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Bündnis Sahra Wagenknecht: "AfD-Mitglieder haben bei uns keinen Platz!"


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Wagenknecht-Vertrauter Fabio De Masi
"Das ist doch verlogen"

  • Carsten Janz
InterviewVon Carsten Janz

11.01.2024Lesedauer: 8 Min.
Fabio De Masi ist Spitzenkandidat bei den Europawahlen für das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (Quelle: Imago / dts Nachrichtenagentur, Montage)Vergrößern des Bildes
Fabio De Masi ist Spitzenkandidat bei den Europawahlen für das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (Quelle: Imago / dts Nachrichtenagentur, Montage) (Quelle: Imago / dts nachrichtenagentur)
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Am Montag hat sich das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" gegründet. Der ehemalige Linken-Abgeordnete Fabio De Masi ist der Spitzenkandidat für die Europawahl. t-online hat er sein erstes Interview nach Parteigründung gegeben.

Er hat sich einen Namen als "Aufklärer" im Skandal um Olaf Scholz und dessen Verstrickungen in die illegalen Cum-Ex-Deals gemacht. Immer wieder setzte Fabio De Masi den heutigen Kanzler mit neuen Recherchen unter Druck. Auch im Untersuchungsausschuss zum Bilanzskandal des Finanzdienstleisters Wirecard arbeitete er an der Aufklärung mit.

Für die Linke saß De Masi im Bundestag und im Europäischen Parlament und war, ungewöhnlich für die Partei, in allen Fraktionen ein angesehener Ansprechpartner. Als er im September 2022 aus der Linksfraktion austrat, wollte er eigentlich mit der Politik abschließen.

In der vergangenen Woche wurde dann überraschend bekannt, dass er dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) angehört und für sie wieder ins Europaparlament will. Seitdem hat der neue Spitzenkandidat des BSW noch kein Interview gegeben. Jetzt spricht er exklusiv mit t-online.

t-online: Herr De Masi, sind Sie ein "Putin-Versteher", wie viele Ihnen jetzt wegen Sahra Wagenknechts angeblicher Nähe zum russischen Präsidenten vorwerfen?

Fabio De Masi: Das sind Labels von Leuten, die keine Ahnung von Diplomatie haben. Ich bin jemand, der auch versucht, sicherheitspolitische Interessen von Politikern zu verstehen, für die ich keinerlei Sympathie hege. Ich bin der Überzeugung, dass das zu einer verantwortlichen Außenpolitik gehört. Ich habe nie Rücksicht auf Putin genommen.

Drei Beispiele: Ich war im Fokus eines mutmaßlichen russischen Spions während meiner Recherchen zu Wirecard. Ich habe über mehrere Jahre Geldwäsche von russischen Oligarchen in Deutschland thematisiert. Und: Ich habe als einziger Politiker öffentlich gemacht, dass der Eigentümer der Cyber-Sicherheitsfirma, die E-Mails von Olaf Scholz verschlüsselte, Nicolaus von Rintelen, Kontakte zum flüchtigen Wirecard-Manager Jan Marsalek, zu dessen Fluchthelfern und zu Kreml-Oligarchen hatte.

Der wichtigste Fundraiser der FDP vom Tegernsee, Conny Boersch, vermittelte hingegen dem Wirecard-Manager und FDP-Spender Burkhard Ley, der des Bandenbetrugs angeklagt wurde, Kontakte zum Kreml-Oligarchen Oleg Boyko. Der grüne Großspender Jochen Wermuth hat Geld mit fossilen Energien in Russland gemacht. Sind das Rubel-Versteher? Ich halte hingegen Putins Russland für ein Land des Mafia- und Oligarchenkapitalismus.

Sollte man mit dem Präsidenten eines solchen Staates dann tatsächlich häufiger das Gespräch suchen, wie es Ihre Parteivorsitzende im Interview mit t-online kürzlich forderte?

