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CDU-Krise: Friedrich Merz, die Mimose – platzt der Traum vom Kanzleramt?


Meinung
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Druck in der Union
Merz, die Mimose

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 05.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Friedrich Merz steht unter Druck – bei den eigenen Leuten.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz steht unter Druck – bei den eigenen Leuten. (Quelle: Chris Emil Janssen)
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Was läuft schief in der Union? t-online-Kolumnist Christoph Schwennicke hält die CDU für krank – und ihren Chef für verwundbar.

Angenommen, die CDU wäre keine Partei, sondern eine Person und ginge wegen akuten Unwohlseins in diesen Tagen zum Arzt. Es würde ihr dort Blut abgenommen, Blutdruck gemessen, Ultraschall des Herzens gemacht und ein Belastungs-EKG auf dem Fahrrad. Der Augenschein des versierten Mediziners (oder der Ärztin) erwiese sich im Befund: klarer Fall von Auto-Immunstörung mit einhergehender Persönlichkeitsstörung.

Akuter Behandlungsbedarf mit anschließender langer Reha. Eine Partei, zumal eine, die sich als Volkspartei versteht, ist ein komplexer Organismus. Und der Organismus der CDU ist im Moment geplagt von einer fehlgeleiteten Funktion der körpereigenen Abwehrkräfte. Sie gehen auf die eigenen Zellen los, anstatt sich auf Gesundheitsbedrohungen, die von außen kommen, zu stürzen.

Union auf der Suche nach sich selbst

Das ist der medizinische Kern einer Autoimmunerkrankung. Sie kann lebensgefährlich sein. Weil sich der Organismus selbst kaputtmacht. Seine eigenen Muskeln, seine eigenen Organe. Darüber hinaus fragt sich die Partei, wer oder was sie nach 16 Jahren Kanzlerschaft Angela Merkels eigentlich ist: Was sie im Innersten zusammenhält.

Friedrich Merz, der aktuell Parteivorsitzender ist und unbedingt Unions-Kanzlerkandidat und Bundeskanzler werden möchte, hat mit beiden Symptomen zu kämpfen. Denn die verzweifelte Suche nach sich selbst führt zu Attacken auf den eigenen Bundesvorsitzenden.

Bemerkenswert an den Stolperern der vergangenen Tage und Wochen war gar nicht so sehr die jeweils streitbare Formulierung ("kleine Paschas", "Alternative für Deutschland mit Substanz"). Bemerkenswert war, mit welcher Lust und Inbrunst die eigenen Leute, beileibe nicht nur Hintersassen, auf Merz jedes Mal losgegangen sind.

Kolumnist Christoph Schwennicke
t-online-Kolumnist Christoph Schwennicke (Quelle: Antje Berghäuser)

Christoph Schwennicke

ist Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Corint Media. Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren als politischer Journalist, unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und den "Spiegel". Zuletzt war er Chefredakteur und Verleger des Politmagazins "Cicero".

Schwäche im Treibsand

Seine Bemerkung zum kommunalen Umgang mit der AfD legten seine Kritiker innerhalb der CDU vorsätzlich boshaft aus: Sie wollten Merz geradezu missverstehen. Und was diesen wie die anderen Fälle anlangt: Es ist immer eine Frage der jeweiligen Position, in der sich derjenige, der die Aussage trifft, gerade befindet. Aus einer Position der Stärke heraus gehen sie nach vorne los, aus einer Position der Schwäche nach hinten.

Richtig stark war Merz in seiner Zeit als Parteivorsitzender noch nie. Er hat innerparteilich immer agiert, als laufe er über Treibsand, hat laviert und immer wieder anders geredet und gehandelt, als es seinen eigenen Überzeugungen entsprach.

