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Donald Trump: Auch seine Macht hat Grenzen | USA


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US-Politik unter Trump
"Das ist ein gewaltiger Fehler"

InterviewVon Marc von Lüpke

Aktualisiert am 21.11.2024Lesedauer: 8 Min.
Donald Trump und Elon Musk: Der Multimilliardär soll zukünftig die US-Bürokratie reduzieren.Vergrößern des Bildes
Donald Trump und Elon Musk: Der Multimilliardär soll zukünftig die US-Bürokratie reduzieren. (Quelle: Brad Penner/imago-images-bilder)

Donald Trump kehrt zurück, er will die USA stark verändern. Aber trotz seines Wahlerfolgs hat auch seine Macht Grenzen, sagt Rahul Sahgal, Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer.

Zukünftig wird Donald Trump wieder Herr im Weißen Haus, nicht nur in Deutschland und Europa herrschen deswegen Unsicherheit und Sorge. Denn der Republikaner hat weitreichende Pläne für die Vereinigten Staaten, schlimmste Befürchtungen reichen bis hin zu deren Umbau in eine Autokratie.

Welche Absichten verfolgt Donald Trump tatsächlich? Mit welchen Hindernissen muss der kommende US-Präsident rechnen? Welchen Fehler begehen Deutsche und Europäer im Umgang mit Amerika immer wieder? Diese Fragen beantwortet Rahul Sahgal, USA-Experte und CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, im Gespräch.

t-online: Herr Sahgal, Donald Trump steht dank eines deutlichen Wahlsiegs vor der Rückkehr an die Macht. Droht der Abschied der USA von der liberalen Demokratie?

Rahul Sahgal: Die USA werden nach vier weiteren Jahren Donald Trump sicher ein anderes Land sein. Was nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie kein demokratischer oder liberaler Staat mehr sein werden. Wir blicken oft mit einem sehr europäischen Blick auf die Vereinigten Staaten und wenden unsere Maßstäbe auf sie an. Und das ist ein gewaltiger Fehler, weil wir außer Acht lassen, was die Amerikaner selbst wollen.

Was wollen sie denn?

Die Mehrheit der Amerikaner wollte eindeutig Trump: Er hat mit Abstand die meisten Wahlleute, die Mehrheit in beiden Parlamentskammern und außerdem die Mehrzahl der Wählerstimmen gewonnen. Letzteres hat seit George W. Bush 2004 kein anderer republikanischer Kandidat fürs Weiße Haus mehr geschafft. Die Entscheidung ist also ziemlich eindeutig. Trump fühlt sich bestätigt, seinen Kurs fortzuführen.

Dieser Kurs gibt, ebenso wie die Auswahl seines neuen Regierungsteams aus schillernden bis ultrarechten Hardlinern, doch reichlich Grund zur Sorge?

Einverstanden. Das ist ein Risiko. Es kommt darauf an, wie viel sie bewirken können. Trump verfolgt eine ausgesprochen konservative Agenda, so war es in seiner ersten Amtszeit, so wird es auch in seiner zweiten sein. Worin besteht diese Agenda? Einerseits soll weniger Regulierung stattfinden, also weniger staatliche Eingriffe und weniger Vorschriften in allen Bereichen. Andererseits verfolgt Trump einen Wertekonservatismus, was Genderfragen und Religion beispielsweise angeht.

Zur Person

Rahul Sahgal, Jahrgang 1977, ist CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer. Nach dem Studium von Betriebswirtschaft und Rechtswissenschaften war Sahgal unter anderem Teil des Diplomatischen Korps der Schweiz. Von 2017 bis 2021 arbeitete er als Botschaftsrat und Leiter der Finanz- und Steuerabteilung in der Schweizer Botschaft in Washington.

Hat Trump überhaupt Werte? Er ist vorbestraft, hetzt gegen Minderheiten, seine politischen Gegner beschimpft und beleidigt er.