Absolut. Weil ich glaube, dass Reden zum politischen Geschäft gehört. Saudi-Arabien ließ den Oppositionellen Jamal Khashoggi in ihrer Botschaft in der Türkei zerstückeln, und Frauen werden unterdrückt. Die Außenministerin preist ihre feministische Außenpolitik und will den Scheichs Eurofighter liefern. Saudi-Arabien hat im Jemen einen blutigen Krieg geführt, der Hunderttausende Tote forderte. Mit denen redet man auch. Und auch die völkerrechtswidrigen Kriege des Westens endeten immer mit Verhandlungen.

Auch Putin hat schon Oppositionelle ermorden lassen, wie Boris Nemzow, oder steckt sie unter fadenscheinigen Gründen in Arbeitslager, wie Alexei Nawalny.

Scholz soll Putin ja auch nicht nach dem Mund reden, aber er muss mit ihm reden. Der Unterhändler von Herrn Selenskyj hat doch bestätigt, dass man im März 2022 bei Gesprächen in Istanbul sehr weit mit einer politischen Lösung war und es den Russen im Wesentlichen um die Frage der Nato-Mitgliedschaft ging. Ich bin sogar überzeugt, dass es möglich gewesen wäre, diesen Krieg zu vermeiden. Der Krieg ist völkerrechtswidrig und ein Verbrechen. Entscheidend ist aber, ihn so schnell wie möglich zu beenden. Frankreich hat mit China diplomatische Initiativen ergriffen. Das war richtig.

Putin hält an Maximalzielen fest und hat kein Interesse an Verhandlungen, wie er erst im Dezember bei einem russischen TV-Aufritt betont hat.

Das überrascht nicht: Je länger der Krieg dauert, desto besser für Putin, da er mehr Männer als die Ukraine in den Fleischwolf schicken kann. Außerdem sind die USA kriegsmüde und werden sich bald abwenden. Zudem wächst die Unzufriedenheit mit Korruption und sozialen Leistungen in der Ukraine. Jetzt wurde bekannt, dass die Regierung erwägt, reiche Ukrainer vom Wehrdienst zu verschonen. Putin weiß daher, dass die Zeit für ihn arbeitet. Und je höher sich die Leichenberge stapeln, desto mehr muss auch er Erfolge in der russischen Öffentlichkeit vorweisen, um den barbarischen Krieg zu rechtfertigen. Er lässt jedoch angeblich auch sondieren. Was er will, können daher nur Verhandlungen beweisen.

Sie sind jetzt als Spitzenkandidat einer Partei unterwegs, die ähnliche Wähler anspricht wie die AfD. Wie fühlt sich das an?

Das ist keine Frage des Gefühls, sondern eine Frage der politischen Verantwortung. Denn etliche der Wähler, die die AfD heute hat, haben ja früher mal SPD und Linke gewählt. Und es ist mir lieber, diese Wähler versammeln sich hinter einer demokratischen Kraft wie unserer Partei, die Probleme für sie löst, als bei der AfD.

Wie wollen Sie verhindern, dass nicht auch enttäuschte AfD-Mitglieder zu Ihnen kommen und Ihre neue Partei schrittweise ins extreme Rechte abdriftet?

Uns wird ja vorgeworfen, wir seien so eine geschlossene Gesellschaft, weil wir erst einmal nur 450 Mitglieder aufnehmen. Das hat ja Gründe. Das machen wir, um genau so etwas zu vermeiden. Wenn jemand Positionen vertritt, die zum Beispiel rassistisch wären, dann wollen wir natürlich nicht solche Mitglieder haben, das ist völlig klar. Eine AfD-Mitgliedschaft würde uns da hellhörig machen. Protestwählen ist etwas anderes als eine Mitgliedschaft.

Sie würden also Leute mit ehemaliger AfD-Mitgliedschaft ausschließen?

Ja, AfD-Mitglieder haben bei uns keinen Platz.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht fordert eine starke Begrenzung der Migration. Ihre Familie hat selbst eine Migrationsgeschichte. Ihr Großvater kommt aus Italien. Wie passt das zusammen?

Mein Vater stammt aus Italien. In der EU herrscht Freizügigkeit, aber mein Vater wurde in Deutschland nicht glücklich und ging zurück, als ich noch sehr klein war. Mein Großvater war Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg. Das erwähne ich nur, weil ja zuweilen so absurde Vorwürfe erhoben werden, wir seien rechts. Wir wollen eine gesteuerte Migration, die Menschen gut integriert. Wir müssen aber die Anreize verringern, dass sehr viele Menschen aus verständlichen Gründen zu uns kommen, die eine bessere wirtschaftliche Zukunft suchen.

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Wenn diese Menschen über lange Zeiträume bei uns ohne echte Perspektive verharren, nimmt der soziale Druck bei Wohnungen und Schulen zu. Dies hat auch nichts mit Bio-Deutsch zu tun. Das sind doch unsere Leute, die etwa einst aus der Türkei kamen und unser Land aufgebaut haben. Die spüren aber etwa in Duisburg-Marxloh den Druck von Zuwanderung. In die wohlsituierten bürgerlichen Viertel findet Zuwanderung hingegen kaum statt. Und wir haben mit unseren Regime-Change-Kriegen, mit Waffenlieferungen und Handelsabkommen Fluchtursachen geschaffen. Es gibt bei den Grünen etwa Leute wie Volker Beck, die feiern ihre vermeintliche Weltoffenheit, aber unterstützen die völlig unverhältnismäßige militärische Reaktion der israelischen Regierung in Gaza. Das passt nicht zusammen: Israel hat ein Recht zur Selbstverteidigung gegen Terror, aber Millionen unschuldige Menschen werden vertrieben, und Tausende Frauen und Kinder sterben. Diese Heuchelei muss aufhören.

Zur Wahrheit gehört auch: Die grüne Außenministerin hat gerade erst Israel zur Mäßigung im Gazastreifen aufgerufen. Aber zurück zur Frage: Wollen Sie das Grundrecht auf Asyl beschränken?

Nein.

Wie wollen Sie die Zuwanderung dann neu regeln?

Das Grundrecht auf Asyl gilt für alle, die politisch verfolgt werden. Jedoch bedeutet dies nicht, dass es zwingend in Deutschland realisiert werden muss. Wo es möglich ist, müssen Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt und Flüchtlinge nach sinnvollen Kriterien in der EU verteilt werden. Das verhindert Tote im Mittelmeer. So können auch jene, die keine Schlepper bezahlen können, und es jetzt gar nicht nach Europa schaffen, zu uns kommen. Außerdem: Wer verhungert, schafft es doch gar nicht erst nach Europa und bekommt auch kein Asyl. Die internationale Gemeinschaft hat Gelder für UN-Flüchtlingscamps und die Versorgung der Ärmsten, die häufig in Nachbarstaaten von bewaffnenden Konflikten fliehen, immer mehr gestrichen. Das ist doch verlogen. Hier müssen wir viel mehr tun.

Aber die EU hat doch erst im Dezember striktere Asylverfahren an den Außengrenzen beschlossen. Was konkret wollen Sie darüber hinaus?

Der Kanzler klopft dicke Sprüche, man müsse mehr abschieben. Oft geht das ja gar nicht, weil es keine Papiere oder Rückübernahmeabkommen gibt, oder es geht um Kinder. Daher müssen wir die Anreize verringern, dass Menschen überhaupt die gefährliche Flucht in Kauf nehmen, obwohl sie eigentlich nicht unter das Asylrecht fallen. Wir müssen also vor Ort in den Herkunftsländern Hilfe leisten und Geldleistungen für jene reduzieren, die keinen Anspruch auf Schutz haben. Denjenigen, die auf einer rechtlichen Grundlage nach Deutschland kommen, müssen wir dann jedoch die Chance zu hervorragender Integration geben. Wir müssen viel mehr für Sprachangebote, Kindergärten und Ausbildung tun.

Wir brauchen auch begrenzte Kontingente für humanitäre Katastrophen und Menschen, die einen Arbeitsvertrag in der Tasche haben. Und jenen, die sich hier gut integriert haben, und etwa morgens die Brötchen backen, dürfen wir keine Knüppel zwischen die Beine werfen. Wir wollen also Zuwanderung reduzieren, aber bessere Integration verwirklichen.

Als Finanzexperte haben Sie an der Aufdeckung vieler Skandale mitgewirkt. Seien es die Unwahrheiten von Olaf Scholz in Sachen Cum-Ex oder auch dem Wirecard-Untersuchungsausschuss. Werden Sie im BSW weiter zu diesen Themen arbeiten?

