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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Kein Produkt staatlicher Festlegung" FDP läuft Sturm gegen neue Grünen-Idee
Die Grünen wollen eine Untergrenze beim Mindestlohn. Die FDP hält davon nichts – und spricht von einem Angriff auf die Tarifautonomie.
Die Idee der Grünen-Bundestagsfraktion zu einer deutlichen Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns stößt auf heftigen Widerstand bei der FDP. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte t-online: "Ich lehne die Forderung der Grünen ab, den Mindestlohn willkürlich zu erhöhen. Ihre Pläne, das Verfahren zur Anpassung des Mindestlohns in der zuständigen Mindestlohnkommission zu reformieren, kommen de facto einem politisch festgelegten Mindestlohn gleich."
Auch der stellvertretende Fraktionschef der Liberalen, Christoph Meyer, spricht sich gegen die Idee aus. "Höhere Löhne folgen einer wachsenden Wirtschaft. Statt wie die Grünen die Tarifautonomie anzugreifen, müssen wir die ausufernde Bürokratie und die hohe Steuerlast angehen", sagte Meyer t-online. "Der Mindestlohn ist kein Produkt staatlicher Festlegung, sondern der autonomen Aushandlung der Tarifpartner – das muss respektiert werden. Generell gilt, Armut bekämpfen wir nur mit Wirtschaftswachstum, nicht mit planwirtschaftlichen Vorgaben."
Irritiert von dem Vorstoß zeigte sich auch die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Katja Hessel (FDP). Auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP sagte sie: "Eine politische Festlegung des Mindestlohns ist falsch und konterkariert die unabhängige Mindestlohn-Kommission." Sie warne vor einer "rein ideologischen Festsetzung" des Mindestlohns, ein solches Vorgehen gefährde "Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort".
Grüne wollen Mindest-Mindestlohn
Die Grünen fordern in einem Beschlusspapier für ihre anstehende Fraktionsklausur in Leipzig, das t-online exklusiv vorliegt, eine Art Mindest-Mindestlohn. Die Idee: Die Mindestlohnkommission soll weiterhin die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns festlegen, dabei jedoch eine bestimmte Schwelle nicht unterschreiten dürfen.
Diese, so die Grünen, solle bei 60 Prozent des mittleren Einkommens liegen. Für das Jahr 2024 hieße das: Der Mindestlohn müsste deutlich oberhalb von 14 Euro liegen, 2025 dürften es knapp 15 Euro sein. Seit dem 1. Januar liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12,41 Euro.
Zur Begründung führen die Grüne in ihrem Papier an: "Der Mindestlohn ist leider trotz der Erhöhung noch zu niedrig, um angesichts hoher Inflation dauerhaft vor Armut zu schützen." Die Fraktion schlägt deshalb vor, das Verfahren zur Bestimmung des Mindestlohns zu ändern, damit die "Löhne von Geringverdienenden nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung entkoppelt werden".
SPD unterstützt Vorstoß
Zustimmung erhalten die Grünen hingegen von ihrem anderen Ampel-Partner. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt, sagte t-online, sie freue sich, dass "unser Koalitionspartner nun unserer Position folgt und ebenfalls für eine kräftigere Erhöhung des Mindestlohns eintreten will".
Schmidt sagte, auch die SPD halte die "Empfehlungen der EU-Mindestlohnrichtlinie für sowohl eine Orientierung an 60 Prozent des Medianlohns als auch für eine Stärkung der Tarifpartnerschaft für richtig". Es sei kein Geheimnis, dass man von der Empfehlung der Mindestlohn-Kommission enttäuscht war und man sich 2024 und 2025 eine deutlichere Erhöhung des Mindestlohns gewünscht hätte, so die SPD-Politikerin. Schmidt nannte den Mindestlohn ein "Erfolgsprojekt", mit dem man "Millionen Beschäftigten eine kräftige Gehaltserhöhung beschert" habe.
Auch der neu gewählte Co-Sprecher der Parlamentarischen Linken (PL) in der SPD, Tim Klüssendorf, unterstützte den Vorstoß des Ampelparterns. "Es freut mich, dass die Grünen ihre soziale Seite entdecken", so Klüssendorf zu t-online. Schon seit Langem setze sich die SPD für bezahlbare Mobilität, eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte und "einen Mindestlohn, der zum Leben reicht", ein.
- Statement FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP