme aber nicht.
Es sind Zahlen, die viele Rentner in Deutschland neidisch machen werden. Im Nachbarland Österreich bekommt ein Rentner durschnittlich gut 1.000 Euro mehr ausgezahlt als sein deutscher Nachbar. Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages hervor, das t-online vorliegt.
Die Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, fordert deshalb, sich Österreich als Vorbild für das deutsche Rentensystem zu nehmen. "Die Unterschiede bei den Renten zwischen Österreich und Deutschland sind eine Schande für unser Land", sagte sie dem Nachrichtenportal t-online. "Wenn Männer hierzulande im Schnitt über 1.000 Euro weniger Rente im Monat bekommen als in Österreich, dann ist das blamabel für das deutsche Rentensystem und die Rentenpolitik der letzten Jahre."
Doch ganz so einfach ist es nicht. Die beiden Nachbarn gehen trotz vieler kultureller Gemeinsamkeiten in Sachen Rente sehr unterschiedliche Wege – das macht diesen Vergleich aber nicht weniger interessant.
Der offensichtlichste Unterschied der beiden Altersvorsorgesysteme steckt direkt im Namen. In Österreich kassieren Ruheständler keine Rente, sondern "Pensionen". Das kennt man in Deutschland nur von den Beamten. Auch in Österreich sind diese beiden Systeme getrennt, Beamte haben also eine eigene Altersvorsorge, doch die ist stark an die staatlichen Pensionen der "normalen Arbeitnehmer" angelehnt.
Unterschiede bei Einzahlern, Wartezeit und Beitragssatz
Ein großer Unterschied zwischen Deutschland und Österreich ist unter anderem, dass auch die Selbstständigen in die staatlich garantierte Altersvorsorge einzahlen. In Deutschland müssen sich Selbstständige privat absichern. Österreich setzt insgesamt viel weniger auf die private Altersvorsorge, auf die sich Deutschland zur Jahrtausendwende fokussiert hat.
Ein weiterer wichtiger Unterschied: In Österreich erhält man erst dann eine Rente, wenn man mindestens 15 Jahre lang Beiträge gezahlt hat. Wer das nicht schafft, geht komplett leer aus. In Deutschland beträgt diese sogenannte Wartezeit nur fünf Jahre. Das heißt: In der Statistik finden sich auch Renten von Menschen, die nur wenige Jahre versichert waren und deshalb niedrige gesetzliche Renten beziehen. Das drückt den Schnitt nach unten.
Auch ist der Beitragssatz zur österreichischen Rentenversicherung mit 22,8 Prozent deutlich höher als in Deutschland, wo 18,6 Prozent des Bruttogehalts in die Rentenkasse fließen. Anders als hierzulande teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Österreich den Rentenbeitrag nicht hälftig, sondern der Arbeitgeber übernimmt mehr.
1.000 Euro mehr bei den Männern
All diese Unterschiede führen dazu, dass die reinen Zahlen stark voneinander abweichen. Wie aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hervorgeht, liegen die an Männer gezahlten Rentenbeträge in Deutschland bei durchschnittlich 1.348 Euro. In Österreich sind es im Durchschnitt 2.358 Euro, ein Plus von mehr als 1.000 Euro.
Bei den Frauen ist der Unterschied geringer, mit mehr als 500 Euro aber deutlich spürbar. So bekommen Frauen in Deutschland im Durchschnitt 908 Euro Rente, in Österreich 1.462 Euro Alterspensionen. Und das, obwohl die Frauen in Österreich fast vier Jahre früher aufhören zu arbeiten. Nämlich mit knapp 61 Jahren. Die langjährig versicherten Frauen und Männer zusammen bekommen somit in Deutschland 823 Euro weniger als in Österreich.
Der große Unterschied erklärt sich auch dadurch, dass in Österreich 14-Jahres-Pensionen ausgezahlt werden, in Deutschland sind es nur 12. Um auf die gleiche Altersvorsorge in Deutschland zu kommen, müssen Arbeitnehmer privat vorsorgen.
Wagenknecht wettert gegen Generationenkapital
Das BSW fordert eine Anpassung des Rentensystems in Deutschland: "Anstatt die Rente auf dem Börsenparkett zu verspielen, sollte die Bundesregierung bei unserem Nachbarn abschreiben", sagt Sahra Wagenknecht t-online. Sie bezieht sich damit auf das geplante Generationenkapital, mit dem die Bundesregierung die bisher rein umlagefinanzierte gesetzliche Rente um eine sogenannte Kapitaldeckung ergänzen will. Das heißt: Jedes Jahr sollen mehrere Milliarden Euro am Kapitalmarkt investiert und die Erträge genutzt werden, um künftig die Renten mitzufinanzieren. Mit Spielerei hat diese als langfristig, breit und global gestreut konzipierte Geldanlage jedoch nichts zu tun. Mehr dazu lesen Sie hier.
Aus Sicht von Wagenknecht sollte die Bevölkerung über künftige Änderungen bei der Rente parallel zur kommenden Bundestagswahl abstimmen können. "Die Deutschen sollten sich nicht länger mit EU-weit unterdurchschnittlichen Renten abspeisen lassen", so Wagenknecht. Was in Österreich rentenpolitisch möglich sei, sollte laut Wagenknecht auch in Deutschland möglich sein.
Das Bundesfinanzministerium hat derweil einen Gesetzesentwurf vorgelegt, wie die staatlich geförderte private Altersvorsorge reformiert werden könnte. Kernstück ist ein sogenanntes Altersvorsorgedepot, mit dem deutlich höhere Erträge möglich sein sollen als mit der bisherigen Riester-Rente (mehr dazu hier). Gleichzeitig ist das Rentenpaket II auf dem Weg, das die Grundlage für das Generationenkapital legt und das Rentenniveau bei 48 Prozent festschreibt.
- Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages
- Anfrage Büro Sahra Wagenknecht