Flugblatt-Affäre um Aiwanger "Die Verhöhnung ist unerträglich"
Bayerns Regierungsvize Aiwanger wird des Antisemitismus beschuldigt, ein Fragenkatalog soll Aufklärung schaffen. Die Opposition hält das nicht für ausreichend.
Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, dringt in der Antisemitismus-Debatte um Bayerns Vizeregierungschef Hubert Aiwanger auf Aufklärung. "Jetzt darf es nicht um Parteitaktik gehen", sagte Beck t-online. "Die Verhöhnung der Opfer der Shoah durch das Flugblatt eines der Aiwanger-Buben ist unerträglich."
In einer Demokratie müsse jedem der Weg offengehalten werden, auf den Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zurückzukehren, sagte Beck. "Nur ist mir dieser Weg bisher nicht nachvollziehbar dargelegt."
Es gehe nicht bloß um den Besitz eines antisemitischen Flugblattes. Aiwanger habe Medienberichten zufolge auch Hitler-Reden geprobt und sich mit der Lektüre von "Mein Kampf" gebrüstet, sagte Beck, der auch Geschäftsführer des Tikvah-Instituts ist, das jüdische Perspektiven in Wissenschaft und Praxis fördert.
"Mit dem Hinweis auf eine angebliche Jugendsünde kann man das Thema nicht einfach abhaken", so Beck. "Söder hat recht, wenn er die bisherigen Einlassungen Aiwangers nicht für ausreichend hält."
Linken-Chefin fordert Ende für Aiwanger als Minister
Wesentlich härter fällt das Urteil von Linken-Chefin Janine Wissler aus. Sie fordert, dass Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) mit dem Freie-Wähler-Chef bricht. "Söder muss die Zusammenarbeit mit Aiwanger beenden", sagte Wissler t-online. "Stattdessen überreicht er ihm einen Fragenkatalog und veralbert ihn im Bierzelt. Das ist demokratischen Verantwortungsträgern nicht angemessen.“
Unabhängig von der Flugblatt-Affäre bestehe kein Zweifel daran, dass Aiwanger sich am rechten Rand bewege und Söder hier keine Berührungsängste habe. Wissler weiter: "Das Problem ist weniger Aiwangers Vergangenheit als seine Gegenwart. Er tritt auf mit von Storch, drischt rechte Parolen auf Kundgebungen und schürt Ressentiments."
Aus Sicht von Wissler mutet das Bemühen Söders um Aufklärung absurd an: "Ein Ministerpräsident, der sich im Bierzelt als Hitler-Imitator versucht, will aufklären, ob sein Stellvertreter ein den Holocaust verherrlichendes Flugblatt geschrieben, ausgeteilt oder eingesammelt hat", sagte sie. "Was wie eine Stück aus dem Tollhaus klingt, ist bayerische Landespolitik."
Grüne Schulze: "Markus Söder duckt sich weg"
Die Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der Grünen in Bayern, Katharina Schulze, kritisiert die Reaktion des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in der Affäre Aiwanger deutlich. "Markus Söder duckt sich weg", sagte Schulze t-online. "Die Verantwortung jetzt wieder an die Freien Wähler abzuschieben, geht nicht. Schluss mit der Hinhaltetaktik!"
Allein der Anschein von Antisemitismus in der Staatsregierung schade dem Ansehen Bayerns. "Wir berufen jetzt eine Sitzung im Landtag dazu ein", sagte Schulze und forderte: "Der Fragenkatalog an Hubert Aiwanger muss offengelegt werden."
Aiwanger soll 25 Fragen beantworten
Am Dienstag hatte Söder in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt den Druck auf seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger erhöht. Der Freie-Wähler-Chef solle einen Katalog mit 25 Fragen schriftlich beantworten, sagte Söder nach Beratungen im Koalitionsausschuss in München. Erst danach könne man den Fall abschließend bewerten, so Söder.
Aiwanger hatte am Samstagabend schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten in den 1980er-Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" zuerst berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden.
Kurz darauf behauptete Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben. Später sagte er, er glaube, dass sein Bruder Hubert die Flugblätter wieder habe einsammeln wollen.
In Bayern wird am kommenden 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte bislang stets erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu wollen.
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters