Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Legalisierungsplan Der Irrtum des Karl Lauterbach
Die Bundesregierung will Cannabis legalisieren. Der Anbau und der Besitz sollen künftig erlaubt sein. Das ist gut gemeint – und trotzdem falsch.
Vorweg: Ich habe bei dem Thema keine eigenen Interessen. Habe ein-, zweimal gekifft, konnte daran nichts finden. Gönne aber allen, die es tun, ihre Tüte und rieche es auch ganz gern, wenn eine Schwade Grasgeruch im Park oder sonst wo vorbeiweht.
Diese Schwaden durchwehen Teile des Landes wie selbstverständlich, da der Konsum von Cannabis erlaubt ist, aber der Anbau und Besitz nicht. Daher könnte man tatsächlich der scheinbaren Logik des deutschen Gesundheitsministers erliegen, auch den Anbau und den Besitz begrenzter Mengen von Cannabis zu legalisieren.
Der entsprechende Gesetzentwurf aus dem Hause von Karl Lauterbach liegt am heutigen Mittwoch dem Kabinett vor, weshalb der "Spiegel" auf seinem Cover schon am vergangenen Wochenende einen kiffenden Kanzler präsentierte, dem Lauterbach die Tüte anzündet und dem eine bedröhnte Annalena Baerbock die Beine auf den Schoß legt. Alle ganz locker und cool, sogar der sonst immer so offizielle und kontrollierte Christian Lindner hängt leicht derangiert am Wasserpfeifchen.
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Man kommt sich angesichts dieses Symbolbildes regelrecht spießig und unlocker vor, wenn man dennoch seine Probleme mit dieser geplanten Gesetzesänderung hat. Aber konsequent zu Ende gedacht, erliegen Karl Lauterbach und alle Befürworter einem großen Irrtum.
Drei falsche Versprechen
Drei Versprechen verbindet die Regierung mit dem Ende der zugegebenermaßen verdrucksten derzeitigen Praxis, wonach Cannabis zwar illegal ist, aber dennoch konsumiert werden darf.
Erstens: Es wird weniger Süchtige geben. Aufklärungskampagnen sollen Jugendliche vor den Gefahren des Konsums besser warnen und dadurch vom Kiffen abhalten.
Warum, bitte, sollte das so sein? Die Lebenserfahrung auch mit anderen Suchtstoffen wie Alkohol zeigt: Selbst wenn davor gewarnt wird, selbst wenn beschönigende Werbung von harten Alkoholika verboten ist, wird trotzdem gebechert. Im Zusammenhang mit Alkohol geht übrigens auch das Argument völlig ins Leere, der sei ja auch fester und legaler Bestandteil unserer Kultur. Das stimmt. Aber kann das bei dem Schaden, den er anrichtet, wirklich als Begründung dafür herhalten, einem weiteren Suchtstoff den Weg in die Legalität zu ebnen?
Christoph Schwennicke
ist Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Corint Media. Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren als politischer Journalist, unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und den "Spiegel". Zuletzt war er Chefredakteur und Verleger des Politmagazins "Cicero".
Zweitens: Es wird weniger Kriminalität geben, wenn Cannabis künftig legal in Shops und Kiffer-Clubs zu bekommen sei und nicht mehr beim Dealer.
Kann sein, dass da was dran ist. Aber wahrscheinlicher ist, dass die kriminellen Strukturen vorläufig eher gestärkt als ausgetrocknet werden von einem mit einem Schlag viel größeren Absatzmarkt, den die legalen Strukturen gar nicht hinreichend bedienen können. Auf diese Schwachstelle im Gesetzentwurf weisen sogar diejenigen hin, die die Legalisierung im Prinzip befürworten.
Drittens: Die Justiz wird entlastet, weil sie nicht mehr jedem Kleinkiffer hinterherjagen muss.
Diesem Argument hat aktuell eine Instanz die Grundlage entzogen, die es wissen müsste. Der Deutsche Richterbund hat diese Woche erklärt, dass die Kleinteiligkeit des Gesetzentwurfs im Gegenteil sogar dazu führen würde, die Justiz zusätzlich zu belasten. Sie führte zu einem hohen behördlichen Kontrollaufwand, zu zahlreichen neuen Streitfragen und zu noch mehr Verfahren vor den Gerichten.
Der Drogensucht wird Vorschub geleistet
Zu einem anderen Ergebnis als ihr Interessenverband kommt die Richterin Clivia von Dewitz, die die Legalisierung im aktuellen "Spiegel" befürwortet. Sie rechnet damit, dass die Gerichtssäle entlastet werden. Ganz zum Schluss des Gespräches aber sagt sie einen Satz, über dessen letzte Konsequenz sie vielleicht noch einmal nachdenken sollte. Sie setze sich für die Legalisierung ein, weil "ich im Gerichtssaal gesehen habe, was Drogen, insbesondere Alkohol, anrichten können. Wer Drogen nimmt, ist vor allem krank, nicht kriminell." Das stimmt. Aber noch einmal: Will der Gesundheitsminister tatsächlich dieser Krankheit Vorschub leisten, indem er einen weiteren Suchtstoff freigibt? Das ist doch keine Logik.
Ein viertes Argument wabert darüber hinaus durch die Debatte: THC, der Wirkstoff, der Cannabis zugrunde liegt, sei weniger gesundheitsschädlich als Alkohol. Es ist müßig und nicht schicklich, sich als Nicht-Mediziner in diesen Streit einzumischen. Aber eines steht in beiden Fällen fest, bei Alkohol wie THC: Die Dosis macht das Gift. Und der Stoff, der heute angeboten wird, hat mit den dunklen Klumpen, die bei uns seinerzeit auf dem Schulhof herumgingen, nicht mehr viel zu tun. Ich werde den sorgenvollen Blick eines namhaften Kollegen nie vergessen, dessen Tochter vor Jahren nach einem Cannabis-Konsum auf einen Trip kam, der gar nicht mehr aufhören wollte.
Manches Provisorium ist für die Dauer gemacht
Ja, die derzeitige Regelung ist ein juristisches Gewurstel, darin haben die Befürworter einer klaren Regelung recht: Cannabis ist illegal, aber Kiffen erlaubt. Das wirkt kraus. Den Impuls, hier Klarheit zu schaffen, kann man verstehen. Aber es hat sich in heiklen Fällen der Staatspraxis oft als besser erwiesen, sich mit einer ordnungspolitisch fragwürdigen, provisorisch wirkenden Regelung über die Runden zu retten. Das gleiche Muster (illegal, aber möglich) liegt vermutlich genau deshalb auch dem geltenden Recht zu Schwangerschaftsabbrüchen zugrunde.
Die Lehre: Grenzfragen entziehen sich gelegentlich einer letztgültigen und messerscharfen Regelung, und manches Provisorium ist für die Dauer gemacht, da rührt man besser nicht dran. Mit einem lebt dieses Gemeinwesen übrigens seit Jahr und Tag bestens. Es heißt Grundgesetz, sein Entwurf ist gerade 75 Jahre alt geworden.
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