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Kindergrundsicherung: "Die Umsetzung ist miserabel" | Experte


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Gesetz zur Kindergrundsicherung
"Das ist kein guter Gesetzesentwurf"


05.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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Bundesfamilienministerin Lisa Paus: Sie drängt bei der Kindergrundsicherung auf Tempo. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Sie ist ein Herzensprojekt der Grünen, die FDP hingegen hält sie für nicht zustimmungsfähig: die Kindergrundsicherung. So schätzt ein Experte die Reform ein.

Es ist der aktuelle große Ampelstreit: die Kindergrundsicherung. Derzeit befindet sich das Herzensprojekt der Grünen in der parlamentarischen Beratung. Und die Konflikte werden zunehmend öffentlich ausgetragen.

Dabei geht es immer wieder um einen Punkt: die mehr als 5.000 zusätzlichen Stellen, die Familienministerin Lisa Paus (Grüne) haben will. Die brauche es, um die Familien tatsächlich zu entlasten, argumentiert Familienministerin Lisa Paus. "Die zusätzlichen Stellen werden bei den örtlichen Familienservices angesiedelt und für die Administration der Kindergrundsicherung benötigt", heißt es aus ihrem Ministerium.

5.000 Stellen zusätzlich für eine Reform, die eigentlich alles einfacher und unkomplizierter machen sollte. Dieser Widerspruch ist nun ein gefundenes Fressen für die politischen Gegner. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte am Donnerstag der "Bild"-Zeitung: "Frau Paus‘ Pläne für eine Kindergrundsicherung sind ein Bürokratie-Monster, realitätsfern und werden kaum einem Kind wirksam aus der Armut helfen."

"Die Umsetzung ist miserabel"

Das Ziel des Gesetzes war es, die verschiedenen Leistungen für Kinder zu einer einzigen zu vereinigen. Denn derzeit stellt sich das Problem, dass viele von Armut betroffene Familien die Leistungen, die ihnen eigentlich zustehen, nicht abrufen – weil sie von ihnen nichts wissen oder weil die Beantragung zu kompliziert ist.

Verwaltungswissenschaftler Jörg Bogumil ist Experte für öffentliche Verwaltung. Er hält die Reform an sich für richtig und wichtig, damit das Geld auch tatsächlich bei armen Kindern ankommt. "Doch die Umsetzung ist miserabel", sagt er im Gespräch mit t-online. Man habe die bestehenden Prozesse lediglich in einer Behörde zusammengeführt, ohne sie aber zu vereinfachen. Das führe nun dazu, dass es noch immer einen erheblichen Verwaltungsaufwand gebe.

(Quelle: Ruhr-Universtität Bochum, Marquard)

Prof. Dr. Jörg Bogumil

... ist Verwaltungswissenschaftler und forscht unter anderem zur Modernisierung der Verwaltung. Seit 2005 hat er den Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Universität Bochum inne, zuvor war er an Universitäten in Berlin und Konstanz tätig.

Von den rund zwei Milliarden Euro, die die Reform derzeit kosten soll, sollen allein 400 Millionen für die Verwaltung aufgewendet werden – 20 Prozent der Gesamtsumme. "Das kann man heute wirklich keinem mehr erzählen", so Bogumil. Dabei war das explizite Ziel, den Aufwand zu reduzieren. "Diese Chance hat man verpasst."

Bogumil kritisiert zudem das Zustandekommen der Zahl von mehr als 5.000 neuen Stellen. Das Ministerium verlasse sich dabei auf die Angaben der Bundesagentur für Arbeit. "Also der Institution, in der die neuen Stellen entstehen sollen." Er hält die Zahl für zu hoch gegriffen. So sei etwa unklar, was mit den Stellen bei den Familienkassen passiere, die derzeit die Kindergeldanträge bearbeiten. "Ob man diese hohe Zahl an neuen Stellen wirklich braucht, da habe ich große Zweifel."

An einem Problem ändert die Kindergrundsicherung nichts

Doch das ist nicht das einzige Problem, das Bogumil sieht. Ein zweites: Die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz sind nur zu einem geringen Teil in die Kindergrundsicherung überführt worden. Dabei sind sie besonders umständlich und kompliziert zu beantragen.

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Während die Kosten für den Schulbedarf, also für Ranzen, Blocks und Stifte, künftig über die Kindergrundsicherung abgewickelt werden sollen, werden andere Leistungen nicht integriert. So sind für Klassenausflüge, Mittagessen und Beförderung weiter unterschiedliche Stellen zuständig: Wer Bürgergeld erhält, beantragt die Kostenerstattung bei den Jobcentern, andere Familien hingegen bei den Kommunen. Daran ändert auch die Kindergrundsicherung nichts.

Erschwerend kommt hinzu, so Bogumil, dass auch für diese Leistungen weiterhin keine Pauschale gilt – anders als für den Schulbedarf. Die Kostenerstattungen müssen also einzeln beantragt werden. "Von diesem Verfahren müssen wir weg", sagt Bogumil. Sonst reduziere sich zum einen der Verwaltungsaufwand nicht, zudem hänge es weiter von den Eltern ab, die oft ohnehin nicht privilegiert seien. "Verpassen sie, die Zuschüsse zu beantragen, kann das Kind nicht mit auf Klassenfahrt", kritisiert er. "Das Problem ist hinlänglich bekannt." Der Experte fordert eine Pauschale für alle Leistungen des Bildungs- und Teilhabegesetzes.

"Das ist kein guter Gesetzesentwurf"

Wie es mit der Kindergrundsicherung nun weitergeht, darüber ist sich die Politik nicht einig. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet nicht mehr damit, dass das Gesetz wie geplant Anfang 2025 in Kraft treten wird. Die Grünen werben dafür, es nun schnell auf den Weg zu bringen, und werfen der FDP vor, es zu blockieren. Die FDP hält die derzeitigen Pläne hingegen für nicht zustimmungsfähig. Auch Stimmen aus der SPD weisen darauf hin, dass der Entwurf viele Schwachstellen habe, die nun im parlamentarischen Verfahren gelöst werden müssen. Deswegen dauere es so lange, und nicht wegen der FDP, sagte SPD-Sozialexperte Martin Rosemann am Donnerstag im Deutschlandfunk.

Auch Experte Bogumil sagt: "Das ist kein guter Gesetzesentwurf". Die politischen Akteure täten gut daran, die Reform noch einmal grundlegend zu überarbeiten, damit die eigentlichen Ziele erreicht werden. "Und wenn die Kindergrundsicherung dann erst ein halbes Jahr später kommt, dann ist es so", sagt Bogumil. "Hauptsache, sie bringt tatsächlich eine Verbesserung."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Jörg Bogumil am 5. April
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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