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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kanzler und Minister auf Tiktok Wischen sie die Zweifel beiseite?
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will bald auf TikTok aktiv werden. Und er ist nicht allein: Auch in anderen Ministerien wird eine Präsenz auf der hochumstrittenen Plattform geprüft.
Noch ignorieren das Kanzleramt und die Ministerien die Plattform weitgehend, das könnte sich jedoch ändern: Die Bundesregierung dürfte nach t-online-Recherchen schon bald mit eigenen Accounts beim umstrittenen sozialen Netzwerk TikTok starten – und damit dem Beispiel von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) folgen, der einen persönlichen Auftritt bei TikTok plant.
Dieser Schritt, den Lauterbach am Donnerstag im Interview mit t-online ankündigte, ist hochumstritten, die App gilt als Sicherheitsrisiko. Auch deswegen ist dort bisher vor allem eine Partei sehr erfolgreich: die AfD.
Der Grund für die Bedenken: TikTok ist einerseits zwar extrem beliebt, vor allem in der jungen Zielgruppe. Rund 20 Millionen Deutsche nutzen die App bereits – und mehr als 70 Prozent der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland. Andererseits aber kommt die App aus China, gilt als Datenkrake und Einfallstor für Spionage durch die chinesische Regierung. Gerade in den Regierungszentralen ist die Sorge deswegen groß.
Welche Ministerien schon bald folgen könnten
Eine Abfrage von t-online bei allen Ministerien zeigt nun aber Bewegung: Der Kanzler und mehrere Ministerien prüfen, mit einem eigenen Account auf TikTok zu gehen. Andere aber zögern – oder haben das Thema bisher gar nicht auf dem Schirm.
Wer will das Risiko wagen? Ein Überblick:
Pionier Gesundheitsministerium: Das Ministerium ist als einziges bereits mit einem Account auf TikTok, hat dort rund 150.000 Follower. Minister Lauterbach will nun mit einem eigenen Account nachziehen, diesen jedoch nicht von seinem Diensthandy aus bespielen.
Bundeskanzleramt: Der Kanzler hat sich vor einer Woche dafür ausgesprochen, dass "die Bundesregierung" künftig auf TikTok präsent sein soll. Die Bundesregierung prüfe aktuell, "unter welchen rechtlichen und sicherheitstechnischen Bedingungen der Kanzler einen eigenen TikTok-Account starten kann", sagte ein Regierungssprecher am Donnerstag t-online. "Ich erwarte, dass diese Prüfung innerhalb der nächsten Wochen zu einem Ergebnis kommt."
Wirtschaftsministerium: Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) versucht schon jetzt, in den sozialen Medien auf neue Art Politik zu kommunizieren – zum Beispiel mit Erklärvideos zu umstrittenen Themen in der Politik. Auf TikTok aber ist weder Habeck noch sein Ministerium bisher präsent. Man prüfe "regelmäßig, welche sozialen Kanäle wichtig für eine vielschichtige Kommunikation" seien, sagte ein Sprecher t-online. "Das betrifft auch eine mögliche TikTok-Präsenz".
Finanzministerium: Auch im Ministerium von Christian Lindner (FDP) gibt es Überlegungen, auf TikTok zu gehen. Dort heißt es, ein solcher Schritt "werde derzeit noch geprüft".
Bildungsministerium: Vor rund einem Jahr warnte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Interview mit t-online noch eindringlich vor TikTok und betonte: Sie selbst nutze die App nicht. Inzwischen denkt man in ihrem Haus aber wohl um, zumindest für das Ministerium wird geprüft, "ob und unter welchen Voraussetzungen es einen eigenen TikTok-Kanal einrichtet".
Familienministerium: "Die Frage eines eigenen Accounts ist Gegenstand einer laufenden Diskussion und Bewertung", heißt es aus dem Ministerium von Lisa Paus (Grüne).
Entwicklungsministerium: Im Haus von Svenja Schulze (SPD) heißt es, man prüfe regelmäßig eine Erweiterung der Social-Media-Aktivitäten auf andere Plattformen. "Zu TikTok liegt noch keine abschließende Entscheidung vor."
Landwirtschaftsministerium: Etwas unklar bleibt der Stand im Haus von Cem Özdemir (Grüne). Das Ministerium sei bestrebt, die Öffentlichkeit gut zu informieren, heißt es von einem Sprecher. Dafür kämen unterschiedliche Kommunikationskanäle in Betracht. "Was eine Nutzung von TikTok angeht, können wir derzeit keine Neuigkeiten mitteilen."
Arbeitsministerium: Aus dem Haus von Hubertus Heil (SPD) heißt es, man beobachte alle Medien, die dazu dienen können, Menschen über die politischen Vorhaben des Hauses zu informieren. "Dabei sind vor allem die Medien, die jüngere Zielgruppen erreichen, von besonderem Interesse. Es ist durchaus vorstellbar, dass das Ministerium seine Kanäle erweitert, wenn keine sicherheitspolitischen Erwägungen dagegen sprechen."
Justizministerium, Verkehrsministerium und Auswärtiges Amt: Die drei Ministerien halten ihre Antworten am allgemeinsten, TikTok ist dort offenbar noch kein Thema, eine eigene Präsenz wird dort nicht geprüft. Die Eröffnung neuer Kanäle werde "regelmäßig geprüft", teilt ein Sprecher von Justizminister Marco Buschmann (FDP) nur allgemein mit – ebenso wie ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Man prüfe, "wo und wie wir präsent sein müssen", heißt es auch nur aus dem Auswärtigen Amt.
Verteidigungsministerium, Innenministerium und Bauministerium: Die deutlichste Absage an TikTok erteilen Verteidigungs- und Innenministerium. "Das Ministerium verfolgt aktuell keine Pläne, TikTok als Plattform zu nutzen", teilt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit. Aus dem Innenministerium teilt ein Sprecher kurz angebunden mit: "Im Innenministerium aktuell nicht geplant."
Ähnlich sieht es im Bauministerium von Klara Geywitz (SPD) aus – hier arbeitet man derzeit an der Präsenz auf anderen Plattformen: "Aktuell planen wir, unsere Aktivitäten neben X und Mastodon zeitnah auf Instagram und LinkedIn zu erweitern."
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