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Die FDP steckt in der Image-Falle: Zu schrill, zu links oder von gestern?


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FDP in der Falle
Die Angst vor dem linken Mainstream


Aktualisiert am 23.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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Christian Lindner: Die FDP hält in Berlin ihren Bundesparteitag ab. (Quelle: IMAGO/Achille Abboud)
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Ist die FDP zu rückwärtsgewandt oder dient sie sich zu sehr dem Zeitgeist an? Das Konzept aus alten Inhalten und jugendlichem Image stößt jedenfalls an seine Grenzen.

Viel gibt es nicht, was auf dem Bundesparteitag in Berlin noch an die alte FDP erinnert. An die Partei von Dietrich Genscher, Gerhard Baum und Klaus Kinkel. Sogar die Farbe Blau muss als traditionelle Ergänzung zum Gelb immer mehr einem grellen Pink weichen.

In einer der hintersten Reihen des Sitzungssaals findet man noch den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Auf der Bühne beschwert sich Wolfgang Kubicki darüber, dass ein Reporterteam der "heute show" des ZDF ihn gefragt habe, ob er sich nicht zu alt fühle. Ein Generationenwechsel vollzieht sich und zumindest farblich erinnert er dabei ein wenig an deutsche Quizshows aus den 70er-Jahren.

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Wer die große Veranstaltungshalle am Gleisdreieckpark zwischen Kreuzberg und Schöneberg betritt, wähnt sich für einen Moment sogar bei Fridays for Future oder Greenpeace. Das ist gewollt. Eine pfiffige Werbeagentur wurde beauftragt, riesige Aktions-Sticker im Stile von Atomkraft-Nein-Danke-Aufklebern an der Fassade anzubringen. Auf einem sprengt ein E-Fuel-Schriftzug eine Kette. Auf anderen sind Wachstumssprüche zu lesen wie "Let's grow" oder Wortspiele mit Künstlicher Intelligenz.

Im Innern des Gebäudes, auf dem "Markt der Möglichkeiten" in der großen Vorhalle, werben Verbände der Solar-, Wasserstoff und Biomethan-Industrie für eine grüne Zukunft. Auch die Lobbyisten der Geflügelzüchter, des Automobilverbandes und der Landwirtschaft bemühen sich zumindest auf ihren Plakaten um Nachhaltigkeit. Es gibt gesellschaftliche Trends, begründet auf der realen Gefahr des Klimawandels, vor denen sich eben auch die FDP nicht verschließen kann.

Zu viel auf einmal

Aber vielleicht wirkt gerade bei FDP-Wählern dieser Wandel zu schrill und viel zu schnell. Gerade bei den Älteren haben die Liberalen Probleme zu überzeugen. Aus fünf Landtagen ist man bereits geflogen. Weitere könnten dieses Jahr noch folgen. Klimawandel, Krieg und Corona – wohl keine Partei treffen die politischen Folgen der daraus folgenden Kostenexplosionen so wie die steuersensible FDP.

Vielleicht hat die Apothekerlobby auf dem Bundesparteitag auch deshalb jedem Delegierten eine riesige Give-Away-Tüte mit dem großen roten Apotheken-Logo an den Platz stellen lassen. Eine freundliche Erinnerung an die Partei der Besserverdiener für Berufsstände, die oft mit A begonnen haben – Ärzte, Anwälte und Apotheker.

Am Rednerpult weiß der amtierende Bundesjustizminister Marco Buschmann um diese Problematik. "Viele Dinge sind strittig, die wir da durchsetzen", sagt er und meint damit die gemeinsamen und oft kostspieligen Investitions- und Sozialprojekte der Ampel-Regierung. Dann bedankt er sich bei den Delegierten aus den FDP-Landesverbänden. Er wisse, dass alle Ärger bekommen an der Basis, in den Orts- und Kreisverbänden. "Aber wir haben mal hier in diesem Saal beschlossen, nicht German Angst ist unser Motto, sondern German Mut", so Buschmann. Man müsse darum jetzt zusammenstehen und weitermachen, dann würde man auch weiter erfolgreich sein. Schritthalten mit dem Fortschritt, das ist für die FDP einerseits eine Möglichkeit, andererseits ein kostspieliges Risiko.

