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Aiwanger: Darf Markus Söder Hitler imitieren für Kritik an Koalitionspartner?


Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Antisemitismus-Skandal
Hitler nachmachen? Im Bierzelt gelten andere Regeln

  • Meike Kreil
Pro & KontraVon Meike Kreil, Tom Schmidtgen

Aktualisiert am 30.08.2023Lesedauer: 1 Min.
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"Ich werde in München mal auf den Tisch hauen.": Mit dieser Aussage sorgte Markus Söder für Aufsehen. (Quelle: t-online)

In Bayern brodelt es. Hubert Aiwanger steht wegen eines antisemitischen Flugblatts unter Druck – und Markus Söder scheint sich auf den ersten Blick mit einer Hitler-Imitation über ihn lustig zu machen. Darf er das?

Der Fall Hubert Aiwanger (Freie Wähler) um das antisemitische Flugblatt sorgt weiterhin für Aufregung. Nun hat sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag in einem Bierzelt in Landshut, dem Heimatwahlkreis von seinem Vize Aiwanger, auch noch über ihn lustig gemacht.

In einem kurzen Audioausschnitt der Rede, der am Dienstagmorgen kursierte, klang Söder so, als würde er Adolf Hitler imitieren. "Ich werde in München mal auf den Tisch hauen", polterte er. Hier können Sie die Szene nachhören. Später am Tag veröffentlichte der Bayrische Rundfunk eine längere Sequenz des Bierzeltauftritts. In deren Kontext ließen sich Söders Worte und Tonfall auch anders interpretieren ließen – zugleich dürften sich aber auch dann noch immer zahlreiche Menschen an Hitler erinnert fühlen. (Mehr zum Wrbel um Söders Worte lesen Sie hier.)

Vor diesem Hintergrund stellten und stellen sich viele – auch die t-online-Redaktion – die naheliegende Frage: Darf Markus Söder Hitler imitieren, um so seinen Koalitionspartner zu kritisieren?

Pro
Meike Kreil
Meike KreilRegional-Redakteurin

Ja, in Bierzelten gelten einfach andere Gesetze

Um den jüngsten Auftritt Markus Söders zu verstehen, muss man eines vorweg wissen: Im Bierzelt ist der bayrische Ministerpräsident dahoam, da ist er Superstar. Auch deshalb wird Söder nicht müde, jedes noch so kleine Festzelt zu beehren. Umringt von Menschenscharen allen Alters, Tausende Augenpaare und Handykameras auf ihn gerichtet, läuft er zur Hochform auf.

Auf der Bühne schreit er da zum Anstich in Popstar-Manier schon mal ins Mikrofon: "Habt ihr Bock?" – "Jaaaa!", hallt es dann vom tobenden Publikum zurück. Ein flapsiger Spruch – so wie nun die auf Aiwanger gemünzte Hitler-Parodie – heizt die Masse nur noch mehr an.

Könnte es einen besseren Ort für derlei Stammtischgehabe geben? Wohl kaum.

Ob es eines Ministerpräsidenten würdig ist, das sei dahingestellt. Fakt jedoch ist – und das dürfte gegenwärtig alles sein, was den Nürnberger wenige Wochen vor der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober interessiert: Es funktioniert.

Die Menschen im Bierzelt jubeln und lachen. Sie erleben ihren "Maggus-Moment": Der Ministerpräsident, den sie so oft im TV sehen, er kommt in diesen Augenblicken so nahbar daher. Wie einer von ihnen. Kritische Stimmen? Die gehen in dem Applaus unter.

Und sind wir mal ehrlich: Nach allem, was sich der CSU-Chef in der Vergangenheit schon geleistet hat, kann dieser Vorfall niemanden mehr ernsthaft verwundern. In der Union hat sich die Grenze des guten Geschmacks längst verschoben.

Außerdem: Im bayerischen Bierzelt gelten einfach andere Gesetze. Und das ist auch gut so.

Kontra
Tom SchmidtgenRedakteur Politik, Wirtschaft, Gesellschaft

Nein, das ziemt sich nicht

Markus Söder beweist mit seinem Auftritt – Bierzelt hin oder her – vor allem eines: fehlendes Fingerspitzengefühl. Auch wenn er ihn nicht namentlich nennt, war allen Anwesenden klar, hier war Hubert Aiwanger gemeint – der sich anhören sollte wie einst Adolf Hitler.

Das ist geschmacklos! Politiker, speziell Ministerpräsidenten, Regierungschefs müssen sich der Bedeutung ihrer Worte und Gesten bewusst sein. Dazu gehört zu wissen: Eine Hitler-Imitation ist kein gelungener Bierzeltauftritt. Denn jeder offensichtliche Hitler-Witz verharmlost die Verbrechen der Nationalsozialisten.

Davon abgesehen zeigt Söders Auftritt im biergeschwängerten Festzelt aber auch: Er nimmt die Affäre Aiwanger offenkundig nicht ernst. Wer den aktuellen Koalitionspartner als Figur in einem Witz auftreten lässt, noch dazu in einem schlechten, scheint zu glauben, dass alles wohl nur halb so schlimm ist.

Eine fahrlässige Einschätzung, die sich auch darin manifestiert, dass Söder in derselben Rede am Bündnis mit den Freien Wählern festhält – ehe sich Aiwanger am Dienstag im Koalitionsausschuss überhaupt dazu erklären muss. Damit nimmt er sich selbst das größte Druckmittel, um Aiwanger zu einem möglichen Rücktritt zu zwingen.

Die Schwierigkeit an all dem: Die Vorwürfe gegen Aiwanger sind alles andere als lustig. Flugblätter, die den Holocaust zumindest verharmlosen, sind keine banale Jugendsünde.

Bayerns Ministerpräsident wäre gut beraten, dies auch so klarzustellen. Anstatt an einem Koalitionspartner voreilig festzuhalten, dem solche schwerwiegenden Vorwürfe gemacht werden. Aiwanger ist auch Söders Problem.

 
 
 
 
 
 
 

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