Das ist richtig. Und für mich inakzeptabel. Allerdings müssen wir Wahlkampfgetöse und Regierungsprogramm voneinander trennen. Während Trumps erster Amtszeit ab 2017 war ich an der Schweizer Botschaft in Washington, D.C. tätig. Seine damaligen Berater rieten uns immer davon ab, seinen Tweets zu viel Beachtung zu schenken. Die waren für seine Anhänger gedacht, sonst nichts. Im persönlichen Umgang soll Trump wesentlich zurückhaltender sein als in der Öffentlichkeit.

Bei den massenhaft geplanten Abschiebungen von Menschen ohne gültige Einwanderungspapiere ist keine "Zurückhaltung" seitens Trumps erkennbar.

Das ist eines von Trumps großen Wahlkampfversprechen. Unter Obama wurden jedoch mehr Personen deportiert als unter Trump 1.0. An dieser Stelle muss ich auch zu bedenken geben, dass Trump bei der Wahl nicht nur bei den klassischen Wählern der Republikaner Erfolg hatte, sondern auch Latinos und Afroamerikaner in beachtlichem Ausmaß für ihn gestimmt haben. Dabei gelten diese Minderheiten als traditionelle Wähler der Demokraten. Anscheinend hatten diese Menschen das Gefühl, dass Trump trotz seiner Äußerungen ihre Interessen besser vertritt. Die USA haben eine andere politische Kultur als die Europäer, sie wird nun für vier weitere Jahre von Donald Trump geprägt werden.

Worin bestehen Trumps Ziele?

Es wird Macht zurück an die Bundesstaaten fließen, es wird mehr Wert auf die Verantwortung des Individuums gelegt werden. Das ist eine klassische konservative Agenda, die nun die Chance auf Verwirklichung erhält.

Will Trump am Ende nicht möglicherweise eher Macht bei sich konzentrieren und eine Art Diktator werden?

Das dürfte ihm schwerfallen, selbst wenn er wollte. Ich habe Vertrauen in den Supreme Court und in den US-Kongress. Alles werden sie Trump nicht durchgehen lassen. Die meisten Leute in diesen Institutionen wissen, dass die Gewaltentrennung für die Existenz der USA sehr, sehr wichtig ist.

Die Richter am Supreme Court sind mehrheitlich Trump wohlgesonnen, drei von ihnen hat er selbst ernannt, während die Republikaner als nahezu "gleichgeschaltet" gelten.

So einfach ist die Sache nicht. Die Richter des Supreme Court sind auf Lebenszeit gewählt, die frisch gewählten republikanischen Senatoren auf sechs Jahre. Sie können also aus guten Gründen davon ausgehen, länger als Trump im Amt zu sein, und werden entsprechend selbstbewusst sein. Von Europa aus gesehen erscheinen die Republikaner als ein nahezu monolithischer Block, aber so ist es nicht. Erinnern wir uns aber daran, wie hart der Kampf im Senat um den Posten des Mehrheitsführers im Senat war: Daran wird deutlich, dass es nicht nur Trumps "MAGA"-Leute ["Make America Great Again", Anmerkung der Redaktion] dort gibt, sondern auch Gegenkräfte.

Die Trump allerdings abstrafen kann, wenn es ihm in den Sinn kommt.

Während meiner Zeit in Washington habe ich erlebt, was für eine knallharte Interessenpolitik dort betrieben wird. Selbst ein Trump muss Kompromisse schließen. Die gewählten Senatoren werden selbstbewusst sein, auch das Repräsentantenhaus wird nicht allem zustimmen, insbesondere, weil die Mehrheiten knapp sind. Wenn wir betrachten, wie knapp im US-Kongress bisweilen Abstimmungen ausgehen, wird deutlich, wie viel Macht plötzlich ein einzelner Senator oder Abgeordneter haben kann. Wer diese Macht hat, nutzt sie auch gegen Trump, wenn es sein muss. Davon abgesehen braucht es bei bestimmten Sachverhalten Zweidrittelmehrheiten, dafür muss Trump auf die Demokraten zugehen.

Die Demokraten versuchen bereits vor der Amtsübernahme durch Trump am 20. Januar 2025, so viele Richterstellen auf Bundesebene zu besetzen wie möglich. Wird Trump die Unabhängigkeit der Judikative respektieren?

