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Klimaschutz der Bundesregierung: Jetzt ist Kanzler Olaf Scholz gefragt


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Uneinigkeit in der Regierung
Ist das Kunst oder kann das weg?

  • Sonja Eichert
MeinungVon Sonja Eichert

22.08.2023Lesedauer: 3 Min.
Olaf Scholz (Archivbild): In seinem Kabinett gibt es immer wieder Streit um Klimaschutz-Maßnahmen.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz (Archivbild): In seinem Kabinett gibt es immer wieder Streit um Klimaschutzmaßnahmen. (Quelle: Bernd Elmenthaler/imago-images-bilder)

Klimaschutz ohne Konzept, stattdessen 130 Maßnahmen, die nicht reichen: So wird das nichts. Olaf Scholz ist gefragt – für Orientierung und Führung.

Gebäudeenergiegesetz, Windenergieflächenbedarfsgesetz, Brennstoffemissionshandelsgesetz. Klimaschutz-Sofortprogramm und kumulierte Zielerreichungslücken. Können Sie nichts mit anfangen? Müssen Sie auch nicht.

Von der Bundesregierung allerdings muss man erwarten können, den Überblick über all diese Maßnahmen und Probleme zu haben, die sich um das größte Problem unserer Zeit drehen: die Klimakrise.

Doch spätestens nach dem heutigen Urteil des Expertenrats für Klimafragen gibt es daran erhebliche Zweifel. In der strikt wissenschaftlichen, bloß nicht politischen Sprache der Experten heißt es: "Es fehlt ein schlüssiges und in sich konsistentes Gesamtkonzept jenseits des gemeinsamen Ziels der Emissionsminderung."

130 Maßnahmen, die nicht ausreichen

Soll heißen: Die Bundesregierung betreibt Stückwerk. 130 Maßnahmen bekam der Expertenrat präsentiert. Trotzdem reichen sie in Summe nicht, um das Klimaziel zu erreichen – oder in deren Worten: um die "kumulierte Zielerreichungslücke" zu schließen. Und auch noch mehr Maßnahmen würden ohne Gesamtkonzept kaum helfen, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Brigitte Knopf, bei der Pressekonferenz am Dienstag.

Denn nicht einmal bei den bereits eingeführten Maßnahmen herrscht Einigkeit in der Bundesregierung. Beispiel Deutschlandticket. Das Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) attestiert CO2-Einsparungen in Höhe von 22 Millionen Tonnen, das Klimaschutzministerium von Robert Habeck (Grüne) von nur vier Millionen Tonnen.

Es scheitert an den Grundlagen

Wie soll vernünftige Politik betrieben werden, wenn es schon an Grundlagen wie einheitlichen Berechnungen scheitert? Und wie soll so kontrolliert werden, ob die Klimaziele erreicht werden?

Aktuell offenbar: gar nicht. Die unzureichende Datengrundlage ist einer der Hauptkritikpunkte der Experten. Brigitte Knopf fand auf der Pressekonferenz ein anschauliches Bild: "Die Regierung hat uns ein Puzzle mit tausend Puzzleteilen gegeben", sagte sie. Nur leider würden die tausend Teile von drei verschiedenen Puzzles stammen – "und jetzt haben wir hier ein Stück und da ein Stück und da ein Stück, aber wir sehen gar nicht: Was ist denn das Gesamtbild, was ist das Gesamtkunstwerk?"

Dauerstreit und ein stiller Kanzler

Ein anwesender Journalist fragte gleich zweimal nach: Sei das nicht vielleicht Absicht der Bundesregierung? Eine Verschleierungstaktik, um davon abzulenken, dass all die Maßnahmen nicht reichen beim Klimaschutz? "Das sind keine Tricks", antwortete Knopf. In sich seien die einzelnen Gutachten schlüssig, gingen aber von unterschiedlichen Grundannahmen aus. "Ich glaube, das Problem ist der politische Prozess gewesen", so die Expertin.

Damit wollte sie wohl anspielen auf den Dauerstreit rund um den Klimaschutz, wie zuletzt unter größtmöglicher Öffentlichkeit beim Heizungsgesetz, das eigentlich Gebäudeenergiegesetz heißt. In der Ampelregierung prallen zwei grundsätzlich verschiedene Verständnisse von Klimapolitik aufeinander. Verkürzt gesagt: Die FDP will ökonomische Anreize – Klimaschädliches soll teurer werden. Die Grünen bevorzugen die Ordnungspolitik – Klimaschädliches soll verboten werden.

Und in der Mitte steht die SPD mit ihrem vermeintlichen Klimakanzler Olaf Scholz – und der ist bezeichnend still.

Dabei läge es gerade am Regierungschef, Orientierung zu bieten und seine Mannschaft hinter sich vereinen. Bei aller Unübersichtlichkeit, aller Zankerei, aller verstreuten Puzzleteile nicht das große Ganze, das Gesamtkunstwerk aus den Augen zu verlieren. Aktuell aber scheint es so, als gäbe es nicht einmal eine gemeinsame Vorstellung davon, wie das Puzzle aussehen soll, wenn es denn mal fertig ist.

Zeit, die Puzzleteile zu sortieren

Dabei wäre eine gemeinsame Idee von rot-grün-gelbem Klimaschutz gerade jetzt besonders wichtig. Die Bundesregierung will schließlich das Klimaschutzgesetz neu auflegen – und dabei den Klimaschutz noch stärker als gemeinsame Verantwortung der gesamten Regierung verankern. Aktuell aber ist von tatsächlich gemeinsamer Klimapolitik nicht viel zu sehen. Im Gegenteil: Angesichts des Maßnahmen-Wirrwarrs und der ewigen Streitereien fragt sich so mancher wohl eher: Ist das Kunst oder kann das weg?

Dabei sind die nächsten Jahre entscheidend für den Erhalt unserer Existenzgrundlagen. "Weg" ist also keine Option. Stattdessen wird es höchste Zeit, endlich das Gesamtkunstwerk anzugehen. Bleibt zu hoffen, dass Olaf Scholz gerne puzzelt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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