Soziales Gewissen als Chance für die FDP

Eine, die darauf hoffen muss, dass Buschmanns Wette aufgeht, ist die Tochter von Horst Seehofer, dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten und mehrfachen CSU-Bundesministers. Susanne Seehofer ist 31 Jahre, Mutter einer kleinen Tochter und hat sich vor einigen Jahren dafür entschieden, nicht der Union, sondern den Liberalen beizutreten. (Ein Interview mit ihr können Sie hier lesen). In der nach wie vor von Männern geprägten Partei steht auch sie für diese neue FDP, die sich aber auch immer noch finden muss. Vorbilder sind für sie andere Frauen in der FDP, wie etwa die Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Ria Schröder.

Bei der Landtagswahl im kommenden Herbst will sie ins bayerische Parlament einziehen. Wenn die Partei denn die Fünf-Prozent-Hürde wirklich schafft. Auch Susanne Seehofer möchte, dass die FDP sich ändert. Sie weiß aber auch, wie schnell man Wähler mit neuen Ideen verprellen kann, wenn man nicht alle mitdenkt. "Das sind Menschen wie du und ich, die jeden Tag hart arbeiten, ihre Steuern zahlen und ihre Kinder wie ich in die Kita bringen", sagt sie. Die vielen schnellen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen bergen noch viel sozialen Sprengstoff. Darauf muss auch die FDP Antworten finden.

Am meisten stört sie "das Schubladendenken, diese Partei sei sozial kalt", sagt sie. Auch sie bekomme oft zu hören, sie habe ja leicht reden als Tochter eines dreimaligen Bundesministers. Dabei wisse sie sehr wohl, was prekäre Verhältnisse bedeuten. "Der Papa meines Vaters war Lastwagenfahrer und ist bereits mit Anfang 50 gestorben", erzählt sie von ihrem Großvater und von den damals ärmlichen Verhältnissen in der eigenen Familie.

Auch deswegen sei das Credo ihres Vaters Horst Seehofers immer gewesen: Vergesst die Menschen nicht. Schon früh habe er ihr etwa gesagt, darauf zu achten, wie Gäste im Restaurant mit dem Servicepersonal umgehen. "Da siehst du den wahren Charakter von jemandem", erinnert sie sich an seine Worte.

Gelingt Susanne Seehofer der Einzug in den Landtag von Bayern, könnte sie dort so etwas wie das soziale Gewissen der FDP werden. Einsetzen will sie sich für gute städtische und ländliche Mobilität und für Kita-Plätze, damit es jeder schaffen kann. "Die Schulen in Bayern sind in einem teils katastrophalen Zustand", sagt sie. Bei BMW arbeitet Susanne Seehofer im Bereich Nachhaltigkeit. Sie legt aber Wert darauf, dass es dabei um E-Mobilität und nicht um E-Fuels geht. "Ich bin keine Lobby-Tante", sagt sie und lacht.

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Ein weiter Weg

Auf dem Platz vor dem Parteitagsgelände können sich die FDP-Delegierten dann aber auch davon überzeugen, dass die Sorge einiger, in der Ampel zu weit nach links zu rücken, womöglich unbegründet ist. Vielleicht hat sich die Partei ja doch noch nicht so sehr verändert. Da nämlich stehen Gewerkschaftsmitglieder von IG Metall und wettern gegen den FDP-Vorschlag einer aktienbasierten Rente.

Auch einige Klimaaktivisten von Greenpeace sind anwesend und fordern: "Der Klimawandel ändert alles. Wann ändert sich die FDP?" Ein Vorwurf an die FDP lautet immer wieder: Sie rede zwar viel vom Fortschritt, aber habe zu wenig eigene Ideen für die drängenden Probleme und verweise auf den Markt, der das alleine regeln würde.

Das aktuelle Ampel-Dilemma bleibt: Für die eigene Klientel wirken die Liberalen bisweilen inzwischen zu links. Für andere Wählerschichten bleiben sie unwählbar. Darum besinnen sie sich jetzt auf ein altbewährtes Mittel: Sie gehen auf Stimmenfang bei der Union. Ob das als Strategie reicht, das bezweifeln viele.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort
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