Ja, klar. Aber ich möchte nicht auf die Aufklärung von Skandalen reduziert werden. Es ist doch so: Ich bekomme von CDU oder Grünen Beifall bei Cum-Ex, wenn es Olaf Scholz trifft. Aber nur, solange ich nichts zur Rolle von Friedrich Merz oder zur grünen Justizsenatorin in Hamburg sage, die nichts getan hat, damit die Hamburger Staatsanwaltschaft da mal ihren Job macht. Ich bin doch in die Politik gegangen, um zu gestalten. Ich habe in Deutschland Themen gesetzt, etwa Strafsteuern für Konzerne auf Finanzflüsse in Steueroasen, um unseren Mittelstand zu schützen oder die Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre.

Ich war der Erste, der eine Übergewinnsteuer in der Corona-Krise gegen Marktmacht forderte, und ich habe 2019 unter anderem per Antrag eine Reform der Schuldenbremse zugunsten von Investitionen in den Bundestag eingebracht. Alle waren damals gegen diese goldene Regel der Investitionen, auch SPD und Grüne übrigens, die sich vor der Wahl ebenso gegen die Vermögensabgabe gestemmt haben. Meine Forderung zur Schuldenbremse wird mittlerweile von Berlins Regierendem CDU-Bürgermeister Kai Wegner vertreten.

Die Besteuerung von Großkonzernen zu fordern, ist das eine. Aber wie realistisch ist das auf EU-Ebene?

Die EU greift in viele Politikbereiche ein, wo sie nichts zu suchen hat. Gleichzeitig heißt es da, wo die EU die Menschen vor den Auswüchsen der Globalisierung und des Finanzkapitalismus schützen könnte, immer: "Ja, tut uns leid. Können wir halt hier nicht machen, denn wir haben so viele Veto-Spieler wie Luxemburg." Das ist eine billige Ausrede. Wir könnten mit den großen Staaten wie Deutschland oder Frankreich beginnen und Großkonzerne wie Apple mit einer Quellensteuer belegen, wenn diese ihr Geld in Schattenfinanzplätzen wie Irland versteuern. Würden die Nationalstaaten anfangen, Druck auf die Schattenfinanzplätze in der EU aufzubauen, würden sie so auch internationalen Kompromissen zustimmen.

Am Montag haben Sie nicht gesagt, welcher Fraktion sich das BSW im EU-Parlament im Falle eines Wahlerfolges anschließen würde. Schließen Sie es aus, dass Sie sich einer der rechten Fraktionen anschließen?

Was für ein Quatsch. Wir werden uns keiner rechten Fraktion anschließen, das ist völlig klar.

Wie wollen Sie verhindern, dass die Partei zu einer reinen Wagenknecht-Show wird und nicht ein Talkshow-Phänomen bleibt?

Wir sind noch bis zur Bundestagswahl nach Sahra Wagenknecht benannt. Das ist zunächst noch wichtig. Denn wir bekommen keine Konzernspenden wie andere Parteien. Daher können wir nicht mit Millionen-PR-Kampagnen einen Parteinamen in den Köpfen verankern. Eine Partei auf dem Wahlzettel zu finden, bei der die Leute den Namen schon kennen, ist daher deutlich einfacher. Aber es wird nicht dabei bleiben, das hat ja auch Frau Wagenknecht selbst angekündigt. Spätestens nach der Bundestagswahl wird sich das Projekt daher umbenennen.

Die Europawahl ist die erste Wahl für das BSW. Mit wie viel Prozent der Stimmen rechnen Sie?

Wenn ich jetzt eine bestimmte Zahl nenne und die dann um 0,1 Prozent verpasse, schreibt t-online nach der Wahl: "Große Wahlniederlage von Herrn De Masi". Ich bin immer dafür, tief zu stapeln und die Erwartungen zu übertreffen. Aber ich denke doch, dass wir ein Ergebnis erzielen können, das die Ampel nervös macht. Sie ist mit ihrer desaströsen Politik die Erntehelferin der AfD.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr De Masi.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Fabio De Masi
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