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Streit um Lieferkettengesetz: Es kracht – entgegen der Pläne des Kanzlers


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Streit um neues Gesetz
FDP bremst, Wirtschaft jubelt – und die SPD schäumt


01.02.2024Lesedauer: 3 Min.
Berlin: Arbeitsminister Heil von der SPD (links) und Justizminister Buschmann von der FDP (rechts).Vergrößern des Bildes
Berlin: Arbeitsminister Heil von der SPD (links) und Justizminister Buschmann von der FDP (rechts). (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)
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Es droht erneut Regierungskrach: Die FDP will das geplante EU-Lieferkettengesetz verhindern. Deutsche Unternehmen jubeln – der Koalitionspartner SPD ist erzürnt. Wie lässt sich der Streit beilegen?

In Berlin sollte alles anders werden. Harmonischer, ruhiger, besser organisiert. Kanzler Olaf Scholz hatte in der "Zeit" gerade seine eigene Regierung kritisiert: "Leider ist es zu selten gelungen, wichtige Beschlüsse ohne langwierige öffentliche Auseinandersetzungen zu treffen. Das müssen wir uns ankreiden lassen, und darauf hätte ich gut verzichten können." Das Interview ist eine Woche her. Doch nun? Droht genau das: Wichtige Beschlüsse werden mit öffentlichen Auseinandersetzungen getroffen.

In diesem Fall geht es um das EU-Lieferkettengesetz, das Unternehmen vorschreibt, dass zu menschenwürdigen Bedingungen produziert und gearbeitet wird. Die Kontrahenten: SPD und FDP. Über das Gesetz wollen die Staats- und Regierungschefs nächste Woche Freitag in Brüssel abschließend beraten – ursprünglich ging es auf eine Initiative Deutschlands zurück.

Lieferkettengesetz

Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbart sind.

Und bis zuletzt war offen, wie genau es ausgestaltet sein könnte. Jetzt, nachdem das sogenannte Trilogverfahren zwischen Ministerrat, EU-Parlament und EU-Kommission abgeschlossen ist, finden die FDP-Minister für Finanzen und Justiz, Christian Lindner und Marco Buschmann: Es gehe deutlich zu weit, belaste Deutschlands Unternehmen in hohem Maße und führe zu erheblichen neuen bürokratischen Hürden sowie zu hohen Haftungsrisiken.

Vor allem in der SPD, aber auch bei manchen Grünen hält man den Entwurf für gut und zustimmungsfähig. Die Folge des Zwists: Deutschland droht sich bei der entscheidenden Abstimmung zu enthalten – was auf EU-Ebene einem "Nein" gleichkäme. Möglicherweise kippt das ganze Vorhaben, so die Haltung bei Sozialdemokraten und Grünen, deshalb am innerkoalitionären Veto der Liberalen.

In der FDP ist man am Donnerstag bemüht, schon mal die ersten Pflöcke einzurammen. Justizminister Marco Buschmann schreibt auf Twitter: "Es braucht Lösungen, die gerade kleine und mittlere Unternehmen nicht überfordern und Deutschland & Europa nicht durch noch mehr Bürokratie lähmen." Und er fügt hinzu: "Daher kann das Justizministerium das Trilog-Ergebnis nicht mittragen. Im Rat der Europäischen Union hat dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine "nein"-Stimme wirkt."

In der FDP heißt es zudem: Die Federführung liege beim Arbeitsministerium, also bei Hubertus Heil. Er müsse einen möglichen Kompromissvorschlag machen. Bei den Liberalen fühlt sich mancher bestärkt: Zu viel Gängelung von Unternehmen abzuwenden, sehen sie in der FDP als eine ihrer Kernaufgaben an. "Dafür wurden wir doch gewählt", heißt es intern.

Vorschlag von Heil als möglicher Kompromiss

Und wie könnte er aussehen, der Kompromiss? Das SPD-geführte Arbeitsministerium will das Lieferkettengesetz unbedingt retten – und ködert die Liberalen mit einem Entlastungspaket für Unternehmen, das Erleichterungen bringen soll. Der Deal lautet in etwa, wie mancher bei den Liberalen schon argwöhnt: Etwas mehr Belastungen durch das neue EU-Gesetz, etwas weniger Belastungen an anderer Stelle.

Schmackhaft machen will Arbeitsminister Heil der FDP das Vorhaben durch neue Vorschläge aus seinem Haus, mit denen er die deutsche Lieferkettenregulierung vereinfachen will. So sollen die jährlichen Berichtspflichten der Unternehmen durch das deutsche Lieferkettengesetz ausgesetzt werden. Betroffen sind laut Heils Eckpunkten rund 3.000 Unternehmen. Aktuell müssen die Firmen regelmäßig über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten gegen Kinderarbeit und für Menschenrechte einen Bericht veröffentlichen, der vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft wird.

Und lässt sich die FDP darauf ein?

Stärker berücksichtigt werden soll zudem, wenn es in einem Land, in dem etwa Produkte für den deutschen Markt hergestellt werden, ein niedrigeres Niveau von Rechtsdurchsetzung herrscht. Mehr Raum soll es für Initiativen ganzer Branchen geben, die einzelne Unternehmen entlasten können. In Richtung seiner Kabinettskollegen Buschmann und Lindner sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag: "Ich werbe um Zustimmung."

Ob diese Zustimmung kommt? Es ist zumindest unwahrscheinlich. Denn am Donnerstagnachmittag donnert der Applaus aus der Wirtschaft für die ablehnende Haltung seitens Buschmann und Lindner. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte: "Die deutsche Industrie ist erleichtert." Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber (BDA) bezeichnete das europäische Lieferkettengesetz in seiner jetzigen Form als schädlich für die Unternehmen. Es würde viele Firmen "mit erheblicher Rechtsunsicherheit, Bürokratie und unkalkulierbaren Risiken" konfrontieren.

Sogar der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagt: "Bundesfinanzminister Lindner und Bundesjustizminister Buschmann gilt unser Dank für ihren unermüdlichen Einsatz, diesen Unsinn abzuwenden." Für die FDP kommt die Unterstützung gerade recht. Angesichts schlechter Umfragewerte hat die Partei ein Thema gefunden, das bei der eigenen Klientel gut ankommt.

Der aktuelle Kompromissvorschlag von Hubertus Heil werde sie nicht umstimmen, sagten Liberale bereits hinter vorgehaltener Hand. Wie der Streit aber beigelegt werden soll, das sagt auch noch niemand.

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