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Zum journalistischen Leitbild von t-online.CDU im Osten Etwas droht zu kippen
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen steht die CDU auf der Suche nach Koalitionspartnern vor inneren Spannungen. Auch dem Vorsitzenden Friedrich Merz könnte das noch Probleme bereiten.
Friedrich Merz guckt ernst in die Gesichter der Hauptstadtpresse. Hinter ihm liegt kein ganz einfacher Vormittag. Denn nach den beiden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat das Präsidium darüber beraten, wie es nun weitergeht. Und schon jetzt ist klar: Leicht wird es nicht.
Entsprechend sagt Merz: "Das ist ein Wahlergebnis, was uns beschwert, was uns beschäftigt und das uns natürlich auch zum Nachdenken bringt." Er freue sich einerseits, dass die CDU in Sachsen Platz eins verteidigt und in Thüringen dazugewonnen habe. In beiden Bundesländern werde man nun versuchen, eine stabile Regierung zu bilden. Allerdings wisse er auch um die "außergewöhnlichen, schwierigen Zustände". Gemeint ist die Frage der Mehrheitsmöglichkeiten, die in beiden Ländern nicht einfach, jedoch in Thüringen fast unmöglich erscheint.
Neben dem CDU-Chef stehen die Spitzenkandidaten Michael Kretschmer und Mario Voigt. Beiden sieht man ihre Müdigkeit an. Die Verantwortung, von der Merz spricht – sie liegt jetzt bei ihnen. Und auch wenn die Parteispitze deutlich gemacht hat, dass man den Ländern freie Hand lassen werde, ist klar, dass die Entscheidungen der kommenden Wochen Auswirkungen auf die gesamte Partei haben werden.
Mehrheit gesucht: CDU steht vor größter Herausforderung
Man muss dazu sagen: Eigentlich waren es keine schlechten Ergebnisse für die CDU, im Gegenteil. Bei der Landtagswahl in Sachsen bleibt die Partei unter Ministerpräsident Michael Kretschmer stärkste Kraft. In Thüringen landet sie zwar auf Platz zwei, kann jedoch leichte Zugewinne verzeichnen. In beiden Bundesländern dürfte die Partei künftig die Regierung anführen. Im Vergleich zur Ampel, die bei der Wahl eine ordentliche Quittung kassiert hat, ist das nicht so schlecht.
Bleibt die Frage: Mit wem soll die CDU regieren?
In Sachsen ist es kein Geheimnis, dass CDU-Chef Kretschmer gerne weiter in der bisherigen Konstellation regieren würde. Sprich: in einer Kenia-Koalition mit SPD und Grünen. Das geben die Mehrheitsverhältnisse jedoch nicht her. Und weil es in der CDU Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit der AfD und der Linken gibt, bleibt eigentlich nur das Bündnis Sahra Wagenknecht. Ob das so einfach wird? Merz jedenfalls spricht von einer "Blackbox" oder alternativ "Redbox". Man weiß nicht, was man sich da anlacht.
In Thüringen ist die Lage noch schwieriger. Dort reicht es nicht einmal für eine Regierung aus CDU, SPD und BSW. Und weil die Grünen in die außerparlamentarische Opposition wandern, bleibt nur eine Minderheitsregierung. Aber lässt sich eine Zusammenarbeit mit der Linken oder der AfD dann wirklich auf Dauer vermeiden?
Die Angst vor dem Unvereinbarkeitsbeschluss
Als das Präsidium der CDU am Montagmorgen zusammenkommt, ist auch das ein Thema. Aus Teilnehmerkreisen erfuhr t-online, dass es dort auch um die Frage ging, wie man etwa in Thüringen damit umgehen soll, dass einerseits Mehrheiten notwendig sind, gleichwohl aber ein Unvereinbarkeitsbeschluss gilt – auch mit der Linken.
Zwar gibt es schon jetzt erste Stimmen in der Partei, die kritisieren, dass eine Zusammenarbeit mit der Linken per se ausgeschlossen werde. Der ehemalige Generalsekretär Mario Czaja etwa sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Montagmorgen, es sei "absurd", dass es diesen Beschluss gebe. Und auch andere sagen im Hintergrund, sie könnten sich vorstellen, zumindest mit Teilen der Linken zu arbeiten. Allerdings gibt es auch die Sorge, eine Zusammenarbeit mit der Linken könne einen Rattenschwanz nach sich ziehen. Wie lange würde es dann dauern, bis erste Stimmen kämen, die sagten: wenn mit der Linken, warum dann nicht mit der AfD?
In der CDU gibt es die Debatte auf Landesebene ohnehin schon hinter vorgehaltener Hand. In den Kommunen findet der Austausch längst statt (im übrigen auch vonseiten anderer Parteien der Mitte).
Man ist sich also einig: Am Unvereinbarkeitsbeschluss wird festgehalten. Punkt. Wie man ihn jedoch interpretiert bzw. welche Spielräume er lässt, dass dürfen die Länder noch selbst entscheiden. Kretschmer und Voigt deuten in der Pressekonferenz am Montag an, was das bedeuten könnte. Beide unterstreichen, dass auch nach der Wahl gelte, was vorher gesagt wurde: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Von der Linken? Kein Wort.
Auf Nachfrage erklärt Kretschmer: "Mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss ist eine Regierung gemeint, eine strukturelle Zusammenarbeit." Gespräche könne man also trotzdem führen.
Heißt, wenn es beispielsweise eine CDU-geführte Minderheitsregierung gibt, spricht erst mal nichts dagegen, dass sie mithilfe von Stimmen der Linken Mehrheiten für Gesetzesvorhaben im Parlament sucht. Das dürfte besonders für Thüringen wichtig sein. Kretschmer könnte gemeinsam mit der SPD und dem BSW auch ohne die Linke eine Mehrheit bekommen. Allerdings bleibt auch dort die Frage der Verlässlichkeit. Eine Hintertür kann sicher nicht schaden.
Für den Vorsitzenden kommen diese Debatten nicht gerade gelegen. Eigentlich will Merz zeitnah die Kanzlerkandidatenfrage in der Union klären. Kann er das wirklich, wenn in zwei Bundesländern so ungeklärte Verhältnisse herrschen? Oder hat Merz vielleicht gerade deshalb betont, er habe Vertrauen in Kretschmer und Voigt? Weil er sich heraushalten und anderen Dingen widmen will? Was auch immer dann in Sachsen und Thüringen passiert – mit ihm geht das nicht nach Hause. Wenn die Wirklichkeit wirklich so einfach wäre.
- Eigene Recherche