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Ukraine-Geld und neuer Ampelzoff: Sie sind nur noch genervt


"Übergangskoalition" Ampel?
Am Ende der Geduld


Aktualisiert am 19.08.2024Lesedauer: 4 Min.
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Bundeskanzler Scholz: Das Vertrauen ist aufgebraucht. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa)

Die Ampel ringt mal wieder um die Ukraine-Hilfen. Einmal mehr zeigt der Streit: Das Bündnis gerät an seine Grenzen – das Vertrauen zueinander ist aufgebraucht.

Am Montag soll alles so wirken, als sei nichts gewesen: Berlin, Schiffbauerdamm 40, Haus der Bundespressekonferenz. Vor der blauen Wand, die viele aus dem Fernsehen kennen, nehmen die Pressesprecher der Bundesregierung Platz. Eine Routineveranstaltung für die PR-Profis des Kanzlers und seiner Minister, dreimal wöchentlich stellen sie sich hier den Fragen der Hauptstadtpresse, stets bemüht, die Regierung in einem guten Licht dastehen zu lassen.

Doch genau das will angesichts des Dauerstreits in der Ampel inzwischen kaum mehr gelingen. Erst am Vorabend hatte Grünen-Chef Omid Nouripour die Ampel in der ARD überraschend deutlich als "Übergangskoalition" nach der Ära Merkel bezeichnet, als Bündnis, in dem offensichtlich sei, "dass das Vertrauen an Grenzen gekommen ist". Und auch sonst zeigt sich immer mehr: Die Regierung scheint ans Ende ihrer Kräfte, ihrer Lust und ihrer Geduld zu geraten.

Jüngster Anlass für diese Beobachtung ist ein Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS") vom Wochenende über die finanziellen Hilfen für die Ukraine. Wie die Zeitung berichtete, hatte das Finanzministerium Anfang August in einem Brief ans Verteidigungsministerium sowie ans Auswärtige Amt geschrieben, "neue Maßnahmen" mit Zahlungsverpflichtungen dürften nur eingegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen für dieses und die kommenden Jahre "eine Finanzierung gesichert ist".

Deutschland will weitere Kampfsysteme liefern

Die Ableitung der "FAS": Bereits abgenickte Waffenlieferungen und Bestellungen der Ukraine sollen zwar noch geliefert werden, zusätzliches Material aber solle auf Verlangen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht mehr bewilligt werden. Die Zusage des Kanzlers, dem von Russland überfallenen Land unter allen Umständen beizustehen, wackle gehörig, so der Bericht. Das ärgert nicht nur das Verteidigungsministerium, sondern auch einzelne Grünen- und SPD-Abgeordnete, die die Schuld bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) sehen. Der zeigte sich anschließend offen für weitere Finanzhilfen, sofern es konkrete Bedarfsanmeldungen gibt – womit er den Ball wieder zurückspielte an Pistorius.

Wolfgang Büchner, Scholz' stellvertretender Regierungssprecher, bemüht sich am Montag zwar um Schadensbegrenzung. "Deutschland ist weiter absolut engagiert", sagt er. Nach wie vor gelte "das Wort des Kanzlers, dass die Unterstützung der Ukraine so lange fortgesetzt wird, wie das nötig ist, und dass niemand, vor allem auch nicht der russische Präsident, darauf hoffen kann, dass wir darin nachlassen".

An der Entschlossenheit, die von Russland angegriffene Ukraine zu unterstützen, ändere sich nichts. So sollten in diesem Jahr noch vier Iris-T-Luftverteidigungssysteme geliefert werden, dazu zehn Gepard-Flugabwehrpanzer, 16 Panzerhaubitzen, 10 Leopard-Kampfpanzer, Kampfdrohnen und mehrere Tausend Schuss Artillerie und Panzermunition. Zudem sei man optimistisch, dass wie geplant bis Ende des Jahres ein Weg gefunden sei, die auf westlichen Konten eingefrorenen russischen Milliarden zur Finanzierung eines 50-Milliarden-Dollar-Kredit seitens der G7 für die Ukraine zu nutzen.

