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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Merz' Andeutungen in Richtung Schwarz-Grün Zwei Schritte zu weit
In der Union ist eine Debatte um mögliche Koalitionspartner entstanden. Während die einen die Grünen zum Hauptgegner erklären, werben die anderen für eine Zusammenarbeit. Und Merz? Der macht irgendwie beides. Warum?
Am Wochenende hat Friedrich Merz eine Botschaft gesendet. Erst mal ganz unauffällig, ein paar Zeilen in seinem Newsletter. Angekommen ist sie dennoch. In der sogenannten #MerzMail schreibt der Oppositionsführer, es sei weitgehend unstreitig im öffentlichen Meinungsbild, dass die Union die nächste Regierung anführen dürfte.
"Nur: Mit wem dann zusammen in einer möglichen Koalition?", fragt Merz.
In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Spekulationen darüber gegeben. Immerhin teilen CDU und CSU regelmäßig in alle Richtungen aus. Besonders oft und gerne richtet sich die Kritik gegen die Grünen. Zu Recht wird die Frage gestellt, ob die Union da überhaupt noch ausreichend Raum für Kompromisse sieht. Merz findet: ja. In seiner Mail schreibt er deshalb: "Auch eine Koalition darf nicht alternativlos werden." Ein Satz, der sich an potenzielle Wählerinnen und Wähler, die Ampel, vor allem aber an die eigenen Reihen richtet.
Merz: "Wir sind in allen Fragen vollkommen anderer Meinung"
Man war mittlerweile fast davon ausgegangen, dass Schwarz-Grün, sofern Merz die Union in die nächste Regierung führen sollte, abgehakt ist. Der CDU-Chef hatte die Partei vor einiger Zeit zum Hauptgegner ausgerufen. Im Bundestag richtet sich die Kritik immer häufiger gegen die Grünen. Sei es die Migrationspolitik, die Schuldenbremse oder die Atomkraft – die beiden Fraktionen scheinen in wichtigen Fragen Welten auseinander zu liegen. Als der Oppositionsführer vergangene Woche in der Generaldebatte in Richtung Ampel sagte: "Wir sind in allen Fragen vollkommen anderer Meinung", dürften sich vor allem die Grünen angesprochen gefühlt haben.
Wer die Debatten der vergangenen Wochen verfolgt hat, dürfte nun reichlich überrascht von der #MerzMail sein. Zumal sich die Frage möglicher Koalitionspartner aktuell eigentlich nicht stellt. Warum also die plötzliche "Klarstellung"? Und sieht die Union das genauso?
Was der CDU-Chef damit bezwecken will
Strategisch ergibt es durchaus Sinn, dass Merz sich alle Optionen offenhalten will. Schon allein mit Blick auf potenzielle Wählerinnen und Wähler. Als Merz die Grünen im vergangenen Herbst zum Hauptgegner ausrief, war man in einigen Landesverbänden nicht ohne Grund genervt. In vier Bundesländern regieren CDU und Grüne miteinander. Viele Wählerinnen und Wähler sind zufrieden mit dem Modell, könnten es sich gut im Bund vorstellen. Die Zusammenarbeit auszuschließen, könnte im schlimmsten Fall eigene Anhängerinnen und Anhänger verprellen.
Außerdem ist es aus verhandlungstaktischen Gründen sinnvoll, mit allen zu reden. Signalisiert die Union der SPD, sie sei der einzig realistische Partner, schränkt das auch den eigenen Verhandlungsspielraum ein. Alternativlosigkeit ist nie von Vorteil. Das weiß Friedrich Merz und will deshalb noch einmal unterstreichen, dass die Union hier durchaus Möglichkeiten hat.
Zumal Merz seit einigen Monaten zunehmend schlecht auf die Sozialdemokraten zu sprechen ist. So echauffiert sich der CDU-Chef etwa regelmäßig über die, seiner Meinung nach, haltlosen Vorwürfe der beiden Parteivorsitzenden ihm gegenüber. Saskia Esken hatte Merz zuletzt AfD-Sprache und Spaltung vorgeworfen. Und der Kanzler? Mit dem ist das Verhältnis spätestens seit dem gescheiterten Deutschlandpakt komplett zerrüttet.
Wenn sich aus der Ampel etwas lernen lässt, dann auch, dass persönliche Verhältnisse für das gemeinsame Regieren wichtig sind.
CSU unterstreicht regelmäßig: keine Zusammenarbeit mit Grünen
Das Problem: Merz' Signal ist bei den eigenen Leuten zwar angekommen. So ganz einig ist sich die Union aber trotzdem nicht, ob die Grünen als Koalitionspartner infrage kommen.
So widerspricht etwa der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, Merz nach seinem Vorstoß am Wochenende gleich doppelt im Gespräch mit ZDF-"heute". Winkel findet, dass 18 Monate vor der nächsten regulären Bundestagswahl nicht der "Zeitpunkt für Koalitionsspekulationen" sei. Zudem sagt der JU-Chef, dass Schwarz-Grün auf Bundesebene außerhalb seiner politischen Vorstellungskraft liege.
Hört man in die Unionsfraktion hinein, teilen einige die Skepsis. Die Stimmung im Land gebe das aktuell nicht her, heißt es dort. Oder: Inhaltlich liege man zu oft zu weit auseinander. Besonders bei der Migrationspolitik sehe man nicht, wie man sich mit den Grünen einig werden sollte.
Bei der CSU wird man noch deutlicher. Generalsekretär Martin Huber unterstreicht hier regelmäßig die Haltung seiner Partei. Im Gespräch mit t-online sagte Huber zuletzt, dass "Schwarz-Grün kein Modell für die Zukunft" sei. Und der Fraktionsvorsitzende der CSU in Bayern, Klaus Holetschek, antwortet Merz indirekt am Wochenende: "Schwarz-Grün ist keine Koalitionsoption".
Nach abgestimmter Haltung klingt das erst mal nicht. Muss es jetzt auch noch nicht. Denn bis zur nächsten Bundestagswahl könnte es noch über ein Jahr dauern. Fraglich ist dann jedoch tatsächlich, warum Merz jetzt schon so konkret über Koalitionsoptionen sinniert. Womöglich macht hier aber auch einer den dritten Schritt vor dem ersten, um die anderen zu überspringen.
- Eigene Recherche
- Merz Mail
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