Richtig geschwächt aber hat ihn der Frontalangriff des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Wüst, vormals ein porentief Konservativer, rief am 15. Juni in der "FAZ" Angela Merkel und deren Kurs der Mitte zum Maß der Dinge in der CDU aus. Ein Affront gegen Merz, der wie kaum ein anderer aktiver Spitzenpolitiker bei den Christdemokraten für einen Gegenkurs zu Merkels Vermächtnis steht. Deshalb ist er am Ende eines quälenden Prozesses auch zum Vorsitzenden der innerparteilichen Mehrheit gewählt worden. Die sich aber bisher nicht durchsetzen kann. Merkels Schatten ist sehr, sehr lang.

Auf einen Wein im Harz

Vielleicht sollte Merz in diesen ruhigeren Sommertagen mal im Harz vorbeischauen. Sigmar Gabriel traue ich sofort zu, dass er sich von seinem Besucher auf ein gutes Glas Wein in der Altstadt von Goslar einladen lässt. Gabriel weiß wie kaum ein anderer, was es bedeutet, eine zerrissene Partei zusammenhalten zu sollen.

Immerhin sieben Jahre lang hat er diese Kraftanstrengung auf sich genommen. Er ist damit immer noch der längstgediente Parteivorsitzende der SPD der vergangenen 20 Jahre. Eine davon, Andrea Nahles, bezeichnete Gerhard Schröder unvergessen als "Abrissbrine" der SPD. Ein gutes Dutzend (in Zahlen: 13) Vorsitzende, teilweise kommissarisch, haben die Sozialdemokraten nach der Kanzlerschaft Gerhard Schröders gesehen, darunter den amtierenden Bundeskanzler, der in dieser Phase der SPD-Autoimmunstörung von eben jenen erbittert bekämpft wurde, die heute als Vorsitzende und als Generalsekretär an der Parteispitze stehen: Saskia Esken und Kevin Kühnert.

Erst mit der Trias Esken, Kühnert und Lars Klingbeil als Co-Vorsitzenden hat die Partei ihren Frieden mit sich selbst und ihrem neuen Kanzler gemacht. Der lange Weg zurück zu sich selbst: Er hat für die CDU gerade erst begonnen.

Platzt der Traum vom Kanzleramt?

Merz ist der dritte Parteivorsitzende in der Nach-Merkel-Zeit. Armin Laschet und Annegret Kramp-Karrenbauer hat der Übergang schon verschlissen. Bei Merz stellt sich gerade die Frage, ob seine Kraft und innerparteiliche Macht ausreicht, wenigstens ein Sigmar Gabriel der CDU zu werden. Also eine erste Konsolidierung der Partei hinzubekommen. (Der Traum einer Kanzlerkandidatur liegt noch jenseits dieses Etappenziels und erscheint im Moment als fraglich.)

Was Merz dafür bräuchte? Die Kraft der Kanarischen Kiefer. Nicht erst seit dem furchtbaren Vulkanausbruch auf La Palma vor zwei Jahren fasziniert mich dieser Baum. Er kann brennen wie eine Fackel – und schlägt nach der Feuersbrunst doch wieder frisch und hellgrün aus dem schwarzen Strunk aus, weil seine schrundige Rinde die saftführenden Schichten im Flammeninferno schützt.

Diese Fähigkeit müsste Merz an den Tag legen, um seinem Traum einer Kanzlerschaft einen Schritt näherzukommen. Aber ist er aus solchem Holz?

Merz, die Mimose

Die Antwort ist offen. Einerseits zeigt er unglaubliche Beharrung. Es ist 21 Jahre her, dass ihn Angela Merkel vom Fraktionsvorsitz verdrängte, den er inzwischen zusammen mit dem Parteivorsitz wieder errungen hat. Eine enorme Willensleistung. Andererseits ähnelt er häufig eher einer Mimose als einer Pinie auf La Palma.

Den einzigen wirklich großen Fehler hat Friedrich Merz unmittelbar nach dem 15. Juni und Wüsts Attacke in der "FAZ" gemacht: Als er Trefferwirkung zeigte und gegen seinen Herausforderer persönlich diffamierend zurückkeilte. Das zeugt so gar nicht von der Rinde der Kanarischen Kiefer, der es völlig einerlei ist, ob die Flammen an ihr hochlecken oder sich ein Wildschwein an ihr reibt.

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