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Hannovers OB Onay im Interview: "Waffenverbotszonen kein Allheilmittel"


Interview
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Hannovers OB Onay warnt
"Es ist kein Allheilmittel"

InterviewVon Luca Wolpers

28.08.2024Lesedauer: 5 Min.
Belit Onay (Grüne): Hannovers OB will das Parken für SUV verteuern.Vergrößern des Bildes
Belit Onay (Grüne): Als Bürgermeister von Hannover kämpft er gegen Messerkriminalität. (Quelle: Henning Scheffen/imago-images-bilder)

Schon länger kämpft Hannover gegen Messerkriminalität. Bürgermeister Onay will nun die Waffenverbotszonen ausweiten. Im Interview mit t-online erklärt er außerdem, was er von Abschiebungen nach Afghanistan hält.

Nach dem Messerangriff auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen ist eine politische Debatte über die notwendigen Konsequenzen entbrannt. Die diskutierten Maßnahmen reichen von einer Verschärfung des Waffengesetzes bis zu Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan.

Auch in Hannover fürchten die Menschen die Gefahr, die von Messergewalt ausgeht. Schließlich gilt der Hauptbahnhof der Stadt laut Bilanz der Bundespolizei zu den Bahnhöfen mit den meisten Messerdelikten im Land. Hannovers Bürgermeister Belit Onay hat nun auf diese Statistik reagiert und die bisherigen Waffenverbotszonen in Hannover ausgeweitet. t-online erklärt er, was er sich davon erhofft und welche Frage er in der Asyldebatte beantwortet haben möchte.

t-online: Wie haben Sie die Ereignisse um den Anschlag in Solingen verfolgt? Gerade als Bürgermeister versetzt man sich wahrscheinlich schnell in die Lage des Amtskollegen in Solingen.

Belit Onay: Ich habe meine Beileidsbekundungen an den Kollegen in Solingen adressiert. Wir stehen auch in Hannover unter dem Schock dieser grausigen Tat. Es ist ja leider nach Mannheim der zweite Anschlag in sehr kurzer Zeit mit islamistischem Terror-Bezug. Es ist einfach furchtbar – gerade bei einer solchen Veranstaltung, die ja offensichtlich auch die Vielfalt in Solingen feiern sollte und auch ein klares Bekenntnis zu Demokratie und zu einer vielfältigen Gesellschaft sein sollte. Aber die Bedrohungslage ist etwas, mit dem wir in unseren Städten bei Großveranstaltungen und Volksfesten immer wieder konfrontiert sind, wenn es darum geht, Sicherheitskonzepte aufzustellen.

Messergewalt ist auch ein Thema, das ihre Stadt beschäftigt. Der Hauptbahnhof Hannover gehört einer Bilanz der Bundespolizei zufolge zu den Bahnhöfen mit den meisten Messerdelikten bundesweit. Wie ist das für Sie zu erklären?

Spätestens seit Corona hat sich bundesweit, auch in Hannover, die Situation um Gewalt, Jugendgewalt, Messergewalt und das Tragen von Messern deutlich verändert. Es ist aggressiver geworden. Wir haben immer wieder sehr deutlich gemacht, dass es nicht akzeptabel ist und es keinen Bedarf für irgendjemanden gibt, in der Stadt ein Messer oder eine andere Waffe zu tragen.

Fühlen sich Ihre Bürgerinnen und Bürger sicher?

Die Zahlen bestätigen das Gefühl vieler Menschen in unserer Stadt. Wir haben eine Befragung zum Sicherheitsempfinden durchgeführt und die Rückmeldungen sind schon so, dass es sich verschlechtert hat. Insbesondere bei jungen Menschen und Frauen, vor allem an bestimmten Orten. Dazu zählen neben dem Hauptbahnhof auch Teile der Innenstadt. Sogar die eigene Nachbarschaft wird nicht mehr als so sicher wahrgenommen. Das ist ein Problem. Darauf müssen und werden wir reagieren.

Welche Rolle spielt Migration bei den Rückmeldungen zum Sicherheitsempfinden?

Die Systematik, die sich auch immer wieder in den Statistiken ablesen lässt, ist, dass besonders junge Männer straffällig werden. Das ist die Hauptpersonengruppe, wenn es um das Verüben von Straftaten geht. Und in dieser Bevölkerungsgruppe ist, nicht zuletzt auch durch die Migration der letzten Jahre, der Anteil von Migranten besonders hoch. Darauf richten wir unseren Fokus mit Integrationsmaßnahmen.

Sie haben sich nun zu einem Spitzentreffen mit dem Ordnungsdezernenten, Hannovers Polizeipräsidentin und dem Präsidenten der Bundespolizeidirektion versammelt. Sie kündigten im Anschluss gemeinsame Streifen mit den Ordnungsdiensten am Hauptbahnhof an. Was erhoffen Sie sich von den Maßnahmen?

