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Robert Habeck und Industriestrompreis: Was hinter der Debatte steckt


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Robert Habeck
Jetzt steht alles auf dem Spiel


Aktualisiert am 02.08.2023Lesedauer: 5 Min.
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister will einen Industriestrompreis.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister will einen Industriestrompreis. (Quelle: Ronny Hartmann / AFP/getty-images-bilder)
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Die Ampelkoalition streitet über billigen Strom für die Industrie. Doch eigentlich steckt mehr dahinter. Es geht um die Frage, wie sehr sich der Staat künftig in die Wirtschaft einmischen sollte.

Man kann es sich leicht machen und diese Geschichte über Robert Habeck und sein 30-Milliarden-Euro-Versprechen ungefähr so erzählen.

Es war einmal ein Wirtschaftsminister, der wollte der Industrie in den nächsten Jahren helfen, ihre Stromrechnung zu zahlen, damit unser Stahl künftig nicht nur in China produziert wird. Bis zu 30 Milliarden Euro würde es bis 2030 kosten. Die FDP hielt das für eine teure Schnapsidee. Also passierte erst mal: nichts. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann streiten sie noch heute.

Diese Geschichte über den sogenannten Industriestrompreis ist nicht falsch. Sie wird dieser Tage in den Medien wieder oft erzählt, weil der eine die Idee gut und die andere sie ganz furchtbar findet. Aber die Geschichte ist unvollständig und erfasst nicht, worum es eigentlich geht und was auf dem Spiel steht.

Denn beim Industriestrompreis wird im Kleinen eine sehr große Frage verhandelt: Wie soll, wie muss Deutschland künftig Wirtschaftspolitik machen, um nicht alt auszusehen?

Um all das besser zu verstehen, braucht es mindestens eine gedankliche Weltreise im Schnelldurchlauf. Wie so oft dieser Tage müssen wir Wladimir Putin in Moskau besuchen und Xi Jinping in Peking sowieso. Beginnen aber wollen wir in Washington bei einem Mann, der sich mit 80 Jahren dazu entschieden hat, mit einer der wichtigsten amerikanischen Gewissheiten zu brechen: bei Joe Biden.

Eine Zeitenwende namens Bidenomics

Joe Biden ist erst zweieinhalb Jahre US-Präsident, seine Wirtschaftspolitik aber ist schon zu einem Kofferwort geworden: Bidenomics, zusammengesetzt aus Biden und economics. Der Begriff soll an die Reaganomics seines berühmten Vor-vor-vor-vor-vor-Vorgängers Ronald Reagan erinnern. Und beschreibt so ziemlich genau das Gegenteil.

Reagan trieb die amerikanische Tradition der freien Marktwirtschaft und des schlanken Staates in den 80er-Jahren auf die Spitze und versuchte mit heftigen Steuersenkungen, Wirtschaft und Haushalt zugleich zu sanieren.

Biden pfeift auf die amerikanische Tradition und gibt Billionen aus, um die Wirtschaft der Zukunft zu bauen.

Der deutsche Ökonom Max Krahé nennt das, was in den USA gerade passiert, "eine wirtschaftspolitische Zäsur, eine ökonomische Zeitenwende". Die Bidenomics seien eine "schonungslose Abrechnung" mit dem Neoliberalismus, sagt er n-tv. Das Paradigma, der Staat solle sich heraushalten aus der Wirtschaft, gelte für Biden nicht mehr. Stattdessen kann und soll die Politik wirtschaftliche Ziele vorgeben – und dann auch (mit)finanzieren.

"Heute gilt: Alles ist politisch", so sagt es der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze in der "Zeit". "Für Bidens Leute stehen strategische Ziele wie Autonomie und Souveränität zunehmend im Zentrum der Wirtschaftspolitik. Diesen Zielen wird alles untergeordnet, notfalls auch das Prinzip der ökonomischen Effizienz oder der Freihandel."

Sprich: Es gibt einen Haufen Geld für die heimischen Unternehmen, damit die USA nicht auf den Rest der Welt angewiesen sind.

Deutschland und Europa als Kollateralschäden

Die Bidenomics sind eine Wirtschaftsstrategie, mit der die USA eigentlich nicht Europa und Deutschland treffen wollen, sondern China. Im Reich des Staatskapitalismus von Präsident Xi Jinping hat es Tradition, Wirtschafts- und Machtpolitik zu verschmelzen, meist skrupellos, oft erfolgreich.

Deutschland und Europa aber drohen im Konflikt der beiden größten Volkswirtschaften der Welt zu Kollateralschäden zu werden. Wenn sie nichts tun. "Strategische Souveränität" lautet deshalb in Berlin und Brüssel seit einiger Zeit das Schlagwort. Was nicht viel mehr heißt als: Um nicht komplett abhängig zu sein, könnte es eine gute Idee sein, selbst so etwas wie eine Chipindustrie aufzubauen und die Stahlindustrie hier zu halten.

