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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Bürgergeld-Debatte Das ist gefährlich
Union und FDP fordern, das Bürgergeld für neu angekommene Geflüchtete aus der Ukraine künftig zu streichen. Inhaltlich ist das in Teilen nachvollziehbar. Allerdings wird mal wieder überdreht. Das hilft in der Sache nicht weiter und ist am Ende auch gefährlich.
Der ehemalige CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident Franz Josef Strauß hat mal gesagt: "Ein Politiker muss dem Volk aufs Maul schauen, aber er darf dem Volk nicht nach dem Mund reden." CDU-Chef Friedrich Merz hat dem vor einer Weile hinzugefügt: "Dem Volk aufs Maul zu schauen, das ist Demokratie, dem Volk nach dem Mund zu reden, das ist Populismus."
Beide Sätze sind richtig und wichtig, wenn man in der Politik nicht in die Kerbe derer schlagen will, die tatsächlich das Ziel verfolgen, der Demokratie zu schaden.
Problem: Es gehört leider zu den schlechten Angewohnheiten mancher Politikerinnen und Politiker, dass sie in Zeiten der Krise dann doch dazu neigen, "dem Volk nach dem Mund zu reden". In der Debatte über das Bürgergeld für Geflüchtete aus der Ukraine passiert gerade genau das. Zwar benennen die entsprechenden Akteure hier ein tatsächliches Problem. Allerdings wird im Ton mal wieder maßlos überdreht – und das ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen.
Probleme ansprechen, ohne zu überdrehen – das wäre doch mal was
Kurz zusammengefasst: Nach der Union hat sich nun auch die FDP dafür ausgesprochen, das Bürgergeld für neu angekommene ukrainische Flüchtlinge zu streichen. Sie sollen stattdessen künftig unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.
Jetzt jonglieren CDU, CSU und FDP also dieser Tage mit allerlei Vorwürfen zu dem Thema. Und genau hier beginnt das Überdrehen. Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, sagt etwa der "Bild" mit Blick auf die Ukrainerinnen und Ukrainer: "Wir sollten nicht länger mit dem Geld der Steuerzahler Arbeitslosigkeit finanzieren, sondern müssen dafür sorgen, dass die Menschen in Arbeit kommen."
Auch in der Union schwingt diese Kritik immer wieder mit. Es ist zum einen die indirekte Anklage, Geflüchtete würden sich am Sozialstaat bereichern. Auf Kosten deutscher Steuerzahler leben. Zum anderen wird hier das Versprechen gemacht, das Problem könne gelöst werden, indem man das Bürgergeld für neu angekommene ukrainische Flüchtlinge streicht. Die Frage ist doch: Was genau soll die Debatte bringen? Und vor allem: Wem soll sie etwas bringen?
Die klassische Panikattacke nach Wahlen
Natürlich ist es extrem wichtig, dass Politikerinnen und Politiker Probleme, die es in diesem Fall ja durchaus gibt, ansprechen. Etwa dass Deutschland die geringste Erwerbsquote ukrainischer Flüchtlinge in Europa hat. Das ist definitiv ein Problem. Auch, dass der Job-Turbo, den Bundesminister Hubertus Heil angekündigt hatte, noch nicht so recht zündet, muss thematisiert werden.
Aber: Von einem gestandenen Spitzenpolitiker darf man auch erwarten, dass er oder sie es schafft, in der Sache differenziert zu argumentieren, anstatt Gruppen gegeneinander aufzuwiegeln – ganz einfach, weil er oder sie es besser weiß oder wissen sollte.
Denn am Ende haben Geflüchtete aus der Ukraine einen Anspruch auf Bürgergeld. Ob sie den nun direkt bekommen oder nach einer Wartezeit und Prüfung – die im Übrigen wieder Mehrarbeit für die deutschen Behörden bedeuten würde. Das Prozedere bekäme also am Ende vor allem der oder die Geflüchtete zu spüren. Ob der Staat und damit der Steuerzahler, wie von FDP und Union suggeriert, dann spürbar Geld sparen würde, sei mal dahingestellt.
Hinzu kommt, dass die Debatte den Eindruck vermittelt, als passiere in der Sache bislang überhaupt nichts. Dem ist nicht so. Trotz der schwächelnden Wirtschaft kamen Ukrainer zuletzt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weit häufiger aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung. Und: Unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind viele Mütter mit kleinen Kindern. Selbst wenn sie wollten, können sie häufig keine Arbeit aufnehmen – weil es an Betreuungsangeboten fehlt.
Nun dürfte der Grund für solche Aussagen unter anderem der Ausgang der Europawahl sein. Denn die Wahlgewinnerin ist zwar die Union. Am meisten profitiert hat von der Unzufriedenheit mit der Ampel und den Sorgen der Menschen jedoch eine andere Partei: die AfD. Die in weiten Teilen rechtsextreme Partei ist mit 15,9 Prozent nicht nur auf dem zweiten Platz hinter CDU und CSU gelandet, sie hat auch am meisten zugelegt. Die anderen Parteien wissen, dass vor allem das Thema Zuwanderung für die Wahlentscheidung an Bedeutung gewonnen hat. Womöglich will man dem so entgegenwirken. Besser wäre es, Lösungen vorzubringen, von denen man weiß, dass sie einen spürbaren Einfluss auf die Probleme der Menschen haben.
- Eigene Recherche