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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Alice Weidel und Marine Le Pen Krisentreffen rechter Spitzenfrauen in Paris
Rechte Frontfrauen unter sich: Alice Weidel hat Marine Le Pen getroffen. Die Stimmung zwischen AfD und Rassemblement National war zuletzt auf einem Tiefpunkt.
Spitzentreffen nach schweren Verstimmungen: AfD-Chefin Alice Weidel hat am Dienstag in Paris Marine Le Pen getroffen, Übermutter und Fraktionschefin der französischen Rechtsaußen-Partei Rassemblement National (RN). Auch Jordan Bardella, seit 2022 Parteichef des RN, nahm an dem Treffen teil.
"Ich habe mich mit Frau Le Pen und Herrn Bardella in einem sehr offenen und gewinnbringendem Gespräch über die aktuelle politische Situation in Frankreich, Deutschland und Europa ausgetauscht", sagte Alice Weidel nach dem Treffen t-online. "Insbesondere im Hinblick auf die kommende Europawahl und unsere gemeinsame ID-Fraktion haben wir viele Themen besprochen."
Auch das von den Franzosen scharf kritisierte Treffen in Potsdam, bei dem AfD-Politiker mit prominenten Rechtsextremen Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutiert haben sollen, ist laut Weidel Thema gewesen. "Die aktuelle Kampagne rund um das konstruierte Geheimtreffen konnte ich in dem Gespräch entsprechend einordnen", sagte Weidel.
Sie bedanke sich bei Le Pen "sehr herzlich" für die Einladung und die "hervorragende Gesprächsatmosphäre". Man habe vereinbart, sich in Zukunft regelmäßig auszutauschen.
Zuletzt herrschte Krise statt Kooperation
Beide Frauen sind derzeit auf dem Zenit ihrer Macht: Le Pen nimmt Anlauf, um 2027 französische Präsidentin zu werden. Sie versucht das nicht zum ersten Mal, zurzeit aber schneidet der RN in Umfragen besonders stark ab. Auch die AfD erlebte in den vergangenen Monaten einen Höhenflug – und parteiintern gilt Weidel gesetzt als erste Kanzlerkandidatin der AfD für die Bundestagswahl 2025. Die Kandidatur allerdings gilt als PR-Coup, der AfD fehlen mögliche Koalitionspartner.
Bei dem Treffen in Paris handelt es sich um den ersten persönlichen Austausch zwischen Weidel und Le Pen überhaupt. Bereits im Dezember war ein solches Aufeinandertreffen geplant, das allerdings von deutscher Seite abgesagt wurde.
Seither hatte sich das Verhältnis zwischen den deutschen und französischen Rechten, die im Europaparlament zusammen in der Fraktion Identität und Demokratie (ID) sitzen, dramatisch verschlechtert. Le Pen stellte Ende Januar sogar ein mögliches Ende der Zusammenarbeit im Europäischen Parlament in Aussicht. Alle Zeichen standen auf Krise statt Kooperation.
Potsdamer Treffen sorgte für Ärger bei Le Pen
Hauptgrund für den Ärger bei den französischen Rechten: das Treffen in Potsdam, bei dem auch AfD-Politiker Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland unter dem Stichwort Remigration diskutiert haben sollen. Mit dabei: Weidels damaliger persönlicher Referent sowie zwei AfD-Abgeordnete. Es soll dabei um die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund, auch solche mit deutschem Pass gegangen sein. Eine teilnehmende AfD-Bundestagsabgeordnete wird mit den Worten zitiert, die doppelte Staatsbürgerschaft eröffne die Möglichkeit, dass man Menschen den deutschen Pass entziehe, denn "sie haben immer noch eine".
Ein Bericht des deutschen Recherchenetzwerks "Correctiv" legte das Treffen offen und schlug auch international hohe Wellen. In Frankreich reagierte Le Pen darauf hart: Sie sei "ganz und gar nicht einverstanden" mit den Vorschlägen, die bei dem Treffen diskutiert worden sein sollen. Der RN habe niemals eine "Politik der Remigration" verteidigt, die beinhalten würde, Menschen die französische Staatsangehörigkeit zu entziehen – auch wenn der RN die Bedingungen für deren Erhalt kritisiere. Es müsse geprüft werden, ob "sich daraus Folgen ergeben" für die gemeinsame Fraktion im EU-Parlament, so Le Pen.