Das ist auch eine der Lehren, die Politiker wie Robert Habeck aus Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ziehen, der die Lage noch komplizierter gemacht hat. Die große Abhängigkeit von Putins Gas, das mit dem Krieg plötzlich weggefallen ist, hat die deutsche Energiepolitik durcheinandergewirbelt. Billiges russisches Gas, solange, bis es genug billigen Ökostrom gibt – das war einmal.

Also: Möglichst nie wieder so abhängig werden.

Habecks Zweifel, Habecks Pragmatismus

Robert Habeck lässt immer wieder erkennen, dass er Teile der Bidenomics schwierig findet. Er fürchtet einen weltweiten Subventionswettlauf, in dem derjenige gewinnt, der Unternehmen mit dem meisten Geld locken kann. Also Uncle Joe oder Uncle Jinping. Und eher nicht Uncle Robert.

Habeck aber scheint zu dem Schluss gekommen zu sein, dass es egal ist, welche Note ein deutscher Wirtschaftsminister den Bidenomics auf einer imaginären Adam-Smith-Gedenkskala des Freihandels geben würde. Sie sind schlicht Realität, genau wie der chinesische Staatskapitalismus und der Krieg gegen die Ukraine. Also muss man damit leben und arbeiten.

Für Habeck heißt das neben vielen Gesprächen in Brüssel und Washington eben auch, dass er Unternehmen, die viel Energie brauchen und im internationalen Wettbewerb stehen, mit Staatsgeld entlasten will. Der Industriestrompreis soll ihnen 80 Prozent ihres Verbrauchs für 6 Cent garantieren.

Ursprünglich sah sein Konzept vor, die Stromrechnung der Unternehmen bis ins Jahr 2030 mitzubezahlen – spätestens dann sollen sie von billiger erneuerbarer Energie profitieren. 25 bis 30 Milliarden Euro sollte das den Staat kosten. Zuletzt aber sprach Habeck selbst nur noch von den "nächsten drei bis fünf Jahren", was ungefähr 8 bis 16 Milliarden Euro weniger bedeuten würde. Ein Kompromissangebot an die skeptische FDP.

Nouripour gegen Djir-Sarai

Im Grundsatz aber bleiben Habeck und seine Grünen dabei – und haben es eilig. "Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs sind für die deutschen Unternehmen weiterhin spürbar", sagt Grünen-Chef Omid Nouripour t-online. "Wir brauchen deshalb in einem begrenzten Zeitraum für energieintensive Industrien einen Industriestrompreis."

Mit ihm könne man sicherstellen, sagt Nouripour, "dass wichtige deutsche Industriezweige im internationalen Wettbewerb mithalten können und der Wirtschaftsstandort Deutschland für hiesige Unternehmen attraktiv bleibt".

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Die FDP überzeugt das weiterhin nicht. Die Debatte um den Industriestrompreis sei "mittlerweile nicht nur ermüdend, sondern sie lenkt vor allem vom eigentlichen Problem ab: der offenkundigen Standortschwäche Deutschlands", sagt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai t-online.

Der Wirtschaftsminister solle sich "nicht im Dickicht immer neuer Subventionsforderungen verirren". Was es brauche, sei ein "strategisches Konzept zur Energieversorgung und -sicherheit, steuerliche Entlastungen, weniger Bürokratie und eine bessere Infrastruktur", sagt Djir-Sarai. "Das muss auch der Wirtschaftsminister endlich begreifen."

Gleiches Ziel, ganz anderer Weg

Wie so oft in der Ampelregierung streiten sich Grüne und FDP also nicht darüber, wo sie hinwollen. Eine erfolgreiche deutsche Wirtschaft wollen beide. Es geht um den Weg dorthin. Und dabei um die Frage, wie Deutschland am besten reagiert auf das, was Biden, Xi und Putin anstellen.

Robert Habeck, so könnte man es grob zusammenfassen, hat kein Problem damit, auf die Bidenomics selbst mit ein wenig Bidenomics zu reagieren. Geld auszugeben, um den durch Biden und Xi verzerrten Wettbewerb selbst ein bisschen zurückzuverzerren. Die FDP hingegen will den großen Paradigmenwechsel nicht mitgehen und sich ein gutes Stück Reaganomics bewahren. Mehr Erfolg durch weniger Staat.

Wie die Geschichte über Robert Habeck und sein 30-Milliarden-Euro-Versprechen ausgeht, ist wie bei vielen guten Geschichten: offen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • bmwk.de: Habeck legt Arbeitspapier zum Industriestrompreis vor
  • n-tv.de: "Biden bricht mit den Grundlagen der US-Wirtschaftspolitik"
  • zeit.de: "Manchmal muss man etwas wagen"
  • handelsblatt.de: "Drei bis fünf Jahre reichen" – Habeck zu Zugeständnissen beim Industriestrompreis bereit
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