Da wäre er klug beraten. Nicht zuletzt hat er in seiner ersten Amtszeit selbst 231 Richterstellen auf unterschiedlichen Bundesebenen neu besetzt.

Nun könnten in den kommenden Jahren weitere Ernennungen für den Supreme Court erfolgen, der die USA auch nach Trumps Ausscheiden stramm auf seinem Kurs halten könnte?

Diese Möglichkeit besteht. Beide Parteien versuchen traditionell auf diese Weise, ihre Politik zu zementieren. Es könnte Trump nun gelingen, noch ein bis zwei Ernennungen in den kommenden Jahren auszusprechen. Die den Liberalen zugerechnete Richterin Sonia Sotomayor hat wohl gesundheitliche Probleme. Das wäre dann insgesamt der Super-GAU für die Demokraten.

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Trump hat den selbst unter Republikanern umstrittenen, aber ihm treu ergebenen Matt Gaetz für die Spitze des Justizministeriums vorgesehen. Ist Trump auf Rache an echten und eingebildeten Gegnern aus?

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Trump die relative Unabhängigkeit des Justizministeriums einschränken wird, um seine Politik durchzusetzen. Vielleicht will er auch tatsächlich Rache nehmen. Die Frage wird sein, ob Gaetz vom Senat überhaupt bestätigt wird.

Sind Trumps mögliche Pläne für eine Vergeltung kein Grund zur Sorge?

Selbstverständlich. An dieser Stelle hoffe ich auf die Gerichte in den Vereinigten Staaten. Aber ich möchte noch einmal betonen: Die Amerikaner haben sich mehrheitlich für Trump entschieden, über 70 Millionen Stimmen hat er erhalten. Trump hat sich nicht verstellt, sie haben ihn trotzdem gewollt. Daraus ergibt sich für die Demokraten die dringende Aufgabe zu analysieren, warum sie so haushoch verloren haben. Die Erklärung, dass Amerika noch nicht bereit für eine schwarze Frau als Präsidentin war, ist zu wenig.

Sind die USA aber bereit für Elon Musk, der zwar nicht zur Wahl stand, aber dafür nun Trumps Schatten und designierter Bürokratiebekämpfer ist?

Wir wissen, dass Musk mit einer hohen Millionensumme Trumps Wahlkampf unterstützt hat. Nun soll der Milliardär zusammen mit Vivek Ramaswamy den Abbau von Bürokratie und Regulation leisten, dazu ist Musk meines Erachtens sicher befähigt. Es entbehrt jedoch nicht einer gewissen Ironie, dass eine Behörde zum Abbau von Bürokratie gleich zwei Chefs hat!

Musk wird eine Regierungsbehörde führen, die die Bürokratie bei anderen Behörden eindämmen soll. Zugleich werden Musks Unternehmen wie Tesla von eben diesen Behörden reguliert. Das ist doch ein enormer Interessenkonflikt?

Ich stimme Ihnen zu. Der Hintergrund der Geschichte besteht aber auch darin, dass zwar Bürokratie abgebaut wird, aber auch mehr Verantwortung an die Bundesstaaten gehen soll, damit dort darüber entschieden wird, was getan werden soll. Tatsächlich ist die Bürokratie in den USA bisweilen überbordend, bei uns in der Schweiz und bei Ihnen in Deutschland haben wir ein ähnliches Regulierungsproblem. Wenn Musk in Amerika mit dem Abbau der Bürokratie beginnt, sollten wir uns deshalb dringend darauf einstellen. Sonst bekommen wir ein gewaltiges Problem.

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Worauf spielen Sie an?

Die Amerikaner werden wesentlich effizienter werden, wenn zahlreiche Regularien fallen. Das ist die große Gefahr für uns in Europa. Während sie effektiver agieren, werden wir abhängiger. Auch Kamala Harris – nebenbei gesagt – hatte im Wahlkampf das Problem erkannt, dass der Bau eines Hauses in den USA zu kompliziert und entsprechend zu teuer ist.

