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Höcke wegen Nazi-Parolen verurteilt: Der AfD stellt sich die Gewissensfrage


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Neues Urteil wegen Nazi-Spruch
Höcke spuckt auf das deutsche Rechtssystem

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

01.07.2024Lesedauer: 4 Min.
imago images 0703460936Vergrößern des Bildes
Björn Höcke: Die SA-Parole, die er verwendete, ist an der AfD-Basis inzwischen sehr beliebt. (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt/imago)

Das Urteil um die Verwendung einer SA-Parole ist gefallen, Björn Höckes Kampf aber beginnt gerade erst. Schon jetzt ist der Spruch inoffizieller Wahlkampfslogan der AfD. Steigt die Partei endgültig ab ins Nazi-Loch?

Das Landgericht Halle hat den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zum zweiten Mal wegen Verwendung der verbotenen SA-Parole "Alles für Deutschland" zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieses Urteil setzt einen Schlusspunkt hinter zwei langwierige Verfahren – aber der Kampf um Fakten, um Grenzen, um die Deutungshoheit in den Köpfen, den Höcke so sehr sucht, hat gerade erst begonnen.

Es ist vorhersehbar, was nun geschieht: Höcke wird sich als Opfer inszenieren, stärker noch als in den vergangenen Wochen. Er wird so versuchen, Stimmen für die Landtagswahl im Herbst zu gewinnen und zugleich die so wichtige unabhängige dritte Gewalt, die Justiz, zu delegitimieren. "Ich bin tatsächlich ein politisch Verfolgter, bin ein Dissident", klagte er weinerlich bereits auf dem Parteitag der AfD am Wochenende vor Kameras.

Dieses Mimimi ist natürlich Unsinn – aber gefährlicher Unsinn. Denn bei vielen Menschen wird seine Larmoyanz auf fruchtbaren Boden fallen. Deswegen ist es zuerst einmal wichtig zu begreifen, wie Höcke argumentiert.

"Aber andere machen es doch auch!"

Von seiner frühen Verteidigung, er habe nicht gewusst, dass "Alles für Deutschland" die inzwischen strafbare Losung der SA gewesen sei, wendet er sich zunehmend ab. Stärker nun betont er: "Alles für Deutschland" sei ein Alltagsspruch, den doch jeder zufällig verwenden könne. Und den viele schon verwendet hätten – zuletzt zum Beispiel die Ex-Spielerfrau und Influencerin Cathy Hummels in einem Post zur Nationalmannschaft in den sozialen Medien. Nur er aber werde deswegen angezeigt, angeklagt, verurteilt. Höcke also wechselt vom "Ich habe von nichts gewusst" zu: "Aber andere machen es doch auch!"

Viele Menschen stimmen da trotzig zu: Ja, wie kann denn das auch sein? Warum darf Cathy Hummels sagen, was Höcke nicht darf?

Höcke setzt dabei auf den Frust, die Wut, die Voreingenommenheit seiner Wähler. Und sehr stark auch auf das inzwischen gut etablierte Netzwerk an ihm wohlgesinnten alternativen Medien, die die Welt verpesten. Er will so übertünchen, was eigentlich doch recht einfach zu verstehen ist: Höcke handelte mit Vorsatz – andere taten es nicht. Das macht den Unterschied.

Höcke will die SA-Parole mit neuem Leben füllen

Auch gegen Cathy Hummels prüfte die Staatsanwaltschaft nach ihrem Post ein Verfahren, das ist wichtig an dieser Stelle zu erwähnen. Doch bei der Glitzerfrau fand sie in ihrer Biografie, in ihrem öffentlich niedergeschriebenen Leben eben nicht, was die Staatsanwaltschaft im Verfahren gegen Höcke dokumentierte: Wie intensiv sich der ehemalige Geschichtslehrer seit Jahrzehnten mit der NS-Zeit beschäftigt, wie intensiv er in Reden und Schriften seit Jahren NS-Vokabular und -Ideologie nutzt und verbreitet. Wie eng er mit AfD-Parteikollegen verbunden ist, die wegen Verwendung der Parole bereits vor ihm angezeigt wurden. Und wie er im vollen Bewusstsein um die Strafbarkeit, schon nach Eröffnung des Strafverfahrens gegen ihn, die Verbreitung der Parole weiter befeuerte.

Kurz: Höcke will die SA-Parole mit neuem Leben füllen – ganz im Sinne ihrer ursprünglichen Verwender, den Nazi-Schlägern der SA. Dafür spuckt er auch auf unser Rechtssystem, missachtet ganz bewusst die Gesetze. Das Gericht sieht das, lässt sich von Höcke und seinem ganzen Stab an rechtsgesinnten Verteidigern nicht an der Nase herumführen – und schiebt seinem Verhalten nun einen Riegel vor.

Kappt die AfD das letzte Halteseil?

Das stellt nun auch die AfD vor eine für die Partei sehr zentrale Gewissensfrage: Will sie Höcke in seinem Kampf um Nazi-Vokabular weiter unterstützen? Kappt sie endgültig dieses letzte Halteseil?

Schon jetzt nämlich schickt sich "Alles für Deutschland" an, zum inoffiziellen Wahlkampfslogan der AfD zu werden. Mit dem an sie angelehnten Slogan "Alice für Deutschland" fordern AfD-Anhänger bereits seit Beginn der Diskussion um die SA-Parole vor mehr als einem Jahr die AfD-Chefin als Bundeskanzlerin. Inzwischen steht auf Schildern und T-Shirts bei AfD-Demonstrationen noch unverhohlener "Alles für De…." – und AfD-Chef Tino Chrupalla lässt sich bereitwillig daneben fotografieren.

Macht die Partei so weiter, lässt sie ihre Anhänger in dieser Form gewähren, wird "AfD" nach den Wahlkämpfen im Osten nicht mehr für "Alternative für Deutschland" stehen, sondern zur Abkürzung einer Nazi-Parole verkommen. Dann wäre sie endgültig abgestiegen ins Nazi-Loch.

Auf dem Bundesparteitag am Wochenende immerhin blieb die große Solidarisierung mit Höcke aus. Die Kandidaten, die er ins Rennen um Plätze in Bundesvorstand und -schiedsgericht schickte, erzielten zwar recht gute Ergebnisse, aber fielen am Ende mehrheitlich durch. Grund dafür sind zuallererst Verschiebungen hinter den Kulissen in der Machttektonik der AfD.

Vielleicht aber lernt die Partei auch eines aus dem Debakel um ihren SS-verharmlosenden Spitzenkandidaten Maximilian Krah: Mit den Völkischen, die so heftig mit der Nazizeit flirten, lässt sich kein Staat machen. Für die AfD wie auch für Deutschland wäre das eine gute Nachricht. Ansonsten nämlich erwarten uns düstere Monate.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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