Die Aussage glich einem Donnerschlag für die AfD. Die Franzosen sind für sie die wichtigsten Partner im EU-Parlament, nach der Europawahl im Juni dürften RN und AfD vermutlich die stärksten Kräfte in der ID-Fraktion bilden. Ohne den Partner wäre die AfD auf europäischer Ebene massiv geschwächt.
Le Pens Konkurrent warb stark mit "Remigration"
Aus AfD-Kreisen heißt es, Le Pens harsche Reaktion sei nicht zuletzt zurückzuführen auf den mit dem Potsdamer Treffen eng verknüpften Begriff der Remigration. In der rechtsextremen Szene ist er ein prominentes Schlagwort. Im Wahlkampf für die französische Präsidentschaft 2022 machte Le Pens Hauptkonkurrent im rechten Lager, Éric Zemmour, mit dem Begriff Wahlkampf. Er forderte unter anderem ein "Ministerium für Remigration". Das Ministerium solle "Ausländer ausweisen, die wir nicht mehr wollen", so der rechtsextreme Zemmour. Für den Fall seiner Wahl versprach er, binnen fünf Jahren eine Million Ausländer auszuweisen.
Aus Le Pens Perspektive dürfte das nach einem Verrat der deutschen Partner aussehen: Ihr wichtigster Koalitionspartner im EU-Parlament macht Werbung für das radikale Konzept, das ihren größten Konkurrenten im französischen rechten Lager auszeichnet.
Der Eklat dürfte außerdem ungute Erinnerungen bei Le Pen wecken – denn es ist nicht das erste Mal, dass die französisch-deutschen Verhältnisse der Rechten wegen Zemmour gestört sind.
Bruch mit den Franzosen schon 2022
Bereits 2022 kam es wegen Zemmour zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen AfD und RN im EU-Parlament. Während in Frankreich der Wahlkampf lief und Le Pen sich um das Präsidentenamt bemühte, hatte nämlich der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah nicht etwa Le Pen, sondern eine Kandidatin aus dem rechtsextremen Zemmour-Lager gelobt – Le Pens Nichte Marion Maréchal.
Die Franzosen waren sauer und Krahs Feinde auch im deutschen Lager stark. Die Folge: Krah wurde für mehrere Monate aus der ID-Fraktion suspendiert. Ein erster und für die AfD peinlicher Bruch mit dem Partner, der auch heute noch gut in Erinnerung ist.
Dass Krah inzwischen Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl im Juni ist, mache die Lage nun nicht einfacher, stöhnen einige in der AfD. Auch Krah verwendete den Begriff der Remigration früh – unter anderem in seinem 2023 erschienenen Buch "Politik von rechts".
Krah jedoch betonte bereits vor dem Treffen zwischen Le Pen und Weidel: Das Verhältnis sei wieder gut, der Ärger ausgeräumt. Er selbst habe sich unter anderem mit dem französischen Spitzenkandidaten, Jean-Paul Garraud, zusammengesetzt. "Die deutsch-französische Achse steht", sagte Krah t-online.
Ähnlich formulierte es Joachim Kuhs, der Leiter der AfD-Delegation im Europaparlament. Auch er habe sich mit Garraud getroffen, sagt er, die Gespräche seien gut verlaufen. Mit Blick auf die Berichterstattung zum Treffen in Potsdam habe es "Missverständnisse" gegeben.
"Aber die haben wir ausgeräumt", so Kuhs zu t-online. "In der Frage der Migration, da sind wir uns völlig einig." Nun gehe es vor allem um eine andere Frage: "Wie bilden wir nach der Europawahl eine neue große, starke Fraktion?"
Zukunft ungewiss
Diese Frage dürfte neben dem Potsdamer Treffen auch Weidel und Le Pen am Dienstag intensiv beschäftigt haben. Schließlich verfolgt Le Pen mit dem RN im Gegensatz zur AfD eine Strategie der öffentlichen Mäßigung, um sich massentauglich zu machen. Die AfD geht einen anderen Weg und positioniert sich programmatisch, vor allem aber personell, immer radikaler.
Die Zukunft der deutsch-französischen Zusammenarbeit bleibt deswegen vor allem: ungewiss.
- Eigene Recherchen