Trump will nicht nur massiv deregulieren, sondern auch die eigene Wirtschaft mit allerlei Zöllen schützen und stärken. Maßnahmen, die uns in Europa wiederum hart treffen könnten.

Ich glaube nicht, dass er flächendeckende Zölle von zehn oder 20 Prozent erheben wird. Aus dem Grund, weil sich das inflationstreibend auswirkt. Er hat ja unter anderem stark an Wählern gewonnen, weil er die Inflation bekämpfen will. Es ist auch unwahrscheinlich, dass Trump für solche Zölle das notwendige Mandat bekommen wird. Für flächendeckende Zölle bräuchte er eigentlich beide Kammern des Kongresses. Wenn die Inflation steigt, bekommen das die Senatoren und Abgeordneten in ihren Staaten und Wahlkreisen zu spüren – und sie wollen alle wiedergewählt werden. Ich habe eher die Befürchtung, dass Trump sich gewisse Handelspartner gezielt raussucht und ihnen unfaire Handelspraktiken vorwirft.

Könnte dies Deutschland und seiner exportorientierten Autoindustrie drohen?

Das Risiko besteht, ja. Das würde Deutschland hart treffen, aber auch andere Staaten wie die Schweiz, wo zahlreiche Unternehmen Zulieferer für deutsche Hersteller sind. Auf der anderen Seite kann Trump kein Interesse an einem schwachen Deutschland und Europa haben.

Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit darauf gedrängt, dass Deutschland mehr in seine Verteidigung investieren müsse.

Damit lag Trump ziemlich richtig, wie der russische Krieg gegen die Ukraine demonstriert. Europa muss stärker werden, das liegt im eigenen und in Amerikas Interesse. Ohne Geld kann das den Europäern schlecht gelingen, und Zölle sind in dieser Hinsicht kontraproduktiv. Ein starkes Deutschland kann – zusammen mit einem starken Frankreich und starken GroßbritannienRussland im Zaum halten, damit sich die USA auf China konzentrieren können. China ist sein Lieblingsgegner.

Trump gilt als aufbrausend und sprunghaft. Wird er sich zu Kurzschlussreaktionen hinreißen lassen?

Man sollte Trump niemals unterschätzen. Er weiß schon, was er tut. Oder jedenfalls meistens! Seine lauten Äußerungen sind für die Basis. Bei wichtigen Sitzungen ist er gut vorbereitet, hört zu und im persönlichen Umgang unprätentiös. Tatsächlich neigt man ja oft dazu, Fehler bei anderen zu suchen. Aber vor dem deutsch-russischen Pipelineprojekt Nord Stream 2 hat Trump deutlich gewarnt, und er sollte Recht behalten.

Nun wird mit Spannung erwartet, wie sich Trump gegenüber der Ukraine und Russland verhalten wird. Was ist Ihre Einschätzung?

Einiges deutet darauf hin, dass sich Trump in eine Position der Stärke versetzen will, um Putin zu einem Deal zu bewegen. Der muss für die Ukraine nicht unbedingt schlecht sein. Trump wird die Ukraine auch nicht fallen lassen. Wahrscheinlich strebt er eine Eindämmung der Russen an. Dafür müssten diese zurückgedrängt werden, dann kann die Ukraine massiv zu ihrer Verteidigung aufgerüstet werden und eventuell auch Mitglied der Nato werden. Dann hätte Trump das russische Problem aus seiner Sicht und vorläufig gelöst und könnte sich stärker um China kümmern. Außerdem hat Putin eine klare Botschaft an den Westen gesendet.

Welche?

Russland hat sich endgültig zur "Achse des Bösen" bekannt, den Erzfeinden der USA. Die Russen nutzen iranische Drohnen, verschießen nordkoreanische Munition und nun kämpfen aus noch Kim Jong Uns Soldaten für Putin. Das zeichnete sich bereits in Syrien und anderswo ab, ist aber nun sehr klar.

Herr Sahgal, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Rahul Sahgal via Videokonferenz
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