"Augen zu und durch"

Und doch können derlei Worte kaum darüber hinwegtäuschen: In der Ampel geht nicht mehr viel. Mit dem neuerlichen Streit ums Ukraine-Geld macht sich einmal mehr so etwas wie Fatalismus breit. Fast sei ja klar gewesen, dass das wieder Ärger hervorbringen musste, heißt es im Ampelbündnis. Und zugleich raunt es hinterher: Was soll's, jetzt gelte es eh nur noch, irgendwie durchzukommen, bestenfalls noch bis zur nächsten regulären Bundestagswahl im Herbst 2025. Aber dann ist auch gut.

So jedenfalls schildern es mehrere Ampelianer verschiedener Fraktionen hinter vorgehaltener Hand. An die immer wieder gefassten guten Vorsätze, jetzt endlich mal für eine Zeitlang keinen neuen Streit vom Zaun zu brechen, glauben dabei nur noch wenige. "Augen zu und durch" sei bei immer mehr Abgeordneten die Devise, sagt einer. "Es nervt und es ist wahnsinnig zäh", ein anderer.

Zwar scheint inzwischen keiner mehr wirklich über ein vorzeitiges Ampel-Aus nachzudenken, auch nicht dann, wenn alle drei Partner die Ost-Landtagswahlen in den kommenden Wochen wie nach den Umfragen zu erwarten vergeigen. Dann lieber geordnet bis zum Schluss, wenn auch nur noch als "Übergangsregierung", die nicht mehr allzu viel zustande bringt.

Die Listenaufstellungen für die Wahl nahen

Aber: Die Fliehkräfte dürften mit der nahenden Listenaufstellung für die Kandidaten zur Bundestagswahl noch größer werden, der Profilierungsdruck gerade auch unter den Abgeordneten steigen. Denn: Durch die beschlossene Verkleinerung des Parlaments bangen viele von ihnen noch mehr um ihren Sitz (und damit ihren Job), als die mauen Umfragen ohnehin vermuten lassen.

Die Folgen all dieser Entwicklungen geht auch an den Regierungsmitgliedern nicht spurlos vorüber. Immer stärker wirken die Spitzen der Regierung müde und ausgelaugt. Als am Freitag etwa Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) um eine Einschätzung zum endlich gefundenen finalen Haushaltskompromiss gebeten wurde, sagte er in eine Kamera der ARD schulterzuckend: "Boah, wie soll ich sagen? Is' halt so, ne."

Ebenfalls genervt schien zuletzt Finanzminister Christian Lindner (FDP). Im Gespräch mit den "Tagesthemen" sagte er: "Wir sind eine Koalition und keine Fusion." Eine auf Zeit, die langsam abläuft? Ein "Übergang", wie es der Grünen-Chef denkt?

Helfen die Ost-Landtagswahlen?

Klar ist, dass Nouripours Beschreibung für viele in der Ampel einen wahren Kern trifft. "Die Vertrauensspeicher sind leer", sagt ein Regierungsinsider t-online. Und es sei nur schwer vorstellbar, wie sie sich wieder aufladen ließen. Einzige Hoffnung: "Wir bräuchten einfach mal zwei Wochen Ruhe ohne neues Störfeuer." Dann ließe sich auch wieder Vertrauen aufbauen, dann könnte man zumindest noch gut bis zum Schluss kommen.

Die Chance ist da, so scheint es zumindest mit Blick auf das Gebaren der Opposition im jüngsten Zwist ums Ukraine-Geld. Vor den Ost-Landtagswahlen nämlich ist kaum zu erwarten, dass die jetzt kurz aufgeflammte scharfe Kritik seitens der CDU an der Ampel länger anhält.

Der Grund: Gerade im Osten sind viele Wähler der Meinung, dass Deutschland seine Hilfen reduzieren solle. So schwach die Ergebnisse für SPD, Grüne und FDP im Osten werden dürften – im aktuellen Streit könnten die Landtagswahlen ihnen helfen, um die Reihen zu schließen.

Verwendete Quellen
  • Bundespressekonferenz am 19. August 2024
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa
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