Die Rückmeldungen der Menschen und die Straftaten-Statistik zeigen ja, dass Handlungsbedarf besteht. Deshalb habe ich ins Rathaus eingeladen, um eine bessere Koordination zu besprechen. Die Polizei wird ihre Kräfte noch stärker auf den Bereich Hauptbahnhof und Innenstadt fokussieren. Das Gleiche werden auch wir tun. Wir werden die Zahl der Ordnungsdienst-Mitarbeitenden noch mal deutlich erhöhen und wir werden gleichzeitig bessere Ansprechbarkeit vor Ort schaffen, damit auch Konfliktsituationen schnell aufgelöst werden können.

Zusätzlich soll noch in dieser Woche die Waffenverbotszone auf den Hauptbahnhof ausgeweitet werden.

Wir haben bereits zwei Waffenverbotszonen in der Stadt. Die führen wir jetzt zusammen und wir schließen nun auch den Hauptbahnhof mit ein. Aber man muss sich klarmachen: Die Waffenverbotszone allein führt leider nicht dazu, dass Waffen nicht mehr mitgeführt werden. Aber wir haben mit dieser rechtlichen Grundlage die Möglichkeit, die Kontrollen fokussiert durchzuführen und damit eben auch Waffen festzustellen.

Was für Erfahrungen haben Sie mit den bisherigen Waffenverbotszonen gemacht?

Wir haben insofern gute Erfahrungen gemacht, als dass mehr Waffen sichergestellt werden konnten. Bei den Kontrollen werden bei bis zu acht Prozent der kontrollierten Personen Waffen festgestellt. Das heißt für mich, dass wir diese Kontrollen regelmäßig verschärfen müssen, damit erst gar nicht solche Situationen entstehen, in denen Waffen dann doch zum Einsatz kommen.

Wie sieht die Kontrolle des Waffenverbots in der Umsetzung aus? Wer wird wann wie kontrolliert?

Das übernehmen vorrangig die Bundespolizei und die Landespolizei. Wir unterstützen mit unserem Ordnungsdienst. Teilweise werden Menschen und Gruppen kontrolliert, die bereits auffällig geworden sind oder ein aggressives Verhalten an den Tag legen. Insbesondere machen wir das in den Abendstunden, wenn viele Menschen über den Hauptbahnhof in die Stadt kommen.

Die Wirksamkeit dieses Instruments wird allerdings angezweifelt. Gerade nach Solingen ist die These: Menschen, die bereit sind, andere Menschen mit einem Messer anzugreifen, lassen sich auch nicht von Waffenverboten zurückhalten. Mindert eine Waffenverbotszone die tatsächliche Bedrohung?

Man muss den Fall in Solingen noch etwas differenzierter betrachten. Richtig ist, dass eine Waffenverbotszone den Attentäter nicht zurückgehalten hätte. Aber: Die Waffenverbotszone gibt uns die Möglichkeit, frühzeitig engmaschig Kontrollen durchzuführen und das unerlaubte Mitführen von Waffen festzustellen. Das ist der Mehrwert, den die Zone bietet. Aber ich warne davor, das jetzt als ein Allheilmittel zu sehen. Das ist es wirklich nicht. Es ist ein Instrument in einem Instrumentenkasten.

Der Anschlag in Solingen hat die Migrations- und Asyldebatte neu entfacht. Wie schon nach Mannheim werden Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan oder Syrien diskutiert. Viele fordern ein Umdenken. Sie auch?

Ich wäre erst mal dafür, dass wir die rechtlichen Grundlagen, die wir haben, wirklich umsetzen. Das zeigt ja auch der Fall in Solingen. Es war nicht die Frage, ob die rechtliche Grundlage fehlt, sondern die Ausweisung hätte erfolgen müssen. Das ist keine Schuldzuweisung, sondern der Hinweis auf ein praktisches Problem, diese Dinge umzusetzen. Das Problem haben wir auch immer wieder in den Ausländerbehörden. Und dasselbe gilt auch für die Polizei auf Bundes- und auf Landesebene.

Niedersachsen war das erste Bundesland, das Terroristen, Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abgeschoben hat. Ich war damals innenpolitischer Sprecher, Boris Pistorius war Innenminister. Wir haben das gemeinsam auf den Weg gebracht und ich unterstütze das nach wie vor. Wir müssen Menschen, die hier morden, Terror verbreiten oder Deutschland in eine Krise stürzen wollen, abschieben.

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Das hieße, man müsste mit den Taliban in Afghanistan kooperieren.

Nun hat sich allerdings die Situation in Afghanistan deutlich verändert. Bislang ist die Frage unbeantwortet geblieben, wie man mit den Taliban zu einer Einigung kommen will. Das würde ja bedeuten, wir schieben Islamisten in ein islamistisches Regime ab, mit dem kooperiert werden müsste. Ich glaube nicht, dass sie da einer gerechten Strafe zugeführt werden. Ich befürchte eher, sie werden dort als Volkshelden in Empfang genommen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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